Warenmangel in Bayern:Als selbst der rostigste Nagel noch wertgeschätzt wurde

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Wenig Personal, wenig Nachfrage: Die Wirtschaft im Oberland ist noch nicht wieder in Fahrt gekommen. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Durch Krieg und Krise geraten auch Palettenhersteller in Not, weil die Nägel rar werden. Vor dem Zeitalter der Verschwendung musste man sich darüber keine Gedanken machen.

Glosse von Hans Kratzer

Die Folgen von Krieg und Krise spürt auch der Bundesverband der Palettenhersteller. Wer Paletten erzeugt, benötigt spezielle Nägel, die aber leider in Russland gefertigt und nun wegen der Sanktionen nicht mehr geliefert werden. Es droht ein Paletten- und damit ein Warenmangel düstersten Ausmaßes.

Vor dem Zeitalter der Verschwendung wäre so ein Malheur nicht passiert. Weil Nägel früher von Haus aus knapp waren, ging der Mensch behutsam mit dieser Ressource um. Einem Mangel wurde vorgebeugt, indem die Teile repariert und wiederverwendet wurden. Selbst der kleinste Nagel wurde wertgeschätzt, und war er noch so rostig und verbogen.

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Wenn auf dem Hof alte Bretter herumlagen, dann griff man selbstverständlich zur Beißzange und zog damit die Nägel aus dem morschen Holz heraus. Stück für Stück, kübelweise. Begleitet von gelegentlichen Flüchen, wurden die Nägel anschließend mit einem Hammer mühsam wieder gerade geschlagen.

Gingen die Nägel trotzdem zur Neige, dann wurden schweren Herzens im Kramerladen welche gekauft. Sie lagerten in einem Regal hinten im Eck, es gab sie in verschiedenen Größen. Die Pfennignägel waren sehr groß und kosteten einen ganzen Pfennig pro Stück. Die kleinen Nägel wurden nach Gewicht verkauft, und ein bäuerlicher Mensch erwarb zusätzlich noch Saupech zum Schlachten sowie diverse Kälberstricke, und ein Packerl Zahnschmerzpulver konnte auch nicht schaden.

Der Kramerladen weckt Erinnerungen, die bis zu einem alten Nachbarn zurückreichen, einem Häuslmo, wie man jene Kleingütler nannte. Er geriet schnell in Rage und ging dann in die Luft wie einst das HB-Männchen im Werbespot. Einmal machte der Motor seines Mopeds mitten in der Prärie blubb, er starb ab und ließ sich nicht mehr in Gang setzen. Zornbebend eilte der gute Mann heim, kehrte mit einem Beil zurück und schlug das Schnauferl kurz und klein. Die Dorfbuben klaubten danach alle Teile zusammen, natürlich wurden das Metall, die Schrauben und auch der Ledersitz einer weiteren Verwendung zugeführt.

Nicht nur der Krieg ist Ausdruck der Irrationalität dieser Welt, sondern auch die Verschwendungssucht. Leider werden auch die Sparsamen nicht immer belohnt. Eine Leserin erzählte uns von jenem Pfarrer, der alte Nägel reparierte, sich dabei aber den Hammer schwungvoll auf den Daumen drosch. Gebeugt vom Schmerz, hörte er einen Ministranten seufzen: "Gell Herr Pfarrer, jetzt sollte man fluchen dürfen!"

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