Süddeutsche Zeitung

Ludwig II.:Alles Gute, Kitschkönig!

An diesem Dienstag wäre Ludwig II. 175 Jahre alt geworden. Anlass genug, dem Mythos ein paar mysteriöse Aspekte abzusprechen.

Kolumne von Hans Kratzer

An diesem Dienstag wäre König Ludwig II. 175 Jahre alt geworden. Kaum ein Medium lässt seinen Geburtstag unkommentiert vorüberstreichen. Allzu fantastisch wirkt diese Figur, deren Mythos nach dem mysteriösen Tod im Starnberger See extreme Formen angenommen hat. Nur selten erwähnt wird dagegen, dass schon Ludwigs Eintritt ins irdische Dasein kurios verlief. Er sei bereits am 23. August 1845 zur Welt gekommen, hieß es, man habe die Geburt auf Geheiß des Großvaters Ludwig I. geheim gehalten, damit das Kind am Ludwigstag (25. August) das Licht der Welt erblickte.

Über den König wird gerne Unsinn verzapft, heute mehr denn je. Deshalb weicht die historische Figur immer mehr einer Fantasiegestalt. Dass er Urheber der modernen Technik war, dass er den Staat in den Ruin getrieben habe, das alles hält einer Überprüfung nicht stand. Obwohl Wissenschaftler wie Christof Botzenhart, Hermann Rumschöttel und Marcus Spangenberg aktenmäßig alles über Ludwig II. ausgeleuchtet haben, ist dessen Umdeutung zum Kitschkönig, die von den Ludwig-Filmen Käutners, Viscontis und Syberbergs kräftig angeschoben wurde, nicht zu bremsen.

Ludwig II. informierte sich über technische Ideen, die Venusgrotte in Linderhof ließ er mit modernster Technik ausstatten. Der rasende Fortschritt von heute aber würde ihm auf die Nerven gehen. Am liebsten waren ihm Orte der Ruhe. Menschenmassen, wie sie heute seine Bergwelten und Schlösser überrennen, hasste er. Und all jene Guglmänner und Königsverehrer, die ihn für schräge Ideen wie einem Konterfei auf der Kampenwand einspannen, würde er wohl ins Verlies schicken. Sie wollen nur beweisen: Wir sind genauso spinnert wie der König.

Die von Tourismus und Mythosgläubigkeit gefütterte Ludwig II.-Maschinerie braucht ständig neuen Treibstoff, aber die Wahrheit bleibt auf der Strecke. Ludwig II. war keineswegs, wie gerne behauptet wird, die schillerndste Herrscherpersönlichkeit in Bayern. Da gab es größere Kaliber. Mit Kurfürsten wie Maximilian I. und Max Emanuel kann Ludwig II. nicht mithalten, aber er hat den auch politisch potenteren Wittelsbachern etwas Entscheidendes voraus. Seinen sagenhaften Tod. Wäre er wie sie normal gestorben, wäre der Mythos schnell verdorrt.

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SZ vom 25.08.2020/lfr
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