Die Selbstwahrnehmung ist eine komplexe Sache. Gerade für Amtsträger, wenn sie ständig von Menschen umgeben sind, die ihnen versichern, dass ihre Ideen brillant, ihre Reden geistreich und ihre gesamte Existenz für die Menschheit unersetzlich ist. Respekt für all jene, denen es gelingt, die eigene Bedeutsamkeit in eine realistische Relation zur Lobhudelei der Hofschranzen zu setzen.
Zumal es damit schnell vorbei sein kann. Ehemalige Minister berichten davon, mehr oder weniger ehrlich. Wer gibt schon gerne zu, dass es das Ego hart trifft, wenn auf einmal kein Chauffeur mehr vor der Türe wartet. Und die Demütigung erst, wenn man – ein bisschen zu spät vielleicht – bei einer Veranstaltung wie gewohnt in die erste Reihe marschiert und dort gar kein Platz mehr reserviert ist. Hart muss die Erkenntnis sein, dass es doch das Amt war, welches die vermeintliche Verehrung ausgelöst hat, und nicht der Inhaber desselben.
Das ist eine Schattenseite der Macht, welche offenbar nicht gerne abgibt, wer sie einmal hat, das scheint ein zutiefst menschliches Verhalten zu sein. Man denke nur an Bundeskanzler Gerhard Schröder, wie er am Abend seines Machtverlustes vor 20 Jahren starrsinnig darauf beharrte, Kanzler bleiben zu wollen.
Einen Machtanspruch können freilich auch jene stellen, die bislang wenig mitzureden hatten. FW-Chef Hubert Aiwanger beispielsweise hatte vor der Bundestagswahl nicht nur den Einzug ins Berliner Parlament als Ziel ausgegeben, sondern gleich eine Regierungsbeteiligung.
Weder das eine noch das andere ist bekanntlich eingetreten, was die Selbstwahrnehmung der Freien Wähler als bundesweite Regierungspartei offenbar nicht maßgeblich beeinträchtigt. So gab der Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl kürzlich bei einer Plenardebatte damit an, dass die Kommunen Geld vom Bund bekämen, um Steuerausfälle auszugleichen. „Es ist eben doch ein Unterschied, ob man in Berlin mitregiert oder in der Opposition sitzt“, sagte Pohl.
Da hat der Mann die selbst ernannte Bayernkoalition aus CSU und FW offenbar so verinnerlicht, dass ihm ganz gleich ist, wer da mitregiert in Berlin, Hauptsache einer von uns. Wen dieses „uns“ nun tatsächlich umfasst, das ist wiederum eine Frage der Selbstwahrnehmung. Und die kann sich spätestens beim nächsten Koalitionskrach als trügerisch herausstellen.