Politik:Hohe Erwartungen an Söders "Klimaruck"

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Ein Weg, das Klima zu schützen, ist die Nutzung erneuerbarer Energien, gewonnen aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Vor der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten fordern die Grünen mehr Einsatz. Bislang bleibt die Staatsregierung hinter ihren Ankündigungen zurück - ob der große Wurf noch folgt, ist unklar.

Von Christian Sebald, München

Nach den Hochwasserkatastrophen der vergangenen Tage wird der Ruf nach einer konsequenten Klimapolitik lauter - und der Druck auf Markus Söder wächst. Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im Landtag, beschwört am Dienstag den Ministerpräsidenten und die Staatsregierung, "endlich eine Politik zu machen, die Klimaanpassung und Klimaschutz als Daueraufgabe" begreift. Er fordert sie auf, anzupacken - beim Ausbau der erneuerbaren Energien ebenso wie beim Flächensparen und beim Hochwasserschutz. Hartmann wendet sich auch an CSU und Freie Wähler. "Stoppen wir die Politik, die auf die Unterwerfung der Natur setzt," ruft er. "Geben wir der Natur ihren Raum zurück und schützen damit unsere Lebensgrundlagen."

Es ist aktuelle Stunde im Landtag, die Grünen haben das Vorschlagsrecht für das Thema. Natürlich müssen Hartmann und seine Fraktion diese Gelegenheit nützen und den Klimaschutz thematisieren. Schließlich ist für viele Experten der Zusammenhang zwischen der Klimakrise und den Sturzflut-Katastrophen der jüngsten Zeit offenkundig.

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Außerdem hält Ministerpräsident Söder an diesem Mittwoch eine Regierungserklärung zum Klimaschutz in Bayern. Der Klimaschutz ist aber die Kernkompetenz der Grünen. Deshalb können sie nicht anders. Sie müssen den Klimaschutz zum Thema der aktuellen Stunde machen.

Die Erwartungen an Söders Regierungserklärung sind hoch. Seit Anbeginn der Legislaturperiode hat der Ministerpräsident den Kampf gegen die Erderwärmung zum "Megathema" erklärt und ihn immer wieder beschworen. Sinnbild dafür ist ein Foto aus dem Hitzesommer 2019. Es stammt aus dem Hofgarten in München und zeigt, wie Söder einen Baum umarmt. Auch rhetorisch nimmt es Söder in puncto Klimawandel inzwischen mit jedem Grünen auf. Durch Deutschland müsse ein "Klimaruck" gehen, hat er erst Anfang der Woche gesagt. Die Hochwasserkatastrophe sei ein "Weckruf der Natur".

Söder hat das Klimaschutzgesetz selbst kassiert. Doch die Neuauflage lässt auf sich warten

Was den tatsächlichen Klimaschutz im Freistaat und vor allem das bayerische Klimaschutzgesetz angeht, hat Söder die Erwartungen bisher nicht annähernd erfüllt. Das Klimaschutzgesetz ist erst seit Januar 2021 in Kraft und nicht nur von der Opposition, sondern auch von der Fachwelt förmlich in der Luft zerrissen worden. Zu lax die Ziele, zu wolkig formuliert und vor allem völlig unverbindlich, so lauten die Vorwürfe. Verkehr, Energiewirtschaft, Industrie und Landwirtschaft, die mit ihrem CO₂-Ausstoß maßgeblich für die Klimakrise verantwortlich sind, werden nicht erwähnt. So wie auch der Pariser Klimaschutzvertrag und das Ziel, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Es war Söder selbst, der das Klimaschutzgesetz Ende April wieder kassiert hat. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat damals den Bund gezwungen, seine Anstrengungen für den Klimaschutz deutlich zu verstärken. Söder hat sofort erkannt, dass die Entscheidung auch Folgen für den Klimaschutz in Bayern hat. Wenige Stunden nach der Verkündung kommentierte er den Beschluss als "wuchtig, aber richtig" und forderte seine rasche Umsetzung auch in Bayern. Geliefert hat Söder bisher aber nicht.

