Neue Krone für Weinkönigin:Mal Rebell, mal Royalist

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"Vergoldetes Silber, filigrane Weinblätter an geschwungenen Verästelungen, dazu 33 Trauben aus Süßwasser-Perlen": So bejubeln selbst seriöse Rundfunkanstalten die neue Krone der Fränkischen Weinkönigin Eva Brockmann. Die alte wurde nach 48 Jahren ersetzt. (Foto: Pia Bayer/dpa)

Der Bayer sieht sich gerne als Widerständler - aber oft ist es mit dieser Selbstwahrnehmung nicht weit her. Eine Nabelschau (bei anderen).

Glosse von Patrick Wehner

Mit den Bayern und ihrem Verhältnis zur Obrigkeit ist es so eine Sache. Auf der einen Seite verehren sie geschlagene und gefallene Volkshelden, die gegen herzlose Herrscher und Despoten aufbegehrten. Dem Räuber Kneißl etwa sind Lieder und Filme und manchmal sogar ganze Oberarme gewidmet. Jeder Rebellen-Connaisseur und Hobby-Heimatkundler, der was auf sich hält, kennt den Spruch, den man ihm zuschreibt. "De Woch fangt ja schon guat o", soll der Kneißl eines Montags auf dem Weg zur Guillotine noch trocken gefrotzelt haben. Herrlich, so einen bräucht's mal wieder! Und immer, wenn man diese Anekdote jemandem erzählt, dann kann man ein bisschen so tun, als hätte man den Satz selber im Angesicht der Enthauptung gesagt.

Auf der anderen Seite aber sind die Zeitungen und ihre digitalen Pendants voll, wenn die fränkische Weinkönigin eine neue Krone erhält. "Vergoldetes Silber, filigrane Weinblätter an geschwungenen Verästelungen, dazu 33 Trauben aus Süßwasser-Perlen: So sieht die neue Krone aus, die die Weinkönigin ab sofort auf ihrem Kopf tragen wird", heißt es auf den Seiten seriöser Rundfunkanstalten. Oder dass manche Weinkönigin früher Kopfschmerzen bekommen habe, weil die alte Krone doch recht unbequem gewesen sein soll. Oh Gott, warum haben sie nur so lange geschwiegen! So viel Leid für so wenig Macht, das ist tragisch.

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Man muss aber nicht auf den Alkoholadel ausweichen, um über die Obrigkeitsliebe der Bayern zu spötteln. Bei der "Traum-" und "Mega"-Hochzeit von Prinz Ludwig von Bayern und "seiner" Sophie-Alexandra sind die Leute Ende Mai in Scharen erschienen. Gut, die 2000 Schaulustigen reichten jetzt nicht ganz an die Zehntausenden Zuschauer heran, die die Straßen bei Kate und William 2011 in London säumten. Doch das Leserinteresse an den Texten, die allein die SZ dazu veröffentlichte, war enorm. Und dabei ist das in Bayern nicht einmal eine konstitutionelle Monarchie, zefix!

Aber vielleicht liegt die Stärke dieses besonderen Bundeslands und seiner Bewohner auch in der Fähigkeit, beide Seiten zu vereinen. Und das weniger in einer Art kollektiver kognitiver Dissonanz, sondern vielmehr in einem "leben und leben lassen". Auch wenn Letzteres leider manchmal in Vergessenheit zu geraten scheint.

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