Umwelt:So sieht das Klima der Zukunft in Bayern aus

Umwelt: Seit den 1980er-Jahren hat der Klimawandel die Schmelze des Schneeferners dramatisch beschleunigt. Der Südliche Schneeferner ist bis auf wenige Überreste verschwunden. Den Nördlichen Schneeferner könnte schon bald das gleiche Schicksal ereilen.

Seit den 1980er-Jahren hat der Klimawandel die Schmelze des Schneeferners dramatisch beschleunigt. Der Südliche Schneeferner ist bis auf wenige Überreste verschwunden. Den Nördlichen Schneeferner könnte schon bald das gleiche Schicksal ereilen.

(Foto: Wilfried Hagg, www.bayerische-gletscher.de/oh)

Forscher können ziemlich genau vorhersagen, welche Folgen der Temperaturanstieg bis zum Jahr 2050 haben wird. Fest steht: Die Jugend von heute wird ihr Leben drastisch verändern müssen.

Von Christian Sebald

Wetter

Wetter und Klima sind zwei verschiedene Dinge. Im Gegensatz zum täglich wechselnden Wetter beschreibt das Klima alle möglichen Wetterzustände samt ihrer typischen Aufeinanderfolge sowie der Schwankungen im Tages- und im Jahreslauf - und zwar in Zeiträumen von mindestens 30 Jahren. So fassen es Experten zusammen und so steht es für jeden zu lesen im Internet. Die Forscher sind sich ebenfalls einig, dass der Klimawandel bereits Einfluss auf das Wetter nimmt und es immer deutlicher tun wird. Der Juni 2019 ist ein Beispiel: Mit seiner Hitzeperiode war er auch in Bayern der wärmste Juni seit Beginn der Beobachtungen. In Möhrendorf-Kleinseebach bei Nürnberg wurden am 26. Juni 38,1 Grad Celsius gemessen - der bisherige Rekord in einem Juni an der Wetterstation. Auch andere Extreme wird es öfter geben. Lokale Unwetter wie im Juni 2016 in Niederbayern, welche die katastrophale Sturzflut in Simbach am Inn verursachten. Oder tagelanger Starkregen wie Ende Mai, Anfang Juni 2013. In seiner Folge versanken die Passauer Altstadt und andere Orte in den Fluten der Donau. Generell gilt: Die Sommer werden heißer und trockener. Im Winter nehmen die Niederschläge zu - freilich immer seltener in Form von Schnee.

Alpen

Der Klimawandel ist in den Alpen besonders stark. Dort beträgt der mittlere Temperaturanstieg bereits zwei Grad. Er ist doppelt so hoch wie im übrigen Bayern. Schon 2012 warnte der damalige Umweltminister Marcel Huber, dass von fünf bayerischen Gletschern (nördlicher Schneeferner, südlicher Schneeferner und Höllentalferner an der Zugspitze, Watzmanngletscher am Watzmann und Blaueis am Hochkalter) nur der Höllentalferner übrig bleiben wird. Zudem steigt das Risiko von Muren und Steinschlägen. Ein Grad Temperaturanstieg im Jahresmittel bedeutet in den Bergen aber auch, dass sich die Lebensräume der alpinen Flora und Fauna um 200 Höhenmeter nach oben verschieben. Für das Alpenschneehuhn und andere Tiere der Bergwelt wird das ein Problem. Sie können nicht weiter nach oben ausweichen und werden hierzulande wohl verschwinden. Auch für den Gletscher-Hahnenfuß, den Moos-Steinbrech und andere besondere Bergpflanzen wird es zu warm.

Flüsse und Seen

Schon jetzt ist oftmals wenig Wasser in den Flüssen und Seen. Das belegt ein Blick in den Niedrigwasser-Informationsdienst des Freistaats (www.nid.bayern.de). Dieser Tage zeigen mehr als die Hälfte aller Messstellen in Bayern niedrige oder sehr niedrige Pegelstände an. Dabei hat es 2019 gar nicht so wenig geregnet. Zudem werden die Gewässer wärmer. In den vergangenen 30 Jahren beträgt der mittlere Temperaturanstieg der Gewässer etwa 1,5 Grad, bis 2050 werden es weitere 0,6 Grad sein. Die andere Seite der Medaille ist, dass extreme Niederschläge häufiger auftreten - sowohl tagelanger, großflächiger Dauerregen als auch lokale Unwetter. Sie verschärfen die Hochwassergefahr. Der Freistaat hat früh reagiert. Nach dem Pfingsthochwasser 1999 hat er sein Hochwasserschutz- Programm aufgelegt. Seither investiert er jedes Jahr 150 Millionen Euro in neue Dämme, Deiche, Rückhaltebecken, Renaturierungen und dergleichen mehr. Der Grund für den Aufwand: Hochwasser kann extreme Schäden anrichten. Allein bei der Hochwasserkatastrophe 2013 summierten sie sich auf 1,3 Milliarden Euro. Hinzu kommt das immense Leid der Betroffenen.