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Wie schnell ein Bundesland liefern kann, zeigt Baden-Württemberg, mit dem Söder den Freistaat gerne misst. Im Ländle hat die grün-schwarze Regierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann nur 63 Tage nach Abschluss ihres Koalitionsvertrags ein Klimaschutzgesetz vorgelegt, das alle wichtigen Punkte umfasst, die so ein Gesetz braucht. Beispiel eins: Ab 1. Mai 2022 müssen auf allen neu errichteten Wohnhäusern in Baden-Württemberg Photovoltaikanlagen installiert werden. Ab 1. Januar 2023 gilt das auch für alle großen Dachsanierungen. In Bayern widersetzen sich die FW gegen so eine Solarpflicht. "Wir wollen Anreize statt eine Politik der Pflichten und Verbote", sagte Parteichef und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger unlängst vor Journalisten.

Beispiel zwei: Baden-Württemberg, wo der Ausbau der Windkraft bis jetzt ebenfalls wenig vorankommt, reserviert nun zwei Prozent seiner Landesfläche für Windräder, in den nächsten Jahren will man bis zu 1000 Anlagen aufstellen. In Bayern hält die CSU stur an der 10-H-Vorgabe fest. Danach muss der Abstand zwischen einem Windrad und der nächsten Wohnsiedlung das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen, in der Regel mindestens zwei Kilometer. Die Folge: In Bayern werden kaum neue Windräder aufgestellt. Das dürfte so bleiben. Söder will nicht an 10 H rühren.

Natürlich wollen auch maßgebliche Politiker in Bayern ernst machen mit Söders Versprechen. Allen voran Umweltminister Thorsten Glauber (FW). Er hat Anfang Mai - also kurz nachdem die Karlsruher Richter die Vorgaben für den Klimaschutz deutlich verschärft haben - ein neues Klimaschutzgesetz angekündigt. Und zwar noch vor der Sommerpause des Landtags. Aus seiner Sicht hat Glauber sein Versprechen eingehalten. Der Entwurf für das neue Klimaschutzgesetz ist fertig. Aber nicht nur das. Glauber zufolge liegt der Entwurf seit elf Wochen in der Staatskanzlei. Im Kabinett wurde er noch nicht behandelt.

CSU und Freie Wähler agieren an diesem Dienstag wie gewohnt

Für diesen öffentlichen Seitenhieb soll Söder den Umweltminister im Kabinett am Dienstag ordentlich gerüffelt haben. Er wolle sich derlei nicht gefallen lassen, heißt es. Söder, dem es ansonsten meist nicht schnell genug gehen kann, hat offenbar einen anderen Zeitplan. Das Klimaschutzgesetz soll offenbar erst nach der Sommerpause ins parlamentarische Verfahren. So hat Söder es im BR angekündigt. Bei den Landtags-Grünen denken sie, dass die CSU die Debatte über das Gesetz möglichst aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten will. Ihr Verdacht: Söder kann nicht halten, was er versprochen hat.

CSU und FW agieren an diesem Dienstag wie gewohnt. Der CSU-Mann Eric Beißwenger zählt im Landtag die Leistungen des Freistaats beim Hochwasserschutz auf und wirbt bei den Kommunen dafür, die Förderprogramme dazu in Anspruch zu nehmen. Zugleich betont er, dass es "gegen Naturkatastrophen keine hundertprozentige Sicherheit gibt" und der Schutz davor "ein wichtiger Standortfaktor" werden wird. Benno Zierer (FW) argumentiert ähnlich. Bayern unternehme viel für den Klimaschutz, etwa bei der Moor-Renaturierung und der Stärkung des Ökolandbaus.

Nicht nur die Landtags-Grünen sind skeptisch, was Söders Regierungserklärung an diesem Mittwoch anbelangt. Sondern auch "Fridays for Future", der Bund Naturschutz, der Landesbund für Vogelschutz und andere Umweltorganisationen. Sie wollen nun den Streit um den Klimaschutz auf die Straße tragen. Für Freitag haben sie in München einen Demonstrationszug angekündigt - von der Staatskanzlei zum Landtag.

© SZ vom 21.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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