Innere Sicherheit:Corona drückt die Kriminalität - mit einigen Ausnahmen

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Die Sicherheitslage habe sich erneut verbessert, sagt Innenminister Herrmann bei der Vorstellung der jährlichen Statistik. Allerdings nimmt die Internetkriminalität deutlich zu, ebenso die Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung.

Von Johann Osel, München

Geschlossene Läden, Ausgangssperre und das brachliegende Nachtleben - wegen der Pandemie ist die Kriminalität in Bayern vergangenes Jahr gesunken; anders als womöglich erwartet allerdings nur in geringem Maße. Wie die am Montag veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2020 zeigt, ist die Zahl der Straftaten insgesamt um 1,5 Prozent zurückgegangen, auf 594 243 Fälle. Der Wert ist noch nicht bereinigt um sogenannte ausländerrechtliche Verstöße, zum Beispiel jede illegale Einreise gilt als Straftat. Vor allem 2015 und 2016 fiel dieser Faktor ins Gewicht, inzwischen kaum noch. In der Gesamtbetrachtung habe sich die Sicherheitslage in Bayern "erneut verbessert", teilte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit. Die Kriminalitätsbelastung auf die Einwohnerzahl bezogen sank demnach auf das niedrigste Niveau seit 1979 - dies sei "phänomenal".

Dass im Krisenjahr eventuell ein stärkerer Rückgang (wie etwa unlängst in der Statistik zu Verkehrsunfällen) zu erhoffen gewesen wäre, sei "spekulativ", sagte der Minister. Man verbuche 2020 als "Pandemiejahr", tatsächlich habe es aber von Frühsommer bis September viel Normalität gegeben. Zudem steige die Kriminalität jetzt online stark an, das alltägliche Leben habe sich in großen Teilen verlagert. Kriminalität habe sich "immer in der Menschheitsgeschichte der modernsten Techniken bedient". Gut 20 Prozent beträgt der Anstieg bei der Internetkriminalität. Drei Viertel der Straftaten dort betreffen Fälschungs- und Vermögensdelikte, wozu etwa auch Betrug beim Online-Shopping zählt. Neben dem Abschöpfung von Daten können etwa auch Nötigung, Beleidigung oder Erpressung digital vorkommen. Knapp die Hälfte aller Cyber-Delikte konnte aufgeklärt werden, die Polizei geht aber von einer hohen Dunkelziffer aus. Ein mobiles IT-Forensiklabor, das bundesweit "einmalig" sei, soll als Pilotprojekt zum Einsatz kommen.

Einen Rückgang gab es etwa bei Körperverletzungen (minus 8,2 Prozent), Ladendiebstählen (minus 8,5) oder Wohnungseinbrüchen (minus 3,7). Einen klaren Anstieg (plus 23,7 Prozent auf 11 197 Delikte) verzeichneten die Behörden bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Das ist weitgehend auch auf den Trend zum Digitalen zurückzuführen: konkret auf "die Verbreitung pornografischer Schriften", zum Beispiel in Chats oder bei Diensten wie Whatsapp. Weil hier gerade Jugendliche gefährdet sind, planen Innen- und Digitalministerium eine bayernweite Präventionskampagne zur Smartphone-Nutzung. Allerdings ist in dem Deliktbereich auch die Zahl der Vergewaltigungen leicht angestiegen - auf 1278 Fälle (Vorjahr: 1067).

Auffällig in der Statistik ist außerdem: Vergangenes Jahr gab es 65 mehr Straftaten gegen das Leben als 2019 (Gesamtzahl nun: 594 Fälle). In der prozentualen Zunahme - plus 12,3 Prozent - wirkt dies wuchtig. Im Vergleich über einige Jahre liegt die absolute Zahl aber in einer natürlichen Schwankungsbreite. Herrmann verwies darauf, dass die Aufklärungsquote von Tötungsdelikten bei 93 Prozent liege, "kaum einer hat eine Chance, ungestraft davonzukommen". In der Gesamtkriminalität werden zwei von drei Delikten aufgeklärt.

Der Anteil von Straftätern mit ausländischer Staatsbürgerschaft ist mit gut 35 Prozent fast konstant (Migrationshintergrund wird polizeilich nicht erfasst). Bei den Nationalitäten unter Tatverdächtigen aller Delikte steht an erster Stelle mit Abstand Rumänien, dahinter folgen die Türkei, Polen, Syrien, Italien und Afghanistan. Auch Straftaten durch die Gruppe der "Zuwanderer", unter die Migranten in jeglichem Kontext von Asylanträgen fallen, waren 2020 quasi gleichbleibend. Herrmann betonte eigens, dass Ausländer "weit überproportional" verglichen mit ihrem Anteil an der Bevölkerung (13,6 Prozent) in der PKS vertreten seien. Bei Zuwanderern verdiene der "Tatort Asylunterkunft" besondere Erwähnung.

Regional fällt eine Zunahme der Kriminalität - gegen den Trend - im Bereich des Präsidiums Oberfranken auf und dort wiederum in Bamberg (plus 8,2 Prozent). Dies können die Experten derzeit noch nicht ergründen, Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer kündigte eine Analyse an.

Minister Herrmann kam auch auf das Thema häusliche Gewalt zu sprechen, das durch die Pandemiesituation relevant sei und "keine Privatangelegenheit". Statistisch habe es sich aber nicht niedergeschlagen. Zum Weltfrauentag am Montag erinnerte er daran, dass Drohungen oder Beleidigungen gegenüber Frauen nur aufgrund ihres Geschlechts im Fokus der Behörden stünden. Der Innenausschuss im Landtag debattierte kürzlich über eine eigene Erfassung von Delikten aus Frauenhass. Herrmann bestätigte einen vorherigen SZ-Bericht, wonach Polizeiexperten aus Bayern und Baden-Württemberg ein Konzept für eine mögliche Reform im Bund erarbeiten.

© SZ vom 09.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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