Klimawandel:Der Winter war viel zu trocken

Lesezeit: 3 Min.

Der Winter war zu trocken: Bergbäche wie hier die Pöllat führen nur wenig Wasser. Alarmierender freilich sind die niedrigen Grundwasser-Stände. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Niedrig, sehr niedrig, niedrigst: Die Grundwasser-Stände in Bayern alarmieren Experten.

Von Christian Sebald

Wer sich dieser Tage die Bayern-Karte des Niedrigwasser-Informationsdienstes ansieht, stößt auf einen alarmierenden Befund: Stand Sonntag haben 259 der 484 Grundwasser-Messstellen gelb, orange oder knallrot geleuchtet. Das heißt: Die Grundwasserstände dort sind "niedrig", "sehr niedrig" oder haben "einen neuen Niedrigstwert" erreicht. 259 von 484 Messstellen sind 54 Prozent. "Eine solche Quote ist absolut beunruhigend", sagt Professor Martin Grambow. "Wassertechnisch starten wir unter denkbar angespannten Voraussetzungen ins neue Jahr." Grambow ist Bauingenieur und Chef der Abteilung Wasserwirtschaft im Umweltministerium. Er zählt zu den führenden Wasser-Experten hierzulande.

Zwar sind erst am Wochenende wieder heftige Schneeschauer über dem Alpenvorland niedergegangen. Gleichwohl reiht sich der diesjährige Winter in die vielen zu niederschlagsarmen Winter in Bayern ein. Der Grund dafür waren eine Serie stabiler Hochdruckgebiete, wie es sie im Zuge der Klimaerwärmung immer häufiger gibt. Sie haben Bayern vor Niederschlägen gleichsam abgeschirmt.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

"Mit Niederschlagsmengen von 80 bis 120 Prozent des langjährigen Mittels haben wir nur in Nordostbayern das Soll in etwa erreicht", sagt Lothar Bock vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in München. "In den Alpen waren es gerade mal 60 bis 80 Prozent und damit deutlich weniger." Am trockensten war es - wieder einmal, möchte man sagen - in Mittelfranken. "Hier haben wir nur 50 bis 60 Prozent der Niederschlagsmengen gemessen, die in dem Quartal üblich sind."

Den Bächen, Flüssen und Seen macht der zu trockene Winter aktuell am wenigsten aus. Es dürfte zwar kaum welche geben, die so richtig viel Wasser führen. Das ist im Winter die meiste Zeit eh nicht der Fall. Aber immerhin 140 von 177 Pegeln an ihnen sind im grünen Bereich. Das sind 83 Prozent. An 27 oder 16 Prozent sind die Stände niedrig, an einem ist er sogar sehr niedrig. Auch die Böden sind gesättigt. "Wir haben überall in Bayern eine Bodenfeuchte zwischen 90 und 110 Prozent", sagt der DWD-Mann Bock. "Das trägt die nächsten Wochen bis zur Aussaat. Und danach müssen die Bauern und Forstleute sehen, wie sich das Jahr entwickelt."

Bleibt die Sorge um das Grundwasser. Denn es ist nicht der erste Trockenwinter, in dem viel zu wenig neues Grundwasser gebildet wird. Seit 2003, so haben sie es am Landesamt für Umwelt (LfU) dokumentiert, ist die Grundwasserneubildung ins Negative gekippt. Das jährliche Defizit beträgt ungefähr ein Sechstel. Dem Grundwasser in Bayern fehlen inzwischen mehr als drei Neubildungsjahre. "Um diesen Trend zu stoppen, bräuchten wir unbedingt zwei, besser noch drei überdurchschnittlich nasse Winter", sagt Grambow. "Aber die kriegen wir nicht. Wir bekommen nur einen mageren Winter nach dem andern."

Wenn es schlecht um das Grundwasser steht, trifft das als allererstes die Trinkwasser-Versorgung. Denn das Trinkwasser hierzulande ist bis zu 99 Prozent Grundwasser. Die 2200 Wasserversorger im Freistaat sind nicht nur sehr stolz auf die hohe Qualität des Grundwassers im Freistaat. Sondern auch darauf, dass es in Hülle und Fülle zur Verfügung steht - und zwar gleichsam selbstverständlich. Diese Selbstverständlichkeit könnte in Zukunft immer mehr abhanden kommen, befürchten Experten wie Grambow.

"Die Aussichten sind wenig ermutigend", sagt der Wasserwirtschaftschef

Der Freistaat kämpft mit Millionen-Programmen gegen die zunehmende Trockenheit. Umweltminister Thorsten Glauber (FW) hat dafür den plakativen Titel "Wasserzukunft Bayern 2050" erfunden. Rückgrat der Strategie ist die sogenannte Donau-Main-Überleitung, über die seit 1993 jedes Jahr Zigmillionen Kubikmeter Wasser aus dem Donauraum nach Franken geleitet werden. "Mit mehr als 230 Millionen Kubikmeter Wasser in der Überleitung war das Trockenjahr 2019 das bisherige Rekordjahr", sagt Glauber. Und über die Jahre hinweg summiert sich das Wasser in der Überleitung auf das doppelte Volumen des oberbayerischen Ammersees.

Ein ähnlich gigantisches System hat sich Bayern für die Trinkwasserversorgung vorgenommen. Das Stichwort dafür lautet "Überleitung 2.0". Wasserwirtschaftschef Grambow und seine Leute planen unter ihm ein Trinkwasser-Fernleitungssytem vom bayerischen Südwesten in den Nordosten. "Es soll am Bodensee beginnen und über Franken bis Niederbayern führen", sagt Glauber. "Dadurch können wir einmal die überregionalen und die regionalen Wasserversorger nördlich der Donau vernetzen, bei Engpässen können sie sich schnell und umstandslos gegenseitig aushelfen." Bis es so weit sein wird, werden freilich noch Jahre vergehen.

Derweil blickt Grambow mit großer Sorge auf den Sommer. "Die Aussichten sind wenig ermutigend", sagt der Wasserwirtschaftschef. Beim DWD haben sie neue Modelle für langfristige Wettervorhersagen entwickelt. "Die sind natürlich noch mit vielen Unsicherheiten behaftet", sagt Grambow. "Aber in einem sind sich die Szenarien einig: Auch der Sommer dürfte wieder überdurchschnittlich trocken werden."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusNatürliche Ressourcen
:Der Kampf ums Trinkwasser

Der Handelsriese Edeka kauft die Siegsdorfer Petrusquelle, Aldi Nord übernimmt Altmühltaler. Immer öfter sichern sich große Unternehmen direkten Zugriff auf Mineralwasservorkommen. Dürfen die das in Zeiten von Wasserknappheit?

Von Uwe Ritzer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: