Bürgerengagement:Wie in Bayerns Kommunen um den Klimaschutz gerungen wird

Lesezeit: 3 min

Windkraft und Photovoltaik sind zentral für den Klimaschutz. In einer ganzen Reihe von Kommunen wollen Initiativen nun per Bürgerentscheid mehr Klimaschutz erzwingen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In zahlreichen bayerischen Orten versuchen Initiativen, die Kommunen zur baldigen Klimaneutralität zu verpflichten. Manchmal gelingt das einigermaßen lautlos, manchmal steht Ärger ins Haus.

Von Matthias Köpf und Olaf Przybilla, Bayreuth/Traunstein/Nürnberg/Würzburg

Der Rahmen war würdig. Einen Teppich hat die Initiative "Klimaentscheid Bayreuth" ausgelegt, auch Blasinstrumente herbeigeschafft und mehr als 5000 Unterschriften für mehr Klimaschutz, säuberlich in einen Koffer gepackt, dem Oberbürgermeister übergeben. Wobei es nicht so ist, dass die Bayreuther Aktivisten grundsätzlich in Abrede stellen, dass sich Oberfrankens Hauptstadt um den Klimaschutz bereits Gedanken macht. Immerhin hat der Stadtrat dort kürzlich ein Klimaschutzkonzept beschlossen, eine Grundsatzerklärung abgegeben, sogar Klimaschutzmanagerinnen eingestellt. Nur: Das reiche eben nicht, finden die Klimaentscheidler. Mit den Unterschriften wollen sie einen Bürgerentscheid erzwingen.

In Bayreuth hat die Initiative die Unterschriften schon abgegeben, in insgesamt sechs weiteren bayerischen Städten und Landkreisen ist man derzeit beim Einsammeln, wie Jan Renner, Sprecher von "Mehr Demokratie Bayern", im Blick hat. In Nürnberg hat eine Initiative im Mai 2021 damit begonnen, Ziel ist eine klimaneutrale Stadt bis zum Jahr 2030, der Aufwand in der Halbmillionenstadt ist erheblich: 24 Bündnispartner und mehr als 60 Sammelstellen hat die Initiative eigenen Angaben zufolge akquiriert und 10 000 Unterschriftenlisten verteilt, bis zum August 2022 - so ist das formulierte Ziel - will man 15 00o Unterschriften eingesammelt haben.

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Ein vorgelegter Klimastadtplan würde 1411 neue Vollzeitstellen erfordern

Im deutlich kleineren Bayreuth brauchte es gar nicht so viele, um die Stadt unter Druck zu setzen. In dieser Woche soll der Stadtrat entscheiden, ob die Voraussetzungen erfüllt und ein Bürgerentscheid zulässig ist, mit dem die Initiative Klimaneutralität bis 2030 erreichen will. OB Thomas Ebersberger (CSU) ist da sehr skeptisch. Schon die vom Stadtrat beschlossene Klimaneutralität bis 2040 halte er für einen "ausgesprochen anspruchsvollen Beschluss", teilt er mit. Und lässt erhebliche Zweifel daran erkennen, ob ein Bürgerentscheid überhaupt zulässig wäre. Dies wäre nicht der Fall, wenn das Gleichgewicht des Haushalts so massiv gestört werde, dass es der Stadt nicht mehr möglich sei, ihre Aufgaben zu erfüllen. Leider hätten, so Ebersberger, offenbar wenige Unterzeichner das "Kleingedruckte gelesen". So finde sich in dem von der Initiative vorgelegten Klimastadtplan, dass ein Bürgerentscheid für Bayreuth "767 Millionen Investitionen und pro Jahr einen Personalbedarf von zusätzlichen 1411 Vollzeitstellen" bedeuten würde. De facto fast eine Verdoppelung der städtischen Stellen.

