100 Jahre Konkordat in Bayern:„Einfach nur zu sagen, ihr habt jetzt genug bekommen, das mache ich nicht mit“

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte ein Ende der Diskussionen um Staatsleistungen für die Kirche in Deutschland. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Trotz der Erkenntnis „wie Pacelli uns damals abgezockt hat“, sehen sowohl Staatsregierung als auch Kirche keinen Änderungsbedarf am Staatsvertrag. Doch gerade die finanzielle Frage gibt immer wieder Anlass für Kritik.

Von Katja Auer

Ließe man für ein Gedankenspiel kurz den Konjunktiv in die Geschichte und stelle sich etwa vor, dass in Bayern die Monarchie nie abgeschafft worden wäre: Dann wäre der freundliche ältere Herr, der in der Katholischen Akademie am Dienstag mit „Königliche Hoheit“ begrüßt wird, tatsächlich eine solche und würde wohl König Franz gerufen statt nun eben Herzog Franz, weil man den Chef des Hauses Wittelsbach bei offiziellen Anlässen halt nicht einfach „Herr von Bayern“ nennen mag.

Dieser König hätte dann wohl den Münchner Kardinal Reinhard Marx zum Erzbischof von München und Freising ernannt, oder eben nicht, weil das nach dem Konkordat von 1817 seine Aufgabe gewesen wäre. Und Markus Söder wäre vielleicht irgendwas im Kabinett dieses Königs, oder eben nicht. Reden dürfte er an diesem Tag allerdings nicht und es gäbe mangels Anlasses ja auch gar nichts zu sagen.

Weil es sich aber nur um ein Gedankenspiel handelt, kommen all diese Herren am Dienstag zusammen, um in einem Festakt 100 Jahre Konkordat zu feiern, den Vertrag zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl, der 1924 – nach der Revolution und dem Ende der Monarchie – geschlossen wurde.

Es regelt nicht nur, dass die Kirche sogenannte Staatsleistungen erhält, sondern auch die Ernennung von Bischöfen, wie Professuren an Hochschulen besetzt werden und dass katholische Religionslehrer nur dann an Schulen unterrichten dürfen, wenn der Bischof ein „Nihil obstat“ erteilt, also nichts dagegen hat.

„Konkordate waren zu keinem Zeitpunkt unumstritten“, sagt Kardinal Marx, dennoch sei dieser Völkerrechtsvertrag ein Ausdruck der guten Beziehung und nicht nur eine „historische Größe“, sondern auch Anlass, über das Verhältnis von Kirche und Staat nachzudenken. Grundlegend ändern will er am Konkordat nichts, das sagt Marx deutlich, auch wenn es immer wieder Bestrebungen gibt, zumindest die finanziellen Beziehungen zu entflechten. Auch die Ampel-Regierung in Berlin hat sich das vorgenommen, mehr als ein paar Gespräche sind aber bislang nicht geführt worden. Gerade erst hat der Bund für Geistesfreiheit gefordert, das Konkordat zu kündigen. Auch vonseiten der Grünen und der SPD gibt es immer wieder kritische Stimmen.

Die Kirchen bekommen Geld, weil in der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts Kirchen und Klöster enteignet wurden. Alle Bundesländer außer Hamburg und Bremen zahlen deshalb bundesweit etwa 550 Millionen Euro pro Jahr an die katholische und auch die evangelische Kirche. In Bayern sind es derzeit 77 Millionen für die katholische und 27 Millionen für die evangelisch-lutherische Kirche. Der Unterhalt für kirchliche Gebäude in Höhe von nochmals etwa 27 Millionen Euro nicht eingerechnet.

Darüber gibt es immer Diskussionen, da auf diese Weise alle Steuerzahler an den Staatsleistungen beteiligt werden, auch jene, die keiner christlichen Kirche angehören. „Ich erwarte, dass die Komplexität wahrgenommen wird“, sagt Marx. „Einfach nur zu sagen, ihr habt jetzt genug bekommen, das mache ich nicht mit.“ Würde man alles zusammenrechnen, was die Christen für die Allgemeinheit aufbringen, sei das ein Vielfaches dessen, was der Staat bezahle, sagt Marx und nennt als Beispiel kirchliche Einrichtungen wie Kindergärten und Altenheime, aber auch Bildungsorte wie die Katholische Akademie oder auch Kirchen, die ja allen offenstünden.

