Als Bayern vor 200 Jahren einen neuen König bekam, war nicht abzusehen, dass dessen Taten auch zwei Jahrhunderte danach noch größte Beachtung finden würden. Das liegt nicht nur an den Frauengeschichten, sondern auch an den großartigen Hinterlassenschaften dieses Mannes. Ludwig I. machte sich mit viel Schwung ans Werk und formte die Residenzstadt München baulich so spektakulär um, dass man nicht umhinkam, sie mit dem Beinamen Isar-Athen zu schmücken. Die Bayerische Landesausstellung 2025, die vom 10. Mai bis zum 9. November im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg zu sehen ist, geht deshalb zu Recht der Frage nach, ob Ludwig I. Bayerns größter König war. Vieles spricht dafür, dass es keinen Größeren gab als ihn. Seine Herrschaft, die bis 1848 dauerte, hat das Land stark geprägt. Er war aber ein Mensch voller Widersprüche, modern und rückwärtsgewandt, progressiv und reaktionär, liberal und autoritär. Er war spendabel, und dann wieder so geizig, dass er über Jahrzehnte hinweg denselben zerschlissenen Hausmantel trug.
Viele Heroen der Geschichte waren kantig und widerborstig. Ihre Gedankengänge sind oft kaum zu verstehen. Das gilt uneingeschränkt auch für Ludwig I., der die Historiker nach wie vor intensiv beschäftigt. Neben mehreren Biografien, die aktuellste stammt von der Historikerin Marita Krauss, wurden über keinen bayerischen Herrscher umfangreichere wissenschaftliche Editionen angefertigt, die meisten davon unter der Ägide der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

SZ Bayern auf Whatsapp:Nachrichten aus der Bayern-Redaktion – jetzt auf Whatsapp abonnieren
Von Aschaffenburg bis Berchtesgaden: Das Bayern-Team der SZ ist im gesamten Freistaat für Sie unterwegs. Hier entlang, wenn Sie Geschichten, News und Hintergründe direkt aufs Handy bekommen möchten.
Zuvörderst ist die Korrespondenz mit dem Baumeister Leo von Klenze zu nennen, die ein Team des Historikers Hubert Glaser zwischen 2004 und 2011 herausgegeben hat. Die Edition umfasst 6000 Seiten und einen riesigen Anmerkungsapparat. Das Projekt wurde zu Recht als Jahrhundertwerk gepriesen.
Der faszinierende Briefwechsel lässt den Leser nachvollziehen, wie Ludwig I. und Klenze München zu einer Kunststadt von Weltrang machten. Auch wenn die 50-jährige Zusammenarbeit dieser Männer alle möglichen Höhen und Tiefen durchlebte. Die mehr als 1700 Briefe, die sich Ludwig und Klenze schrieben, sind eine herausragende Geschichtsquelle, die das Leben im 19. Jahrhundert in den buntesten Facetten widerspiegelt.
Überdeutlich zeigen die Briefe, dass hier zwei Dickschädel am Werk waren, deren Verhältnis kompliziert war. Ihre Gedanken umkreisen nicht nur den architektonischen Kosmos jener Zeit, sondern sie gleiten tief hinein in grundlegende Fragen der Politik und der Ethik. Die Spannungen entluden sich laut den Briefen bisweilen in symbolischen Akten. Ludwig I. verweigerte, nachdem er König geworden war, seinem Architekten beispielsweise den von diesem erhofften Wangenkuss. Klenze wiederum revanchierte sich mit Unbotmäßigkeiten, indem er seinen Hut in Gegenwart des Königs vor dessen Aufforderung aufsetzte.

Die drei letzten Bände der Edition beleuchten die Jahre nach der durch die Lola-Montez-Affäre erzwungenen Abdankung Ludwigs I. im Jahr 1848. Weil viele seiner geplanten Bauwerke unvollendet waren, musste Ludwig seine Bauschulden aus seiner Privatschatulle begleichen. Klenze ermunterte ihn trotzdem, die Ruhmeshalle, den Speyerer Dom und das Münchner Siegestor zu vollenden. Da der neue König Maximilian II. kaum Geld in die Projekte des Vaters steckte, fand Klenze einen Kompromiss: Ludwig übernahm die Ruhmeshalle und das Siegestor auf seine Kasse, der Speyerer Dom wurde gemeinsam finanziert.
Gleichwohl war Ludwig I. nur noch der private Finanzier der von Klenze geplanten Bauten. Über Jahre hinweg wurde um Honorare gestritten. Der in vielen Briefen angeschlagene raue Ton verrät, wie belastet die Beziehung bis zum Schluss war.
Ludwig I. trieb die Kunstsammlungen und Museumsbauten in München mit Verve voran. Einblicke in die ersten Ideen des Kronprinzen liefert der Briefwechsel mit dem Kunstagenten Johann Martin von Wagner, der Ludwig I. über Jahrzehnte hinweg beriet. Die letzten Bände des Briefwechsels sollen 2025 herausgegeben werden. Wagner beriet Ludwig I. auch beim Aufbau der Münchner Glyptothek, für die er den Kauf des Barberinischen Fauns und der Giebelfiguren des Aphaia-Tempels vermittelte. Die fast 1500 Schreiben ermöglichen intensive Einblicke in die Kunst- und Kulturpolitik Bayerns im 19. Jahrhundert.
Selbst kleinste bauliche Details prüfte er
Damit ist das schreiberische Vermächtnis von Ludwig I. aber noch lange nicht ausgeschöpft. Zu nennen wäre unter anderem die Korrespondenz mit seinem Lehrer Joseph Anton Sambuga (1752–1815), der die religiöse Haltung Ludwigs I. prägte und wohl auch dessen zwischen Modernität und Tradition schwankende Politik maßgeblich beeinflusst hat.
Aus den ebenfalls von der Kommission für bayerische Landesgeschichte in sechs Bänden herausgegebenen Signaten Ludwigs I. (Schriftstücke und königliche Anordnungen) geht hervor, wie penibel der König vorging. Selbst kleinste bauliche Details prüfte und korrigierte er gnadenlos.
Ediert ist ferner die Korrespondenz mit dem Hofmaler Johann Georg von Dillis (1759–1841), der beim Aufbau der Alten Pinakothek eine wichtige Rolle spielte. Noch weitgehend unediert sind Tausende Briefe Ludwigs an seine aus Perugia stammende Geliebte Marianna Florenzi (1802–1870), an die Tänzerin Lola Montez (1821–1861), wegen der er abdanken musste und an seine Frau Therese (1792–1854).
Dass man differenziert auf die Frauengeschichten blicken muss, zeigt die neue Biografie von Marita Krauss. Es war demnach nicht alles Skandal, was damals geschah. Die Quellen zeigen, dass der Mann voller Leidenschaft war, aber an Rätselhaftigkeit seinem Enkel Ludwig II. nicht viel nachsteht.