Grundwasser

Zu den wichtigsten Schätzen Bayerns zählt das Grundwasser. Es ist so reichhaltig und so sauber, dass das Trinkwasser fast zur Gänze aus Grundwasser gewonnen wird. Der Klimawandel wird auch das Grundwasser beeinträchtigen. Genauer gesagt: seine Neubildung. Südlich der Donau war sie bisher kein Problem. Allein schon weil es dort mehr regnet als in Nordbayern. Weil es künftig im Sommerhalbjahr seltener regnen wird, dürften die Grundwasserstände sinken - bei stark ausgebeuteten Grundwasserströmen sogar bereits bis Mitte des Jahrhunderts. Die stärkeren Niederschläge im Winterhalbjahr können die künftigen Defizite nur bedingt ausgleichen. Denn die Böden können ja nur begrenzt Wasser aufnehmen.

Wälder

Nun sterben die Kiefern. Viele Förster dachten, die genügsame Baumart werde dem Klimawandel trotzen. Doch inzwischen kann man vielerorts zusehen, wie die Kiefern vertrocknen. Ihre Kronen leuchten rostrot, am Boden liegen haufenweise dürre Nadeln. Knapp ein Fünftel der bayerischen Wälder sind Kiefernwälder. Der Fichte, mit 42 Prozent die häufigste Baumart im Freistaat, geht es noch viel schlechter. Sie mag es kühl. Hitze, Trockenheit und Stürme machen es ihr seit jeher schwer. Ein Übriges tut der Borkenkäfer, der sich massiv ausbreitet. Selbst die Eichen leiden. Dabei kommen sie mit warmen Temperaturen besser zurecht als Nadelbäume. Aber der Klimawandel begünstigt Schädlinge wie den Schwammspinner und den Eichenprozessionsspinner. Bayern ist zu gut einem Drittel von Wäldern bedeckt. Sie sind sehr wichtig - für die Holzindustrie ebenso wie für die Erholung der Menschen, die Flora und Fauna, den Schutz des Grundwassers und dergleichen mehr. Der Freistaat pumpt schon seit Jahren viel Geld in den Aufbau von Mischwäldern, die Hitze und Trockenheit trotzen sollen. Das Schicksal der Kiefer zeigt, wie gigantisch die Herausforderung ist.

Artenvielfalt

Der Klimawandel ist gewiss nicht der Hauptgrund des Artensterbens. Das ist die konventionelle Landwirtschaft mit ihrem massiven Einsatz an Pflanzenschutzmitteln und Kunstdünger. Aber der Klimawandel beschleunigt es. Mit einem Grad mehr Durchschnittstemperatur verschieben sich die Vegetationszonen um 200 bis 300 Kilometer in Richtung Pole der Erde. Das ist zu viel, als dass sich Tiere und Pflanzen anpassen können. Sie verlieren ihre Lebensräume. Schon jetzt sind mehr als 40 Prozent der Flora und Fauna in Bayern bedroht, 915 Tierarten und 181 Pflanzenarten sind ausgestorben. Mit dem Klimawandel breiten sich aber auch Tiere und Pflanzen aus, die man bisher nur aus dem Mittelmeerraum und anderen südlichen Gefilden kannte. Der Bienenfresser mit seinem vielfarbigen Federkleid etwa. Forscher beobachten außerdem, dass viele Insekten immer zeitiger im Jahr schlüpfen. Der Borkenkäfer hatte früher meist nur zwei Mal Nachwuchs pro Jahr, inzwischen oft drei Mal - mit schlimmen Folgen für die Fichten. Meisen und andere Vögel, die über den Winter hier bleiben, brüten immer früher im Jahr. Und manch ein Storch fliegt nicht mehr nach Afrika ins Winterquartier - zumindest so lange hier kein Schnee liegt.

Umwelt: Der Schneeferner an der Zugspitze ist der bekannteste Gletscher in den bayerischen Alpen. Er geht zurück auf den Plattachferner, der einst das ganze Zugspitzplatt bedeckte und sich um 1900 in zwei Teile spaltete: den Südlichen Schneeferner (links) und den Nördlichen Schneeferner (rechts).

Der Schneeferner an der Zugspitze ist der bekannteste Gletscher in den bayerischen Alpen. Er geht zurück auf den Plattachferner, der einst das ganze Zugspitzplatt bedeckte und sich um 1900 in zwei Teile spaltete: den Südlichen Schneeferner (links) und den Nördlichen Schneeferner (rechts).

