Landesausstellung in Regensburg„Er war ein individualisierter Mann mit sehr gutem Kontakt zu seiner inneren Welt“

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Er führte das Land mit harter Hand ins Industriezeitalter: König Ludwig I. von Bayern im Krönungsornat von 1825.
Er führte das Land mit harter Hand ins Industriezeitalter: König Ludwig I. von Bayern im Krönungsornat von 1825. (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte)

Ludwig I. stürzte zwar über die Affäre mit Lola Montez, doch er hinterließ ein gewaltiges Werk. Die Landesausstellung im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg widmet sich in diesem Jahr dem oft verkannten Herrscher.

Von Sebastian Beck, Regensburg

Nein, es war nicht dieser Ludwig, der Neuschwanstein gebaut hat. Und er ertrank auch nicht im Starnberger See. Es geht hier um Ludwig I. – und nicht um Ludwig II.  Das schickte Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, am Freitag bei der Eröffnung der Landesausstellung 2025 voraus. Denn mit dem Namen Ludwig verbinden die meisten Nichthistoriker Ludwig II., aber nicht dessen Großvater Ludwig I.

Der verträumte Schlösserbauer ist zweifelsohne der Superstar der bayerischen Königsriege, aber wenn es um die politische Lebensleistung geht, rangiert er eher auf einem hinteren Rang „Ludwig I. – Bayerns größter König?“ lautet der Titel der aufwendigen Schau in Regensburg, was bereits nahelegt, dass der Mann sich ums Land verdient gemacht hat. Unstrittig ist, dass Ludwig I., der das Königreich von 1825 bis 1848 regierte, das moderne Bayern erfunden hat. Und zwar im Wortsinne. Denn gleich zu Beginn seiner Regentschaft verfügte er, dass sein Land künftig mit „y“ statt mit „i“ geschrieben werde solle.

Das belegt zum einen, dass der Monarch über eine Machtfülle verfügte, auf die ein demokratisch gewählter Ministerpräsident wie Markus Söder nur mit Neid blicken kann. Zum anderen ist der Buchstabe „y“ ein Zeichen dafür, wie sehr Ludwig I. für die alten Griechen schwärmte. In seiner Bauwut übertrumpfte er sogar seinen Enkel Ludwig II. Dem breiten Publikum ist Ludwig I. dennoch vor allem als verliebter Zausel in Erinnerung: Seine verhängnisvolle Affäre mit Lola Montez hatte in München fast eine Revolution ausgelöst und seinen Ruf auch posthum ramponiert.

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Insofern ist es höchste Zeit, einen differenzierten Blick auf Ludwig I. zu werfen. Mit seinem Enkel Ludwig II. hat sich das Haus der Bayerischen Geschichte unter anderem in der Landesausstellung 2011 ausführlichst beschäftigt: Damals strömten 575 000 Besucher zu dessen Huldigung auf Herrenchiemsee. Dass die Ausstellung in Regensburg ähnliche Zahlen erreicht, erscheint eher unwahrscheinlich. Verdient hätte sie es. Denn Ludwig I. ist eine mindestens ebenso interessante Figur wie der weitgehend auserzählte Ludwig II.

Sein Leben wird noch mehrere Generationen von Historikern beschäftigen: Unter anderem 65 000 Seiten Tagebücher, 4600 Gedichte, 100 000 Aktenvermerke hinterließ der König. Allein an seinen Schwarm Marchesa Marianna Florenzi richtete er 3000 Briefe. Ein Jahr lang verfasste Ludwig I. 1839 sogar ein Traumtagebuch – eine beispiellose Quelle, in welche die Historikerin Marita Krauss Einblick nehmen durfte. Spoiler: Nachts marschierte ihm oft sein verstorbener Vater Max I. Joseph durch den Kopf. Krauss zeichnet von dem Monarchen in einem Essay zur Landesausstellung ein freundliches Bild: „Er war ein individualisierter Mann mit sehr gutem Kontakt zu seiner inneren Welt und zu seinen Emotionen, mit der Fähigkeit zur ehrlichen und ungeschönten Introspektion.“

Als Ludwig I. 1825 den Thron bestieg, übernahm er ein hoch verschuldetes Land, das noch unter den Folgen der napoleonischen Kriege litt. München fristete ein Dasein als leicht angeranzte Residenzstadt, die vor allem in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung hinter Augsburg und Nürnberg rangierte. Das junge Königreich Bayern stand indes an der Schwelle zum epochalem Umbruch ins Industriezeitalter, der auch Ludwig I. in der Rückschau schwindelig machte: In einem Menschenalter, schrieb er, sollte er erleben, wozu es „früher eines Jahrtausend bedurfte“.

