Der Innenausschuss des Landtags ist uneins über die Interpretation der neuen Kriminalstatistik der bayerischen Polizei – insbesondere beim steigenden Anteil von ausländischen Tatverdächtigen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erläuterte den Abgeordneten am Mittwoch das Zahlenwerk für das Jahr 2024, das er kürzlich schon öffentlich vorgestellt hatte. Es sei „unübersehbar“, sagte er, dass Menschen „ihre Schutzaufenthalte in Deutschland missbrauchen“ und Straftaten begehen. „Das Thema müssen wir als solches einfach wahrnehmen und es muss konsequent gehandelt werden“ – bei der Begrenzung des Zuzugs und bei Rückführungen. Man dürfe „die Dinge nicht laufen lassen“, man brauche eine „Migrationswende“. Sonst gefährde das „den Sicherheitsstandard, den wir erreicht haben“.
Kritische Wortmeldungen kamen von Vertretern der Opposition im Landtag. Florian Siekmann (Grüne), stellvertretender Ausschusschef und am Mittwoch Leiter der Sitzung, sagte, es sei unbestritten, dass die Zahl der ausländischen Tatverdächtigen in der Statistik überrepräsentiert sei. „Aber die spannende Frage lautet doch: warum?“ Die blanke Zahl sei „nicht wirklich aussagekräftig“. Damit zu arbeiten, ohne zu schauen, wer sich dahinter verberge, und „damit Politik zu machen“ – das hält Siekmann für „Unsinn“.
Aller Voraussicht nach (einige Länder fehlen noch mit ihrer frischen Statistik) bleibt Bayern nach den Worten des Ministers das Bundesland mit der niedrigsten Kriminalitätsbelastung. 2024 hat die Polizei 4218 Straftaten pro 100 000 Einwohner registriert – 3,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Hervor sticht aber ein Zuwachs bei Gewaltdelikten, etwa bei Raub und räuberische Erpressung (plus 9,1 Prozent) und gefährlicher oder schwerer Körperverletzung (plus 4,2 Prozent). Bei Raub macht der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger sogar 52,3 Prozent aus. Bei der öffentlichen Vorstellung der Statistik vor einigen Tagen wie nun im Ausschuss wollte Herrmann auf den Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger „ausdrücklich hinweisen“.
Seit 2010 sei dieser bei allen Arten von Delikten von 23,7 auf 41 Prozent nun im Jahr 2024 gestiegen. Im selben Zeitraum habe sich der Anteil nicht deutscher Einwohner Bayerns von 9,3 auf 16 Prozent vergrößert. Der Anteil der tatverdächtigen Deutschen sei dagegen in den 14 Jahren von 76 Prozent auf 59 Prozent gesunken. Er wolle hier nicht „über jedes Prozent hin oder her“ reden, da sich auch etwa Touristen in der Statistik befänden oder osteuropäische Einbrecherbanden, die nur für ihre Tat kurzzeitig einreisten. „Trotzdem wissen wir alle, dass das nicht die Masse derer ausmacht, sondern es sind die, die sich dauerhaft in Deutschland aufhalten.“

Unterkunft in Bamberg:Wie Geflüchtete in einem „Anker“-Zentrum leben
Seit Monaten wird in Bamberg über die Zukunft der Unterkunft gestritten. Aber wie sehen eigentlich der Alltag und das Leben der Menschen vor Ort aus?
Christiane Feichtmeier (SPD) verwies in der Debatte auf die Flüchtlingsunterkünfte und darauf, dass viele Rohheitsdelikte dort stattfänden; also nicht im öffentlichen Raum. Man müsse viel mehr dafür sorgen, dass man „die Leute da schon integriert und sie sich nicht selbst überlassen werden“. Zuletzt war die Staatsregierung für ihren Plan, auch aus Kostengründen stärker auf Großunterkünfte statt dezentrale Unterbringung zu setzen, vielfach kritisiert worden.
Grünen-Politiker Siekmann argumentierte mit Studienergebnissen, wonach nicht die Staatsbürgerschaft treibender Marker für Kriminalität sei, sondern soziale Bedingungen und etwa die Wohnsituation. Sowie Faktoren wie Alter und Geschlecht. Er wolle an den Minister „appellieren, dass man es sich da nicht so leicht macht“. Herrmann konterte, natürlich hätten junge afghanische Männer einen anderen Einfluss auf die Kriminalitätsbelastung als 70-jährige Frauen. Wenn eben solche Zuwanderer kämen, müsse man die Realität betrachten und zur Kenntnis nehmen, dass das zu mehr Kriminalität führe. Die demografische Analyse allein zeige noch keine Lösungen auf.
Auch über die Cannabis-Freigabe streiten die Abgeordneten
Richard Graupner (AfD) behauptete, die Zahl der tatverdächtigen Ausländer sei „trotz der Turbo-Einbürgerung“ so hoch. Er forderte: Künftig solle man erfassen, welcher Anteil der deutschen Tatverdächtigen einen Migrationshintergrund habe; bei Statistiken zu Schulen werde das ja auch gemacht. Landespolizeipräsident Michael Schwald erklärte daraufhin, es handele sich um eine bundeseinheitliche Statistik, in den Gremien sei dies Thema gewesen. Die Erfassung sei aber wissenschaftlich „schwer bis gar nicht möglich“.
Auch das Thema Cannabis wurde im Ausschuss debattiert. In der Polizeistatistik gibt es seit der Teil-Freigabe der Droge einen Rückgang von 39 Prozent bei der Rauschgiftkriminalität. Eine Entlastung für die Polizei sehen Herrmann wie Schwald dadurch aber nicht. Das Cannabis-Gesetz erschwere vielmehr die Bekämpfung von Kriminalität und begünstige den Schwarzmarkt. Das merkte auch Holger Dremel (CSU) an: „Ehrlich, der Schwarzmarkt ist nicht verschwunden, er boomt.“ Polizisten hätten auch Unsicherheiten bei Kontrollen, etwa bei den zulässigen Mengen. Siekmann betonte, der Schwarzmarkt sei nicht weg, weil es Bayern bisher nicht geschafft habe, auch nur einen einzigen Cannabis-Club zu genehmigen.
Der Innenminister verwies zudem auf die jüngst vorgestellte Verkehrsunfall-Statistik, die eine Steigerung des Fahrens unter Drogeneinfluss zeige. Es gebe „mehr Personen, die zwar die Straffreiheit des Cannabis-Gebrauchs in Anspruch nehmen, aber leider meinen, sie könnten sich in diesem Zustand auch ans Steuer setzen“. Dies bedeute ebenfalls erheblichen Aufwand für die Polizei.