Energiewende:"Nicht ansatzweise im Plan"

Energiewende: Folgen des Klimwandels: Aufgerissen und ausgetrocknet ist eine Sandbank an der Niedrigwasser führenden Donau.

Folgen des Klimwandels: Aufgerissen und ausgetrocknet ist eine Sandbank an der Niedrigwasser führenden Donau.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Die bayerischen Energie- und Wasserversorger rechnen mit der Klimaschutzpolitik von Ministerpräsident Markus Söder ab.

Von Christian Sebald

Das Versprechen war vollmundig. Bis 2040 wird Bayern klimaneutral sein. So hat es Ministerpräsident Markus Söder vor mehr als einem Jahr angekündigt, so steht es jetzt im neuen Klimaschutzgesetz des Freistaats, das kürzlich in den Landtag eingebracht worden ist. Mit dem neuen Gesetz will Söder den Bund um fünf Jahre toppen. Der hat sich in seinem Klimaschutzgesetz ein klimaneutrales Deutschland für das Jahr 2045 vorgenommen.

Alle Fachleute sind sich einig, dass das Ziel des Freistaats ebenso wie das des Bundes äußerst ambitioniert ist. Denn es geht ja nicht nur um eine CO₂-freie Stromproduktion. Sondern auch um klimafreundliche Wärme, grünen Wasserstoff, einen Verkehr ohne Klimagase und vieles andere mehr. Gleichwohl nehmen sie Söders Versprechen in der Energiewirtschaft sehr ernst. Der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) hat seit einiger Zeit sogar ein Monitoring laufen, welche Fortschritte Bayern auf dem Weg zur Klimaneutralität 2040 macht.

Auch bei den anderen Indikatoren des VBEW hat der Freistaat die Raten für Söders Ziel weit verfehlt

"Die Ergebnisse für vergangenes Jahr sind ernüchternd", sagt VBEW-Hauptgeschäftsführer Detlef Fischer. "Bei keinem unserer Indikatoren ist die Energiewende auch nur ansatzweise im Plan." Am plakativsten sei der Rückstand bei der Windkraft. 2021 sind laut Fischer nur fünf Prozent der Windräder aufgestellt worden, die es in diesem Jahr gebraucht hätte, wenn Söders Ziel erreicht werden soll. "Wir müssen uns dringend ehrlich machen", sagt Fischer. "Wenn wir so weitermachen, ist das klimaneutrale Bayern 2040 eine Politshow zur Beruhigung der Bevölkerung."

Auch bei den anderen Indikatoren des VBEW hat der Freistaat die Raten für Söders Ziel weit verfehlt. So wurden nur 40 Prozent der Photovoltaikanlagen installiert, die 2021 dafür erforderlich gewesen wären. Bei der Sanierung veralteter Heizungen waren es laut Fischer nur die Hälfte und bei den Neuzulassungen von Fahrzeugen mit nachhaltigem Antrieb gar nur 13 Prozent. Die Produktion von grünem Wasserstoff ist weiter ein Totalausfall. Rechnerisch hätten für ein klimaneutrales Bayern 2040 allein im vergangenen Jahr 125 Großelekrolyseure installiert werden müssen. So heißen die Apparate, in denen aus Wasser und erneuerbaren Strom grüner Wasserstoff wird. Laut VBEW wurde kein einziger aufgestellt.

Kritiker sagen gerne, das Ziel von Fischer und seinem Verband sei einzig und allein, die Staatsregierung und ihr Versagen in der Energie- und Klimaschutzpolitik vorzuführen. Fischer, der viele Jahre lang ein glühender Verfechter der Atomkraft war, neigt überdies seit jeher zu einem gewissen Sarkasmus. Auf der anderen Seite ist es aber schon so, dass es Söder war, der das klimaneutrale Bayern bis 2040 versprochen hat. Fischer nimmt deshalb für sich in Anspruch, die Staatsregierung einzig und allein an ihrem Versprechen zu messen.

"Importe in größerem Stil dürften schwierig werden"

Außerdem werfen Kritiker Fischer und seinem VBEW vor, sie würden ihre Indikatoren für den Fortschritt der bayerischen Energiewende viel zu hoch hängen. Schließlich habe sich die Staatsregierung längst von ihrem vormaligen energiepolitischen Grundsatz verabschiedet, dass der Freistaat zumindest den Strom selbst produzieren solle, der hier verbraucht wird, und setze verstärkt auf Importe. "Aber woher soll der viele grüne Strom für das klimaneutrale Bayern kommen, wenn nicht aus dem Freistaat selbst?", kontert Fischer. "Importe in größerem Stil dürften schwierig werden. Denn die anderen Länder um uns herum brauchen ihren Grünstrom doch selbst für den Klimaschutz."

Damit langt Fischer wieder bei der Verantwortung der Staatsregierung an. "Die Umsetzung des klimaneutralen Bayern ist zwar eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", sagt er. "Aber die Politik ist besonders gefordert. Wenn die Staatsregierung überehrgeizige Ziele ausruft, muss sie auch überehrgeizig bei der Umsetzung sein."

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