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In Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder findet Marx einen Verbündeten. Der ist zwar evangelisch, lässt aber keine Gelegenheit aus, um seine Glaubenstreue zu demonstrieren und ist schon beinahe Stammgast im Vatikan. Bischöfe würde er vermutlich auch ernennen, sähe das Konkordat da eine Zuständigkeit vor. Tut es aber nicht, also muss er sich damit begnügen, dass die bayerischen Bischöfe einen Eid auf die bayerische Verfassung ablegen. Beim Ministerpräsidenten, immerhin.

Er nennt die 77 Millionen Euro pro Jahr „gut angelegtes Geld“ und fordert ein Ende der Debatte über die Staatsleistungen. Auch die meisten Ministerpräsidenten der anderen Bundesländer seien dieser Meinung, zudem könnte sich außer Bayern niemand leisten, die Staatsleistungen gegen eine einmalige Milliardensumme abzulösen. Zudem würde eine solche Zahlung eine „unglaubliche Neiddebatte“ auslösen und diese Art „Kulturkampf“ werde er nicht akzeptieren.

Ein Loblied auf Bayern und dessen christliche Prägung darf freilich nicht fehlen zu einem solchen Anlass, Söder belegt das damit, dass im Freistaat „Grüß Gott“ gesagt werde, statt „Tagchen“ wie im Norden oder „Morgen, morgen“ – wobei er mutmaßlich „Moin, moin“ meint. Er schlägt den ganz großen Bogen, spricht sich gegen eine Lockerung des Abtreibungsrechts und gegen assistierten Suizid aus, für den Religionsunterricht in Schulen und natürlich für „das Wichtigste: das Kreuz“. Niemals würde er ein Gipfelkreuz abbauen und dafür Windräder aufstellen, sagt er, unnötig zu ergänzen, dass das niemand so gefordert hat.

Die Kirchenaustrittszahlen sind auf einem Rekordniveau

Und trotz aller Beteuerungen, selbst im katholisch geprägten Bayern gehören bei knapp 13 Millionen Einwohnern nur noch 5,8 Millionen Menschen der katholischen Kirche an. Die Kirchenaustrittszahlen sind auf einem Rekordniveau.

Klaus Unterburger, Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Ludwig-Maximilians-Universität, nennt das Konkordat von 1924 eine „fundamentale Weichenstellung“. Nach der Revolution 1918 war es vorbei mit der Monarchie und damit habe sich die Frage gestellt, ob das alte Konkordat aus dem Jahr 1817 noch gelten könne. Sowohl die Regierung von Bayerns erstem Ministerpräsidenten Kurt Eisner als auch Bayerns Bischöfe hätten das wohl bejaht, die einstigen Revolutionäre hätten die königlichen Rechte bei Bischofsernennungen und Pfarreibesetzungen einfach übernommen. Doch da in der Reichsverfassung von 1919 festgeschrieben wurde, dass jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbst verwalten werde, setzte sich die andere Auffassung durch, sagte Unterburger. Ein neues Konkordat musste ausgehandelt werden.

Das tat auf Kirchenseite der Apostolische Nuntius Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., und er verhandelte aus Kirchensicht nicht schlecht. Hatte früher der König die Bischöfe nominiert, sollte sich der Staat künftig heraushalten und allein der Papst entscheiden. Anderswo in Deutschland kann das Domkapitel aus drei Vorschlägen aus Rom einen Bischof wählen.

Pacelli sicherte der Kirche außerdem den Religionsunterricht an Schulen, die theologischen Fakultäten an Universitäten und Hochschulen und natürlich die Staatsleistungen. Es sei zu fragen, ob Bayern einen zu hohen Preis gezahlt habe, sagt Unterburger. Der Staat habe großes Interesse daran gehabt, ein Konkordat abzuschließen, schon deshalb, um einen Rest an bayerischer Eigenständigkeit zu wahren gegenüber dem Berliner Unitarismus. Außerdem sei die Bayerische Volkspartei, die damals größte Partei, von vielen kirchenfreundlichen Politikern geprägt gewesen, die nach dem Ende der Monarchie gar eine Entchristlichung Bayerns fürchteten.

Staatskanzleichef Florian Herrmann fasst das nach dem Vortrag so zusammen: Er habe gelernt, „wie Pacelli uns damals abgezockt hat“. Dennoch sieht auch er ein über Jahrzehnte etabliertes Miteinander, „von dem Staat und Gesellschaft profitieren“. Änderungsbedarf? Nein.

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