Eva Manegold, eine der Sprecherinnen der Initiative, hat mit Widerstand gerechnet. Jene in ihrem Klimastadtplan des Jahres 2020 vorgelegten Zahlen seien indes "in keiner Weise konkret kalkuliert", sagt sie, der dort auf Seite 27 aufgeführte Investitions- und Personalbedarf "explizit keine Forderung" der Initiative. Den Aktivistinnen und Aktivisten, etwa anderthalb Dutzend, gehe es nicht um Zahlen in einem pauschal gehaltenen Dokument, sondern um Inhalte. Zwei Jahre habe man Unterschriften für eine klimaneutrale Stadt gesammelt und bewusst lange gewartet, diese zu übergeben. Sollte Bayreuth nun einen Bürgerentscheid mit einer Stadtratsmehrheit zu verhindern versuchen, gebe es zwei nur Optionen, sagt Manegold. Noch einmal in den Dialog zu treten mit der Stadt, noch einen Versuch also; oder aber den Entscheid mit juristischen Mitteln durchzusetzen. Dieser würde nach Angaben der Stadt einen niedrigen sechsstelligen Betrag kosten. Es wird also spannend in Bayreuth.

Dass sich womöglich nicht sehr viele Bürger ausdrücklich gegen mehr Klimaschutz aussprechen, sich aber anderseits auch nicht besonders viele für entsprechende Pläne ins Zeug legen, hat sich zuletzt etwa in der oberbayerischen Kreisstadt Traunstein gezeigt. Dort hatte der Stadtrat die Bürger per Ratsbegehren über einen Klimaplan abstimmen lassen, wonach die Stadtverwaltung und die Stadtwerke bis 2030 klimaneutral werden und die ganze Stadt samt Bürgern und Betrieben bis spätestens 2040 nachziehen sollte. Der Vorschlag erhielt zwar fast 76 Prozent der abgegebenen Stimmen, aber in absoluten Zahlen doch nur so wenige, dass der Bürgerentscheid am gesetzlichen Zustimmungsquorum von 20 Prozent scheiterte und keine bindende Wirkung entfaltete.

Bürgerbefragungen zum Klimaschutz scheitern auch am Quorum

Ganz ähnlich erging es Ende Mai dem deutlich weitergehenden Vorschlag der Bürgerinitiative "Klimaaufbruch Traunstein Jetzt". Die Initiative hatte sich ehrgeizigere Ziele gesetzt und verlangte die volle Klimaneutralität bis 2030, also zehn Jahre früher als nach dem Klimaplan des Stadtrats. Auch dieser Vorschlag erhielt in der Abstimmung mehr als 70 Prozent der Stimmen - und auch er scheitere am Quorum, was Oberbürgermeister Christian Hümmer (CSU) dann schon wieder als Bestätigung des Stadtratskurses interpretierte. Nun will sich die Stadt Traunstein laut eigener Mitteilung "an den gesetzlichen Vorgaben von Bund und Land orientieren" und darüber einzelne Punkte aus ihrem Klimaplan umsetzen. Eine besonders große Wirkung verspricht sie sich dabei von der Dekarbonisierung ihrer Stadtwerke. Den eigenen Strom- und Gasversorger nach und nach auf Solar- und Windstrom sowie auf Biogas und Geothermie umzustellen, wird nach einer Berechnung aus dem Rathaus wohl einen dreistelligen Millionenbetrag kosten.

Nicht überall endet der Kampf ums Klima in einer Konfrontation. In Würzburg, wo sich der Stellvertreter des Oberbürgermeisters - der Grüne Martin Heilig - "erster Klimabürgermeister Deutschlands" nennen kann, haben sich Klimaaktivisten und die Stadt auf gemeinsame Ziele verständigt. Eine Initiative hatte bereits begonnen, Unterschriften zu sammeln. "Den Druck hat der Stadtrat dann konstruktiv genutzt", sagt Heilig. Klimaaktivisten und Stadt einigten sich auf einen ambitionierten Kompromiss. Eine klimaneutrale Stadtverwaltung soll in Würzburg bereits bis zum Jahr 2028 Wirklichkeit werden.

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