Politik in Bayern:Die Lehren aus der Kommunalwahl

Kommunalwahl in Bayern - Wahlplakateabbau

Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen wurden die Wahlplakate der Grünen am Dienstag bereits wieder abmontiert. Insgesamt fanden am Sonntag in Bayern mehr als 4000 Wahlen von Gemeinderäten, Stadträten und Kreistagen statt.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Noch sind nicht alle Stimmen komplett ausgezählt, aber inzwischen sind erste Analysen möglich. Fünf Thesen, die manch vorschnellen Eindruck korrigieren.

Von Johann Osel, Olaf Przybilla und Christian Sebald

Die neue Unübersichtlichkeit: In den Gemeinde- und Stadträten, aber auch in den Kreistagen sind seit jeher Kleinparteien und lokale Politgruppen vertreten, die auf Landesebene keine Rolle spielen. Bei dieser Kommunalwahl hat die Vielfalt aber deutlich zugenommen. In einer Reihe von Kommunen ist die Lage sogar recht unübersichtlich geworden. Im neuen Ingolstädter Stadtrat etwa sind elf Parteien und Gruppen vertreten. Acht darf man mit Fug und Recht als Klein- und Kleinstgruppen bezeichnen, ihre jeweiligen Ergebnisse liegen im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich. Zusammen kommen die acht aber auf gut 40 Prozent. Das ist fast eineinhalb mal so viel wie die Ingolstädter CSU geholt hat.

In anderen Städten ist die Situation ganz ähnlich. In Landshut hat es der OB künftig mit 13 Parteien und Gruppen zu tun, in Passau sind es zehn und in Augsburg sogar 15. Grund der neuen Unübersichtlichkeit ist vor allem das Fehlen der Fünf-Prozent-Hürde bei den Kommunalwahlen. Dennoch zeigt die Vielfalt an, dass die Bindekraft der etablierten Parteien immer schwächer wird. Gerade in den ländlichen Regionen war es lange Zeit so, dass fast ein jeder, der in seiner Kommune etwas bewegen wollte, zur CSU oder zu den Freien Wählern gegangen ist.

Selbst die SPD und lange Zeit auch die Grünen waren bestenfalls etwas für Zugezogene. Das ist vorbei, die Unübersichtlichkeit der politischen Landschaften in den Kommunen schreitet voran. Zumal die Wähler offenkundig keine Scheu vor ihr haben. Die wichtigste Voraussetzung für sie ist, dass die Kandidaten stimmen. Genau wie das der Grundsatz "Kommunalwahlen sind Persönlichkeitswahlen" besagt, den alle Kommunalpolitiker so gerne beschwören - gleich welcher Partei sie angehören.

Der Amtsbonus gilt noch was: Es ist eine eherne Regel bei Kommunalwahlen, dass ein Landrat oder ein Bürgermeister nicht abgewählt wird - zumindest "wenn er keine silbernen Löffel gestohlen hat", wie das Sprichwort sagt. Das hat sich bei dieser Kommunalwahl erneut bestätigt. Der Straubinger OB Markus Pannermayr (CSU) zum Beispiel ist mit fulminanten 73,2 Prozent im Amt bestätigt worden. Der Lindauer Landrat Elmar Stegmann (ebenfalls CSU) hat sogar 92,5 Prozent erreicht, er hatte allerdings nur einen Gegenkandidaten und der kam von der AfD. Der Fürther Landrat Matthias Dießl (ebenfalls CSU) kam auf 66,5 Prozent - bei fünf Konkurrenten.

Der Amtsbonus gilt natürlich auch für die SPD-Politiker. Das zeigt das Beispiel des Passauer OB Jürgen Dupper. Der Sozialdemokrat, der seit zwölf Jahren an der Spitze der Drei-Flüsse-Stadt steht, holte auf Anhieb 54,6 Prozent - gegen sieben Konkurrenten. Und neuerdings gilt er auch für Grüne - zumindest im unterfränkischen Landkreis Miltenberg. Dort landete der Grünen-Landrat Jens-Marco Scherf bei 69,2 Prozent. Allerdings ist der Amtsbonus auch nicht mehr das, was er früher einmal war. Prominentestes Beispiel: Der Münchner OB Dieter Reiter (SPD) muss in die Stichwahl. Und zwar ausgerechnet gegen die CSU-Kandidatin Kristina Frank, der im Vorfeld keiner eine so rechte Chance gegeben hat.

Aber auch in ländlichen Regionen ist eine gewisse Erosion des Amtsbonus' festzustellen. So regiert der FW-Landrat Josef Niedermaier seit zwölf Jahren unangefochten und souverän den oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Am Sonntag wurde er wie aus heiterem Himmel von dem CSU-Kandidaten Anton Demmel in die Stichwahl gezwungen.

Die AfD hat sich etabliert: Seine Partei sei "in der Fläche angekommen, wir haben uns in den Kommunen verankert", sagt Gerd Mannes, stellvertretender Landesvorsitzender der AfD. Das stimmt tatsächlich - zumindest dort, wo die AfD angetreten ist. Listen (wenn auch selten durchgehend gefüllt) brachte man in den meisten Kreisen und kreisfreien Städten zustande. Im Schnitt haben da drei AfDler ein Mandat erreicht. Mancherorts ist es weniger, andernorts mehr, zum Beispiel in Ingolstadt vier Sitze, im Kreis Erding fünf oder im Kreis Regen sechs.