Eine Schlüsselrolle spielte dabei der Ausbau der Verkehrswege, dem sich die Landesausstellung ausführlich widmet. Als Ludwig I. seine Regenschaft antrat, mühten sich die Untertanen noch auf holprigen Wegen und mäandernden Flüssen durchs Land. Er selbst war ein Fan von Wasserstraßen, weshalb er mit immensem Aufwand das Jahrtausendprojekt des Main-Donau-Kanals zu Ende brachte – eine krasse Fehlentscheidung. Als 1836 die Bauarbeiten zum Kanal begannen, hatte bereits die Eisenbahn ihren Siegeszug angetreten: Am 7. Dezember 1835 dampfte der erste Zug zwischen Nürnberg und Fürth mit der atemberaubenden Geschwindigkeit von 23 Stundenkilometern. Der Kanal mit seinen 100 Schleusen geriet zu einem wirtschaftlichen Flop – wie auch 150 Jahre später das gigantische Folgeprojekt des Rhein-Main-Donau-Kanals.

Eine Kanal-Devotionalie der besonderen Art ist diese Spieluhr in den Umrissen des Erlanger Kanaldenkmals. Während das Perpendikel ein Boot mit Passagieren darstellt, das unterhalb des Denkmals im Kanalbett schwimmt, dreht oben auf einem Ziffernblatt eine kleine Eisenbahn ihre Runden. Heute ist das Kanalbecken im Erlanger Stadtgebiet durch den Frankenschnellweg überbaut.
Eine Kanal-Devotionalie der besonderen Art ist diese Spieluhr in den Umrissen des Erlanger Kanaldenkmals. Während das Perpendikel ein Boot mit Passagieren darstellt, das unterhalb des Denkmals im Kanalbett schwimmt, dreht oben auf einem Ziffernblatt eine kleine Eisenbahn ihre Runden. Heute ist das Kanalbecken im Erlanger Stadtgebiet durch den Frankenschnellweg überbaut. (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte)

Immerhin ließ Ludwig früh eine durchgehende Bahnlinie von Lindau nach Hof bauen, die 1854 in Betrieb genommen wurde. Auch weitere Bahntrassen waren zumeist nach Norden ausgerichtet, während Ostbayern erst nach der Abdankung des Königs eine Gleisanbindung erhielt. Richard Loibl nimmt ihm das als gebürtiger Niederbayer auch heute noch übel: Er kritisiert Ludwigs Verkehrspolitik als sträflich leichtsinnig, weil sie die Glas- und Granitindustrie, aber auch die Landwirtschaft Ostbayerns vom Handel abhängte. Die für den Bau der Befreiungshalle in Kelheim bestellten Granitsäulen etwa konnten aus dem Steinbruch in Hauzenberg zum Teil nicht abtransportiert werden, weil sie zu schwer waren.

Die Süd-Nord-Eisenbahn bei Erlangen als Sandwerk zum Burgbergtunnel. Der älteste Eisenbahntunnel Bayerns war der 1844 eingeweihte Burgbergtunnel bei Erlangen. Die Nürnberger Holzspielwarenfirma Justus Dippold produzierte verschiedene mechanische Sandwerke, die mit feinem Sand angetrieben wurden. Eines dieser raffinierten mobilen Bilder war dem Burgberg mit Tunnelportal, Brücke und Eisenbahn gewidmet.
Die Süd-Nord-Eisenbahn bei Erlangen als Sandwerk zum Burgbergtunnel. Der älteste Eisenbahntunnel Bayerns war der 1844 eingeweihte Burgbergtunnel bei Erlangen. Die Nürnberger Holzspielwarenfirma Justus Dippold produzierte verschiedene mechanische Sandwerke, die mit feinem Sand angetrieben wurden. Eines dieser raffinierten mobilen Bilder war dem Burgberg mit Tunnelportal, Brücke und Eisenbahn gewidmet. (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte)

Die Bauten sind das große Vermächtnis, das Ludwig I. – privat eher ein Knauser – Bayern hinterließ. Ihre Liste ist beeindruckend lang: Die nach ihm benannte Ludwigstraße in München mit dem Siegestor als Abschluss zählt dazu, die Alte Pinakothek, die Bavaria, der Königsplatz mit der Glyptothek, dem weltweit ersten Museumsbau. Seiner Liebe zum antiken Griechenland war auch der Bau der Walhalla geschuldet. Sie bildet bis heute zusammen mit der Befreiungshalle und dem Regensburger Dom – ihn ließ Ludwig I. vollenden – ein einzigartiges Ensemble. In Brückenau gründete er das Staatsbad samt klassizistischem Kursaal, in Aschaffenburg ließ er mit dem Pompejanum eine römische Villa nachbauen. In der Pfalz, die damals noch zu Bayern gehörte, erinnern das Schloss Villa Ludwigshöhe als römisch angehauchter Sommersitz an ihn – und nicht zuletzt die Stadt Ludwigshafen.

