Maria Ruben, 32, hat Glück gehabt. Sie ist gleich beim ersten Mal schwanger geworden. Knapp drei Jahre ist die künstliche Befruchtung bei ihr her. Gleich muss sie los, ihre Kleine, Marlene, aus ihrem Kindergarten in München abholen. Dass sie nicht im Ehebett, sondern in einer Arztpraxis gezeugt wurde, muss nicht jeder wissen. Ruben will ihren richtigen Namen deshalb nicht nennen.
Eines aber sollten doch alle wissen, sagt sie. Was für eine Belastung es sein kann, wenn Kinderkriegen nicht das Einfachste auf der Welt ist, psychisch, aber auch finanziell. Sie erzählt von einem befreundeten Paar. Gut 20 000 Euro haben die zwei für ihren Kinderwunsch ausgegeben, mehr als für einen fabrikneuen Kleinwagen. Eine andere Freundin von ihr hat gerade aufgegeben. Sie und ihr Partner werden vorerst keine Kinder bekommen. Ruben und ihr Mann konnten sich die 2000 Euro für eine künstliche Befruchtung leisten. Ihre Freundin nicht.
Kinder zu bekommen kostet Geld und zwar nicht wenig, wenn es nicht auf natürlichem Wege klappt. Darunter leiden mehr Menschen, als es auf den ersten Blick scheint. Jedes zehnte Paar in Deutschland ist nach Schätzungen ungewollt kinderlos. Mindestens ein Kind in jeder Schulklasse verdankt sein Leben einer außerkörperlichen Befruchtung. Bis jetzt bekamen Paare mit Kinderwunsch keine Unterstützung vom Freistaat. Nun bescherten ihnen die Abgeordneten im Landtag so etwas wie ein kleines, vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. In ihrer letzten Sitzung vor der Weihnachtspause sprachen sie sich einstimmig für ein bayerisches Förderprogramm aus, das schon 2020 in Kraft treten soll. Etwa sechs Millionen Euro soll die Staatsregierung dafür bereitstellen.
Eine künstliche Befruchtung kostet je nach Behandlungsmethode zwischen 3000 und 5000 Euro. Bei den ersten drei Versuchen übernimmt die Krankenkasse die Hälfte der Kosten. Den Rest, also bis zu 2500 Euro, muss das Paar selbst zahlen. In Zukunft sollen Paare in Bayern weitere 50 Prozent der Kosten nach Kassenabrechnung erstattet bekommen, bei 2500 Euro also 1250 Euro. Die Hälfte davon will Bayern mit seinem neuen Förderprogramm zusteuern, die andere Hälfte kommt vom Bund. Dieser unterstützt Paare mit Kinderwunsch schon seit 2012. Das Geld vom Bund aber gibt es nur, wenn auch die Bundesländer mitzahlen.
Von Berlin über Sachsen-Anhalt bis Thüringen haben bisher neun von ihnen ein entsprechendes Förderprogramm, Bayern nicht - bis jetzt. Warum das so lange gedauert hat? "Ich habe seit 2012 dafür gekämpft", sagt Bernhard Seidenath, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Landtag. Seit 2017 habe es seine Fraktion, die CSU, beraten, aber nie dafür gestimmt. "In der Regel hat es am Geld gefehlt", sagt Seidenath. Nun aber scheint die nicht allzu große Summe von knapp sechs Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung zu stehen. Ein Erfolg, den sich vor allem die FDP auf die Fahne schreibt, die den Antrag initiiert hat. Ihr Fraktionschef Martin Hagen weiß selbst, wie es ist, wenn man als Paar zum Arzt gehen muss, um Kinder zu kriegen. Neunmal unterzog sich seine Frau einer künstlichen Befruchtung, erst beim zehnten Mal klappte es. Am Ende hatten sie zwei Kinder und knapp 40 000 Euro für ihren Kinderwunsch bezahlt.
Erst einen Tag ist es her, dass der Landtag dem Antrag von CSU und FDP zustimmte, da hat Hagen schon die ersten E-Mails von Paaren mit Kinderwunsch, die ihm erstens danken und zweitens wissen wollen, wann sie sich bewerben können. Das Förderprogramm werde schnellstmöglich umgesetzt, sobald der Landtag die Mittel im Nachtragshaushalt bereitgestellt habe, teilt das Sozialministerium mit. Hagen rechnet damit, dass die Förderung ab der Sommerpause 2020 beantragt werden kann. Allerdings greift sie nur, wenn es sich um den ersten Versuch handelt. "Paare, die jetzt schon in Kinderwunschbehandlung sind, gehen leider leer aus", sagt Hagen. Wenn es medizinisch möglich ist, rät er deshalb, mit dem ersten Versuch noch ein bisschen zu warten.
Welchen Einfluss Geld auf die Geburtenrate haben kann, zeigen ein paar Zahlen des deutschen IVF-Registers. Als die Krankenkassen statt der Gesamtkosten nur noch die Hälfte übernahmen, sank die Zahl der durch künstliche Befruchtung gezeugten Kinder von etwa 18 900 im Jahr 2003 auf 10 500 ein Jahr später. In Bundesländern, die ein Förderprogramm haben, wurden von 2009 bis 2015 insgesamt 2360 Kinder mehr geboren. Hagen rechnet damit, dass in Bayern pro Jahr künftig 1000 Kinder mehr zur Welt kommen.
Nicht alle Bundesländer fördern gleichermaßen. "Bayern richtet sich nach den Richtlinien des Bundes und wird nicht darunter bleiben", verspricht Seidenath. Dies würde bedeuten, dass vier Versuche gefördert werden. Bei den ersten drei Versuchen verringert sich der Eigenanteil des Paares um 25 Prozent, beim vierten um 50 Prozent, da dieser nicht mehr von den Kassen bezuschusst wird. Die Frau darf nicht älter als 40 Jahre alt sein, der Mann nicht älter als 50 Jahre. Um die volle Förderung zu erhalten, muss das Paar verheiratet sein. Ohne Trauschein gibt es halb so viel. Eine künstliche Befruchtung mit Fremdsperma wird gar nicht unterstützt. Auch homosexuelle Paare gehen leer aus. Die FDP will auch Singles und gleichgeschlechtliche Paare unterstützten. Dass sie die CSU davon überzeugen kann aber, bezweifelt Hagen.