Hinzu kommen einzelne Städte und Gemeinden, vor allem in Ober- und Niederbayern, wo es Listen gab. Oft sind es traditionell "gute Pflaster" für die AfD. Eine Auswahl: die Städte Mühldorf, Waldkraiburg, Deggendorf und Osterhofen (insgesamt zehn Stadtratssitze). Über das Land verstreut gibt es singuläre Listen und damit meist auch kleine Erfolge, etwa in Freilassing in Oberbayern ein Sitz, im niederbayerischen Markt Reisbach zwei. Dass die AfD nun in Bayern breiter verankert sein wird, steht außer Frage. Bei der Kommunalwahl 2014 war die Partei nur rudimentär angetreten. Keineswegs sitzt man aber auf der unteren kommunalen Ebene in allen Räten.

Bayernweit ist von mindestens 300 Mandaten insgesamt auszugehen. Der Landesvorstand beklagt, die AfD "war im Kommunalwahlkampf unfairen und undemokratischen Schikanen ausgesetzt und damit im Wettbewerbsnachteil". Als Vorzeichen für die Bundestagswahl, wo die Bayern-AfD 2017 das beste Ergebnis in Westdeutschland erreicht hat, will man die Kommunalwahl in der Parteispitze nicht verstanden wissen.

Die Grünen sind die Gewinner: Das mag, betrachtet man die OB-Ergebnisse, zunächst absurd klingen: Immerhin sind die Grünen nicht in die Stichwahl in München gekommen. Sie sind auch nicht in die Stichwahl in Nürnberg gekommen, auch das wollten sie diesmal. Ebenfalls nicht in die Stichwahl in Erlangen, in dieser klassischen Unistadt. Und nicht in Fürth. Auch da war es erklärtes Ziel, der Kandidat blieb bei 8,3 Prozent hängen. Und trotzdem haben die Grünen gewonnen.

Exemplarisch sieht man das in Würzburg, wo der gescheiterte OB-Kandidat Martin Heilig weniger enttäuscht ist, als mancher das erwarten würde. Dass in der Corona-Krise die Amtsinhaber Zulauf haben, das sei im Wahlkampf deutlich zu spüren gewesen am Ende, sagt er. Aber bei der Stadtratswahl, wo die Leute langfristige Erwägungen einfließen lassen, da habe in Würzburg eben gerade nicht die Union gewonnen - sondern mehr als drei Prozent verloren. Deutlich gewonnen und künftig stärkste Fraktion sind dort die Grünen. Man könne nur hoffen, sagt Heilig, dass jenen keinen Glauben geschenkt werde, "die von einem CSU-Erfolg faseln".

Quer übers Land gewinnen die Grünen tatsächlich flächendeckend und in allen Bezirken dazu, zum Teil erheblich: in Rosenheim, Amberg, Straubing, Schwabach, Hof, Schweinfurt, Kaufbeuren. In den Unistädten ohnehin. In einigen Kommunen - etwa Landshut, Würzburg, Bamberg - sind sie künftig stärkste Kraft, in Nürnberg haben sie im Stadtrat soviel hinzugewonnen wie niemand anderes und sind künftig das mitentscheidende Zünglein an der Waage. Die Strategie, flächendeckend anzutreten, haben die Grünen auch in den kleineren Orten zur relevanten Kraft gemacht - etwa im oberbayerischen Sachsenkam, wo sie nun im Gemeinderat mitmischen. Und wer weiß? Auch wenn die Grünen keine der acht bayerischen Großstädte erobern konnten bei der OB-Wahl - in Landshut und Bamberg haben sie bei der Stichwahl gute Chancen.

Die CSU hat Federn gelassen: Stabilität - das war zumindest als erste Wahlnachlese der Eindruck von Parteichef Markus Söder, der sagte, seine CSU habe "sehr vernünftig abgeschnitten" und "besser als gedacht". Dass die Grünen, denen Beobachter schon einen Durchmarsch in großen Städten vorausgesagt hatten, dort kaum in die Stichwahlen kamen, wertete CSU-Generalsekretär Markus Blume positiv - und im ländlichen Raum seien die Christsozialen ohnehin "Nummer eins". Landräte wurden tatsächlich breit gehalten, oder sie sind aussichtsreich in der Stichwahl.

Doch die kommunalen Parlamente? Landesweite Übersichten liegen noch nicht vor, Ergebnisse der kreisfreien Städten geben aber ein anderes Bild an. Ausreißer sind etwa Ingolstadt mit einem Minus von gut 18 Prozent für die CSU (lokalpolitisch bedingt) oder Nürnberg mit einem Plus von gut zwei Prozent im Stadtrat. Insgesamt hat die CSU aber wohl überall ein leichtes Minus und in der Regel einen bis fünf Sitze verloren in größeren Städten: Passau, Rosenheim, München, Bayreuth, Straubing, Memmingen, Schwabach, Aschaffenburg, Kempten - wohin man auch blickt.

Für die Kreistage ist der Trend derselbe. Stabilität zeigt sich also höchstens mit Blick auf die Landtagswahl 2018, keineswegs verglichen mit der Kommunalwahl 2014. Zu sehen ist das selbst in CSU-Spitzenlandkreisen wie Altötting (2014 noch 49 Prozent, jetzt 40,2), Eichstätt (statt 49,7 nun 39,8) oder Rottal-Inn (vorher 46,9, aktuell 39,8). Die CSU hat sich also nur insofern stabilisiert, als dass sie nicht abgestürzt ist. Aber das darf ja inzwischen schon als "passabel Dastehen" gelten.

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