Bayerisches Klimaschutzgesetz:"Dramatisch, dass die Staatsregierung das selbst nicht im zweiten Anlauf schafft"

Bayerisches Klimaschutzgesetz: Windräder stehen am Braunkohletagebau Garzweiler, im Hintergrund das Braunkohlekraftwerk Neurath. Mehr als fünf Monate nach der ersten Runde im Kabinett kommt in die Novelle von Bayerns Klimaschutzgesetz neue Bewegung.

Windräder stehen am Braunkohletagebau Garzweiler, im Hintergrund das Braunkohlekraftwerk Neurath. Mehr als fünf Monate nach der ersten Runde im Kabinett kommt in die Novelle von Bayerns Klimaschutzgesetz neue Bewegung.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Das neue Klimaschutzgesetz stößt schon jetzt auf scharfe Kritik. Nach wie vor ein zentrales Problem: Die fehlende Verbindlichkeit. Kann die Klimaneutralität so überhaupt erreicht werden?

Von Christian Sebald

Es ist ein Jahr her, dass das Bundesverfassungsgericht das damalige deutsche Klimaschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt hat. Einer der ersten, der die Folgen erkannt hat, war Markus Söder. Der Ministerpräsident und CSU-Chef, der den Kampf gegen die Klimakrise gerne das politische Megathema schlechthin nennt und sich als oberster Klimaschützer geriert, sprach von einem "wuchtigen, aber richtigen" Beschluss. Zugleich kündigte er die Überarbeitung des damals gerade fünf Monate alten, wenig ambitionierten bayerischen Klimaschutzgesetzes an.

Söders zentrales Versprechen: Bayern wird die CO₂-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent verringern, bis 2040 wird der Freistaat klimaneutral sein, fünf Jahre schneller also als der Bund. Alle Welt rechnete damit, dass Söder den Freistaat nun zum klimapolitischen Schrittmacher Deutschlands machen und schnell liefern wird.

Weit gefehlt. Das neue bayerische Klimaschutzgesetz existiert bisher nur im Entwurf. Und der ist auch schon wieder fast ein halbes Jahr alt. Immerhin hat Umweltminister Thorsten Glauber (FW) jetzt zum Jahrestag des Karlsruher Beschlusses erklärt, dass er das neue Klimaschutzgesetz "in den nächsten sechs Wochen" in den Landtag einbringen will. Doch auch dann wird es noch nicht beschlossen werden können. Das parlamentarische Prozedere - unter anderem müssen sich eine Reihe Ausschüsse mit dem Gesetz befassen - braucht Zeit. Beobachter rechnen damit, dass es Herbst wird, bis Söders neues Klimaschutzgesetz verabschiedet werden kann. Das wären dann eineinhalb Jahre nach dem Karlsruher Beschluss. Der Bund hat für sein neues Klimaschutzgesetz nur vier Monate gebraucht.

Architekten vermissen verbindliche Vorgaben

Der Grund für die lange Verzögerung dürfte sein, dass der Gesetzesentwurf zwar ambitioniert ist, was die Verringerung des CO₂-Ausstoßes und die Klimaneutralität anbelangt, aber die Instrumente für deren Umsetzung nicht liefert. So zumindest werfen es eine ganze Reihe von Fachstellen und Verbänden der Staatsregierung in ihren Stellungnahmen zu dem neuen Gesetz vor, die derzeit in Glaubers Ministerium bearbeitet werden.

Das gilt nicht nur für einschlägig bekannte Organisationen wie den Bund Naturschutz, der Söders Klimaschutzambitionen seit jeher sehr kritisch gegenübersteht. Sondern sogar für die bayerischen Chemieverbände, die eher unverdächtig sind, radikale Klimaschützer zu sein. Sie legen der Staatsregierung zur Last, dass sie in ihrem neuen Gesetz offen lässt, woher nach 2040 die 320 Milliarden Kilowattstunden Energie für Bayern pro Jahr kommen sollen, die bisher fossile Träger und die Atomkraft liefern.

Die Bayerische Architektenkammer geht ebenfalls sehr grundsätzlich mit der Staatsregierung ins Gericht. Wie schon im aktuellen Klimaschutzgesetz fehlt ihr in dem neuen die Verbindlichkeit. Ein Beispiel ist der Klimaschutz in den Kommunen. In dem Entwurf heißt es dazu schwammig: "Der Freistaat Bayern unterstützt die kommunalen Gebietskörperschaften mit Förderprogrammen bei der Erreichung der Minderungsziele." Das heißt, dass der Freistaat den Kommunen nach wie vor keine Vorgaben machen will, in welchen Zeiträumen und Umfängen sie ihren Treibhausgas-Ausstoß verringern müssen. Der Grund ist, dass er dann den kommunalen Klimaschutz finanzieren müsste. Förderprogramme dagegen sind freiwillig, der Freistaat kann sie von Finanzperiode zu Finanzperiode kassieren.

Nachbesserungen sind zu wenig

Umweltminister Glauber will die Kritik offenkundig ernst nehmen. Zum Jahrestag des Karlsruher Beschlusses gibt er sich vor allem beim Ausbau der erneuerbaren Energien entschieden. "Ein Klimaschutzgesetz ohne substanziellen Zubau der Windkraft wird nicht funktionieren", sagt er und zeigt sich erleichtert, dass die CSU am Mittwoch Lockerungen der umstrittenen Abstandsregel 10H befürwortet hat. Allerdings sind Glauber die 800 Windräder offenbar zu wenig, die laut Söder dadurch nun in Bayern möglich werden. Zumindest kann man seinen Verweis auf eine Gebietskulisse des Landesamts für Umwelt so deuten, die eine Möglichkeit für 1700 bis 2000 neue Anlagen aufweist.

Dem Grünen-Abgeordneten und Energieexperten Martin Stümpfig sind solche etwaigen Nachbesserungen zu wenig. "Natürlich kann sich ein Klimaschutzgesetz nicht in Details verzetteln", sagt er. "Aber es muss einen klaren Fahrplan zur Klimaneutralität liefern. Das betrifft die Energiewende, die Verkehrswende und Wärmewende gleichermaßen." Stümpfig nennt es "dramatisch, dass die Staatsregierung das selbst nicht im zweiten Anlauf schafft".

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