Politik in Bayern:Das Parlament der Anwälte

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Mittlerweile im Zentrum von Ermittlungen: der langjährige CSU-Landtagsabgeordnete Alfred Sauter.

(Foto: picture alliance / dpa)

Alfred Sauter? Den würde die CSU am liebsten schnell vergessen, mag er auch 30 Jahre dazu gehört haben. Doch die jetzt bekannt gewordenen Geschäfte des Rechtsanwalts mit Landtagsmandat legen ein ganz grundsätzliches Problem des Parlaments offen.

Kommentar von Sebastian Beck

Alfred Sauter? Wer war jetzt der gleich wieder? In der CSU können sich zwei Wochen nach seinem erzwungenen Austritt aus der Fraktion viele nur noch schemenhaft an den Abgeordneten erinnern, der fast 30 Jahre lang für die Partei im Landtag saß. 30 Jahre lang war es allen gleichermaßen bekannt wie wurscht, dass Rechtsanwalt Sauter sein Abgeordnetenmandat nebenbei ausübte, weil er in seinem Hauptberuf ein Vielfaches verdiente. Nachdem seine horrenden Einnahmen im Zusammenhang mit Corona-Schutzausrüstungen und Tests bekannt wurden, gibt sich die CSU empört. Nun heißt es auf einmal: "Wir wollen das Kapitel Sauter abschließen."

Zum Kapitel Sauter gehört freilich auch, dass Rechtsanwälte als Berufsgruppe im Landtag überrepräsentiert sind. Es wird zwar sehr viel über den Mangel an Frauen oder Einwanderern im Parlament geklagt. Mindestens ebenso schwer wiegt, dass der Landtag insgesamt ein verzerrtes Bild der Gesellschaft spiegelt: Von den 205 Abgeordneten sind 26 Rechtsanwälte, was einem Anteil von 13 Prozent entspricht. Rechnet man das auf die Bevölkerung hoch, müsste es im Freistaat 1,7 Millionen Rechtsanwälte geben. Das wäre ein Land mit vielen Schriftsätzen ("Wir sind noch an einer gütlichen Einigung interessiert") und Aktenzeichen.

Andererseits würde im Landtagsbayern die Müllabfuhr nicht mehr funktionieren, weil der Rest der Einwohner sich aus Lehrern, Bauern und Beamten zusammensetzte - auch diese Berufsgruppen sind im Parlament überrepräsentiert. Die Zahl der Arbeiter laut Landtagshandbuch: 0. Handwerker: 3. Auf einen Installateur oder eine Bäckerin trifft man vielleicht noch im Gemeinderat, je höher es hinaufgeht, umso mehr dominieren smarte Juristen, die ihr politisches und berufliches Netzwerk nutzen. Sie wissen, wie man Konkurrenten unauffällig Zucker in den Tank kippt, damit der Motor abraucht, aber keiner weiß, wer es war.

Sauter war ein anerkannter Meister des konspirativen Geraunes. Er hat es 2018 geschafft, sich mit 68 Jahren noch einmal das CSU-Direktmandat in Günzburg zu sichern. Politisch und geschäftlich ein schöner Erfolg für ihn. Für das Ansehen des Landtags und der Demokratie wäre es besser gewesen, er hätte schon damals verloren - und nicht erst jetzt.

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