Haushaltsdefizite in Bayern:Corona-Krise leert die Kassen der Kommunen

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Rothenburg ob der Tauber gilt als die Weihnachtsstadt schlechthin. Doch wenn die Touristen aus Übersee ausbleiben, drohen starke finanzielle Verluste. (Foto: Antonia Küpferling)

Unternehmen zahlen keine Steuern, Touristen bringen kein Geld: Die Pandemie wirkt sich in Bayerns Städten unterschiedlich aus, aber überall fehlen die Einnahmen. Es müssen neue Schulden gemacht werden, vielerorts drohen Sparprogramme.

Von Florian Fuchs, Olaf Przybilla und Christian Sebald, Nürnberg/Augsburg/Rothenburg

Harald Riedels Amtszeit als Kämmerer von Nürnberg dauert noch zwei Jahre, er hätte sich die Zeiten kommoder vorstellen können. 1,5 Milliarden Euro Schulden lasten ohnehin schon auf der Stadt, zuletzt war man ohne Neuverschuldung ausgekommen, jetzt aber rechnet Riedel mit einem Haushaltsdefizit von 50 Millionen Euro. Die Pandemie habe "massive Auswirkungen", und das Schlimme sei: "Das ist kein vorübergehendes Phänomen." Man werde nun heruntergezogen, fahre aber wohl über Jahre massive Defizite ein. Die Verschuldung? Werde auch über Jahre ansteigen. Brücken müssen ja saniert, Schulen erneuert werden. Das über Sparen auszupendeln, "ist quasi unmöglich", sagt Riedel.

Die Pandemie trifft die Kommunen vor allem bei ihren Einnahmen aus der Gewerbesteuer, der Hauptquelle ihrer Einnahmen. Vergangenes Jahr summierte sich ihr Volumen bayernweit auf 10,15 Milliarden Euro. 1,65 Milliarden oder knapp 16 Prozent davon überwiesen die Kommunen an den Freistaat. 8,5 Milliarden Euro oder gut 83 Prozent flossen in die kommunalen Haushalte. Dank der guten Konjunktur gingen die Kommunen davon aus, dass sich das Aufkommen 2020 erhöhen wird. Die Entwicklung zu Beginn des Jahres 2020 schien diese Erwartung zu bestätigen.

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Die Pandemie und die Wirtschaftskrise in ihrer Folge machte die Hoffnungen zunichte. Nach ersten Rechnungen müssen die 2056 Städte und Gemeinden im Freistaat allein bei der Gewerbesteuer mit einem Ausfall von 2,4 Milliarden Euro oder gut 20 Prozent rechnen. Trotz des gigantischen Absturzes kommen sie zumindest dieses Jahr mit blauem Auge davon. Bund und Freistaat haben zugesagt, die Ausfälle jeweils zur Hälfte zu kompensieren. Der Vorsitzende des bayerischen Städtetags, der Straubinger OB Markus Pannermayr (CSU), findet daher anerkennende Worte: "Der Ausgleich ist eine wertvolle Hilfe", sagt er. "Er verschafft uns eine kurze Atempause vor einer langen finanziellen Durststrecke in den kommenden Jahren."

Denn wie Nürnberg gehen auch andere Kommunen davon aus, dass die Wirtschaftskrise noch lange andauern wird. Pannermayr fordert deshalb: "Bund und Freistaat müssen unsere Gewerbesteuer-Ausfälle auch nach 2020 ausgleichen." Zumal die Corona-Krise den Kommunen auch andere Lasten aufbürdet. Pannermayr rechnet das am Beispiel seiner Stadt auf. Allein das Minus bei der Einkommensteuer-Beteiligung beträgt in Straubing 1,5 Millionen Euro, hinzu kommen Ausfälle etwa bei den Eintrittsgeldern für den Tiergarten. Die städtische Veranstaltungsgesellschaft, die das Gäubodenfest und die Ostbayernschau organisiert, hat heuer praktisch keine Einnahmen. "Damit sie arbeitsfähig bleibt, braucht sie ein Darlehen von der Stadt", sagt der OB. So prekär ist die Finanzsituation, dass die 48 000-Einwohner-Stadt 2021 und 2022 erstmals seit 2008 wieder Kredite wird aufnehmen müssen. Gerechnet wird mit einer Neuverschuldung von 15 Millionen Euro.

Markus Pannermayr, 50, ist seit 2008 Oberbürgermeister von Straubing. 2020 wurde er zum Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags gewählt. Seit 2021 ist er Schriftführer und Mitglied im CSU-Präsidium. (Foto: Armin Weigel/dpa)

In Augsburg wird die Pandemie heuer wohl ein Loch von knapp 20 Millionen Euro in den Haushalt reißen - was aber deutlich weniger ist, als der Finanzreferent noch im Sommer für den ungünstigsten Fall kalkuliert hatte. Nachdem Bund und Länder Ausfälle bei der Gewerbesteuer erstatten, kommen Augsburg vor allem weniger Einnahmen bei der Einkommenssteuer teuer zu stehen. "Wir müssen weiterhin auf Sicht fahren", hieß es bei der Verabschiedung des Nachtragshaushalts - auch weil sich viele Auswirkungen der Krise erst nach und nach zeigen werden. Augsburg, das mit mehr als 400 Millionen Euro verschuldet ist, will Einnahmenverluste mit einer Reihe von Bauprojekten auffangen, die verschoben werden sollen. Dazu gibt es Diskussionen, auch weil die Koalition aus CSU und Grünen trotz allem weiter zum teuren Ausbau des Staatstheaters steht.

In Herzogenaurach wollen sie den Bau einer Dreifachturnhalle ebenfalls aufschieben. Drei Weltunternehmen beheimatet die Stadt - Adidas, Puma und Schaeffler -, der Einbruch des Gewerbesteueraufkommens beläuft sich auf 80 Prozent. "Einen Einbruch in der Größenordnung kann man nicht ausbügeln", sagt Bürgermeister German Hacker. Der Rathauschef hofft nun auf die Ausgleichszahlungen, betont aber auch, dass sie in Herzogenaurach "nicht als erste jammern" dürften. Schließlich sei man "de facto schuldenfrei".

Ein Hilfeschrei ist dagegen aus Rothenburg ob der Tauber zu hören. OB Markus Naser klingt dort regelrecht verzweifelt: Man habe 50 Prozent internationale Gäste, heuer aber kam aus Übersee praktisch keiner, auf den Haushalt wirke sich das "katastrophal" aus. Eigentlich sei der gar nicht genehmigungsfähig gewesen, wurde aber ausnahmsweise durchgewinkt. Und woran kaum einer denke: Für den Einzelhandel gebe es keine Kompensationen. Wenn aber in Rothenburg keine Gäste kämen, so hätten die Händler dort quasi keinen Umsatz. Der OB fürchtet nun, dass das "viele nicht überleben". Sollte noch das Weihnachtsgeschäft wegbrechen, weil auch im Dezember nicht gereist werden kann, so schwant Naser das Schlimmste: "Es gibt momentan leider kein Licht am Ende des Tunnels."

In Nürnberg steht eher ein Streichkonzert im Raum. Dort ist ein neues Konzerthaus und die Sanierung des Opernhauses geplant, auch die NS-Kongresshalle wollte man zum Kulturort ausbauen und allerlei mehr. Dass das nun ohne Einschnitte abgeht, hält Kämmerer Riedel für "eher unwahrscheinlich". 2021 will man sich zusammensetzen mit der Frage: Was ist noch machbar - und in welchem Zeitraum?

© SZ vom 13.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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