Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:30 Millionen Bäume reichen nicht

Ministerpräsident Markus Söder will mehr Wald anpflanzen lassen. Was nach viel klingt, entpuppt sich beim Nachrechnen als eher symbolische Geste.

Kommentar von Sebastian Beck

Wer mit offenen Augen durch die bayerischen Wälder spaziert, den überkommt schnell ein gruseliges Gefühl. Man muss kein Fachmann sein, um zu sehen, dass das Ökosystem schwer geschädigt ist. Fichten leiden schon seit Jahren unter Hitze und Trockenstress, viele von ihnen sehen ungefähr so vital aus wie ein Christbaum nach drei Wochen an der Heizung. Auch Eschen, gerade in Auwäldern eine der dominierenden Laubbaumarten, leiden flächendeckend unter einem aus Fernost eingeschleppten Pilz. In den nächsten Jahrzehnten könnten sie genauso aus der Landschaft verschwinden wie einst die Ulmen. Förster fragen sich, welche Bäume sie überhaupt noch anpflanzen sollen angesichts des Temperaturanstiegs und der vielen eingeschleppten Schädlinge.

Der Wald in Bayern ist inzwischen mindestens genauso bedroht wie in den Achtzigern, als saurer Regen vor allem die Nadelbäume dahinraffte. Die Lösung damals war vergleichsweise einfach: In Kohlekraftwerke wurden Schwefeldioxid-Filter eingebaut. Das Treibhausgas Kohlendioxid blasen sie freilich weiter in gigantischen Mengen in die Atmosphäre.

Ausgerechnet der geschädigte Wald soll nun dabei helfen, das Kohlendioxid zu binden. Eine Reihe von Politkern haben entsprechende Vorschläge gemacht, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel - und Ministerpräsident Markus Söder. Er will in den kommenden Jahren mehrere Millionen Bäume zusätzlich pflanzen lassen und damit einen bayerischen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Bayerischen Staatsforsten sollen zusätzlich zu den vier bis fünf Millionen Bäumen, die schon nach bisheriger Planung pro Jahr dazukommen sollen, noch einmal eine Million Bäume mehr pflanzen. Das wären dann in Summe in fünf Jahren bis zu 30 Millionen neue Bäume - so lautet der Plan.

Das klingt nach viel, so lange man nicht nachrechnet. Laut Landwirtschaftsministerium müssen für einen Hektar Hauptbestand zwischen 6700 bis 8000 Rotbuchen gepflanzt werden: Das ergibt rechnerisch eine Fläche von 125 bis 149 Hektar Buchenwald zusätzlich pro Jahr. Die gesamte Waldfläche in Bayern beträgt 2,6 Millionen Hektar. Mit anderen Worten: Damit wird die Staatsregierung das Klima leider nicht retten.

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SZ vom 23.07.2019/pvn
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