Kratzers Wortschatz:Kumpel Aiwanger und die siebte Bitt

Aiwanger besucht Biergarten in München

Fühlt sich nicht nur im Biergarten sprachlich daheim: Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler).

(Foto: dpa)

Bei seinen Ausführungen zur künftigen Sitzordnung in Biergärten offenbart der bayerische Wirtschaftsminister eine Vorliebe für Begrifflichkeiten aus dem Ruhrpott.

Von Hans Kratzer

Kumpel

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat neulich mit seinen Ausführungen, wie man sich in Corona-Zeiten in einem Biergarten hinsetzen sollte, die Heiterkeit im Lande stark befördert. Außerdem irritierte der Parade-Niederbayer sein Publikum, weil er ständig ein populäres Wort aus dem Ruhrgebiet in den Mund nahm: "Wenn sechs bis acht Leute, jeder mit seinem Kumpel kommt", sagte Aiwanger, "dann kann der sich natürlich jeweils mit seinem Kumpel, der seine Bezugsperson ist, an einen Tisch setzen. Und mit 1,50 Abstand sitzt der nächste Kumpel mit seinem Kumpel."

Der Kumpel, der unter Tage im Bergwerk arbeitet, hat es Aiwanger also angetan. Vermutlich hat er zu viele Ruhrpott-Krimis angeschaut. Berühmt geworden durch den vokaloriginellen Heimatbegriff Opflsoft, ist Aiwanger dennoch ein Kronzeuge des Sprachwandels. Hieße Aiwanger mit Vornamen Sepp, müsste man jetzt Jupp zu ihm sagen. Eigentlich hätte er als niederbayerischer Landwirt statt Kumpel unbedingt Spezl (Spezi) sagen müssen, erst recht, da ja Politiker von Haus aus zur Spezlwirtschaft neigen. Das bairische Stammwort Spezl hat sogar lateinische Wurzeln (amicus specialis, besonderer Freund). Beliebt ist der Spezi auch als Mixgetränk aus Cola und Orangenkracherl.

Siebte Bitt

In den vergangenen Wochen haben Politik und Medien ausführlich an das Kriegsende vor 75 Jahren erinnert. Wenig erforscht sind allerdings die Auswirkungen des Krieges auf die Alltagssprache. Allein die Flüche, die das Landvolk den Tieffliegern entgegenschleuderte, wenn diese auf alles schossen, was sich bewegte, ergäben eine ganze Litanei. Gertraud Engelbrecht schrieb uns, ihre aus dem Allgäu stammende Mutter habe, wenn sie jemand heimlich zum Teufel wünschte, folgenden Spruch gesagt: "Des isch oina von der siebten Bitt!" Um das zu verstehen, muss man sich in Erinnerung rufen, dass das Vaterunser sieben Bitten hat, die letzte heißt: "Und erlöse uns von dem Bösen." Diesen Spruch habe ihre Mutter mit Vorliebe auf Adolf Hitler angewendet, schreibt Frau Engelbrecht.

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