(Foto: Wilfried Hagg, www.bayerische-gletscher.de/oh)

Landwirtschaft

Gleich ob Ackerbauern, Viehhalter, Obstbauern oder Winzer: Die Landwirte werden sich umstellen müssen. Zwar bringt ihnen der Klimawandel den einen oder anderen Vorteil. Inzwischen beginnt der Frühling drei Wochen früher als in den Sechzigerjahren. Die Vegetationsperiode insgesamt hat sich ebenfalls verlängert. Das begünstigt vor allem den Wein- und den Obstbau. Vorausgesetzt, es gibt keine Spätfröste. Sommerliche Hitze und Trockenheit sind aber eine immense Gefahr für die Erträge. Nicht nur in den fränkischen Weinregionen arbeiten sie deshalb an Bewässerungskonzepten. Auch auf der Münchner Schotterebene und im niederbayerischen Gäuboden sieht man immer öfter Felder, die - wie in Italien - mit Hilfe riesiger mobiler Schlauchtrommeln bewässert werden. Extreme Niederschläge und Stürme können ganze Ernten vernichten. Außerdem treten vermehrt wärmeliebende Pilze und Bakterien auf. Die Dürrfleckenkrankheit der Kartoffel ist ein Beispiel. Auch die Nutztierhalter, vor allem die Milchbauern und die Schweinemäster, müssen sich auf Probleme einstellen. Die Blauzungenkrankheit bei Rindern, die in Deutschland seit 2006 auftritt, ist wahrscheinlich auf den Klimawandel zurückzuführen.

Städte

Der Klimawandel trifft Städte stärker als das Land. Das liegt an der dichten Bebauung. Die eng beieinanderstehenden Häuser und Straßen machen sie zu sogenannten Wärmeinseln. In der Münchner Innenstadt etwa ist es durchschnittlich zwei bis drei Grad wärmer als im Umland. Besonders wichtig sind deshalb sogenannte Frischluftschneisen - der Englische Garten und die Isaranlagen in München zum Beispiel oder der Volkspark Marienberg und die Pegnitzauen in Nürnberg. Wo immer möglich, sollten solche Frischluftschneisen neu geschaffen werden. Wichtig sind auch Grünstreifen und Bäume entlang der Straßen. Sie spenden Schatten und verbessern die Luftqualität. An der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim läuft das Projekt "Stadtgrün 2021". Dabei haben Wissenschaftler herausgefunden, dass die Silberlinde der Stadtbaum der Zukunft sein könnte. Sie stammt aus Südosteuropa und steht auch dann sattgrün da, wenn heimische Linden vor lauter Hitze schlapp machen.

Gesundheit

Heiße, trockene Tage kosten viel Kraft. Das wissen auch gesunde Menschen. Besonders anstrengend sind sie für chronisch Kranke und Senioren. Allein schon wegen der Belastung des Kreislaufs. Aber auch Keime und Krankheitsüberträger wie Zecken profitieren vom Klimawandel. Und Allergiker leiden unter dem immer früheren Pollenflug. Medizinstatistikern zufolge kostete der Hitzesommer 2003 europaweit 52 000 Menschen das Leben. Andere Experten sind skeptisch bei solchen Zahlen. Sie sagen, in den seltensten Fällen sei alleine die Hitze die Todesursache gewesen. Die meisten Opfer haben vermutlich an Vorerkrankungen gelitten. Die Gesundheitsbranche arbeitet an immer ausgefeilteren Infokampagnen und Warnsystemen. Beispiele sind die Ozon-Warnungen, die inzwischen Standard sind im Radio, aber auch Internetplattformen wie zeckenwetter.de mit aktuellen Infos zu den blutsaugenden Parasiten.

Tourismus und Freizeit

Sonnenanbeter dürfen sich freuen. Schon jetzt gibt es mehr Sommer- und Hitzetage, ihre Zahl wird weiter steigen. Wer gerne in der Sonne im Liegestuhl liegt, wird das künftig immer öfter tun können. Auch Wanderer, Radler und andere Outdoor-Sportler profitieren - sofern ihnen ihr Hobby nicht zu schweißtreibend wird. Die Tourismusbranche gewinnt ebenfalls - zumindest im Sommerhalbjahr. Experten sagen, Bayern wird immer attraktiver für Urlauber aus dem Mittelmeerraum, denen die Hitze dort zu extrem wird. Die Wintersportorte indes werden sich umstellen müssen. Schneesicher sind auf Dauer nur die hochalpinen Skigebiete auf der Zugspitze und im Allgäu. Von den vielen anderen wird in 25 Jahren nur noch die Hälfte Schneesicherheit garantieren können, sagt der Deutsche Alpenverein. Und das auch bloß deshalb, weil sie massiv in Schneekanonen investieren.

Energieversorgung

Der Umstieg von fossilen Energien auf erneuerbare gilt als zentrale Herausforderung für einen erfolgreichen Klimaschutz. Kaum beachtet wird, dass der Klimawandel auch Auswirkungen auf die erneuerbare Energien haben wird. Windräder sind auf mittlere Windgeschwindigkeiten ausgerichtet, Abweichungen beeinträchtigen ihre Leistung, bei Stürmen müssen sie sogar abgeschaltet werden. Längere Hoch- und Niedrigwasserperioden führen zu Einschränkungen für Wasserkraftwerke, die in Bayern weit verbreitet sind. Solaranlagen dagegen werden produktiver, wenn die Zahl der Sonnenstunden ansteigt. Hohe Temperaturen senken aber wiederum ihre Leistung. Experten rechnen außerdem damit, dass sich die Nachfrage nach Energie verschieben wird. So wird in künftigen Wintern weniger Energie zum Heizen gebraucht. Dafür steigt der Strombedarf im Sommer - weil immer mehr Wohnungen Klimaanlagen haben werden.

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