Eine Postkarte von 1901 mit Walhalla, Dom und Befreiungshalle. Drei dieser Bauwerke prägte König Ludwig I. maßgeblich. Er träumte sogar von einer „Denkmälerstraße“, die Besucher von Köln bis in den Donauraum führen sollte.
Eine Postkarte von 1901 mit Walhalla, Dom und Befreiungshalle. Drei dieser Bauwerke prägte König Ludwig I. maßgeblich. Er träumte sogar von einer „Denkmälerstraße“, die Besucher von Köln bis in den Donauraum führen sollte. (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte)
Das Pompejanum in Aschaffenburg, die idealtpyische Rekonstruktion einer römischen Villa.
Das Pompejanum in Aschaffenburg, die idealtpyische Rekonstruktion einer römischen Villa. (Foto: imago stock&people)
Auch das Staatsbad in Brückenau geht auf König Ludwig I. zurück. Der klassizistische Saalbau mit Arkadenumgang wurde nach Plänen von Johann Gottfried Gutensohn errichtet. Davor ist eine Statue des Königs zu sehen.
Auch das Staatsbad in Brückenau geht auf König Ludwig I. zurück. Der klassizistische Saalbau mit Arkadenumgang wurde nach Plänen von Johann Gottfried Gutensohn errichtet. Davor ist eine Statue des Königs zu sehen. (Foto: Sebastian Beck)

Im Königreich Bayern kam speziell der Ausbau Münchens zur Residenzstadt nicht überall gut an. Die Diskussionen darüber gleichen denen von heute. So schrieb ein Abgeordneter der Ständeversammlung von 1831 über den neuen Konzertsaal im Odeon: „Der Landbewohner könne wenig Interesse dafür aufbringen, dass man in München tanze, singe und sich im eigenen Glanze sehen lasse in einem Gebäude, dessen Herstellungskosten sich auf beinahe 300 000 Gulden beliefen, während es in der Provinz an Schulhäusern gebräche.“

Ludwig I. musste damals freilich noch keine Freien Wähler fürchten, dafür aber umso mehr die Demokratiebewegung. „Autoritär, aber nicht absolutistisch“, so umschreibt ihn Marita Krauss. Er startete als junger Liberaler, zog aber die Zügel immer mehr an. Im Zuge der vom ihm betrieben Rekatholisierung Bayerns gründete er 132 Klöster neu oder setzte sie wieder ein. Zugleich mussten evangelische Soldaten bei der katholischen Fronleichnamsprozession niederknien.

Der König wird zum Gespött. Das Bild eines unbekannten Künstlers zeigt Lola Montez in Unterkleidern, bayerischer Kürassieruniform und Raupenhelm. Die Uniformjacke hat sie bereits über die Stuhllehne gehängt. Im Hintergrund schiebt ein älterer Herr einen Vorhang beiseite, um zu der Dame zu gehen.
Der König wird zum Gespött. Das Bild eines unbekannten Künstlers zeigt Lola Montez in Unterkleidern, bayerischer Kürassieruniform und Raupenhelm. Die Uniformjacke hat sie bereits über die Stuhllehne gehängt. Im Hintergrund schiebt ein älterer Herr einen Vorhang beiseite, um zu der Dame zu gehen. (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte)

Im Laufe der Zeit entwickelte sich Ludwig immer mehr zum Autokraten, und so verwundert es nicht, dass während der Krisen- und Hungerjahre von 1846/1847 eine Affäre genügte, um eine Revolte auszulösen. Die Tänzerin Lola Montez wurde zur „Projektionsfläche für Fremdenhass, Frauenfeindlichkeit und Sozialneid“, resümiert Marita Krauss. Und der König zum Gespött des Landes. Ludwig I. trat zurück und machte so unblutig den Weg frei. „Auch vom Throne herabgestiegen schlägt glühend mein Herz für Bayern, für Teutschland“, schrieb er.

20 Jahre noch lebte er als Elder Statesman, er baute weiter und mischte sich nur selten in die Politik ein. Am Ausgang der Ausstellung hängt ein Altersporträt, das Franz von Lenbach malte. Es zeigt Ludwig I. als einen verhärmt dreinschauenden Mann.

War er also Bayerns größter König? Darüber dürfen die Besucher am Ausgang der Landesausstellung bis zum 9. November abstimmen.

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