Wer nach der Babypause wieder ins Berufsleben einsteigen will, ist oft schon froh, wenn er für den Nachwuchs
einen der begehrten Kita-Plätze ergattert. Aber wird das Kind dort auch professionell betreut? Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung weckt daran zumindest Zweifel: Bayerischen Kitas fehle es demnach häufig an Erziehern mit fünfjähriger Ausbildung. Nirgendwo in Deutschland erfüllen Krippen und Kindergärten demnach seltener die empfohlene pädagogische Fachkraft-Quote als im Freistaat.
Bayern hat bereits seit vielen Jahren eine sehr niedrige Fachkraft-Quote, also einen niedrigen Anteil von Mitarbeitern mit der fünfjährigen Erzieher-Ausbildung. Daran hat sich laut Bericht auch kaum etwas geändert: In fast einem Drittel der Kita-Teams sind nur die Hälfte oder weniger Mitarbeiter ausgebildete Erzieherinnen. Und nur drei Prozent aller Kita-Teams können mit einer hohen Fachkraft-Quote glänzen. Dieser Wert hat sich seit 2017 nicht verändert. Als hohe Fachkraft-Quote gilt, wenn 80 Prozent aller pädagogischen Mitarbeiter gelernte Erzieher sind.
Dass dies grundsätzlich möglich ist, zeigen Länder wie Thüringen, wo 89 Prozent der Einrichtungen derart viele Fachkräfte beschäftigen. Im bundesweiten Durchschnitt schafft knapp ein Drittel der Einrichtungen den hohen Fachkraft-Schlüssel. „Bayern ist Schlusslicht, weil dort ein enorm hoher Anteil an Kinderpflegern arbeitet“, erklärt Eva Berg, Managerin in dem Projekt frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung.
Aber ist das schlimm? Können sich nicht auch Mitarbeiter mit der zweijährigen Ausbildung zum staatlich geprüften Kinderpfleger liebevoll um die Kleinen kümmern? Im Ministerium sieht man das so: Für die Qualität sei nicht die Anzahl von Personal oder die Höhe der Qualifikation entscheidend. Maßgebend sei die Qualität im Umgang zwischen Fachkraft und Kind, heißt es aus dem Ministerium. Hierzu gebe es aber in Bayern schon seit 2015 spezielle Coachings.
Projektmanagerin Berg verweist dagegen auf Studien, die sehr wohl zeigten, dass die Qualität der Betreuung sinke, wenn es zu wenige ausgebildete Erzieher im Team gebe. Auch eine vom Bundesfamilienministerium eingesetzte Arbeitsgruppe Frühe Bildung empfehle deshalb eine hohe Fachkraft-Quote. Die Experten dort sind der Meinung, dass in Kitas derzeit mindestens 72,5 Prozent der Mitarbeiter Erzieher sein sollten, längerfristiges Ziel sollten gar 85 Prozent Erzieher in jedem Kita-Team sein.
Bundesweit aber beobachten Experten einen gegenteiligen Trend: Weil in Krippen und Kindergärten das Personal fehlt, stellt man dort immer häufiger weniger qualifizierte Menschen ein. Auch in Bayern ist man zuletzt diesen Weg gegangen. Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) startete im Sommer 2022 ein Programm, um vermehrt auch Quereinsteiger in die Krippen zu holen. Sie können sich neben dem Job über drei Blöcke und insgesamt fünf Module weiterbilden: zur Helferin oder Kinderpflegerin und langfristig auch zur Erzieherin.
Aus Sicht der Ministerin ist das Programm ein Erfolg: 10 300 Seiteneinsteiger hätten sich inzwischen für die Arbeit in einer Kita begeistern lassen. Die meisten von ihnen Frauen über 40 mit eigenen Kindern. Viele hätten schon einen Berufsabschluss und wollten sich umorientieren, wie das Ministerium bei einer Expertenanhörung im Sozialausschuss im Frühjahr erläuterte.
Keine Frage, mehr Personal ist dringend nötig. Idealerweise sollte eine pädagogische Kraft nicht mehr als drei Krippenkinder oder 7,5 Kindergartenkinder betreuen, sagt Wissenschaftlerin Berg. Diesen Personalschlüssel schafften in Bayern nur 40 Prozent der Einrichtungen. In Baden-Württemberg immerhin 58 Prozent. Viele ostdeutsche Länder allerdings stehen beim Personalschlüssel noch schlechter da als Bayern. In Mecklenburg-Vorpommerns etwa sind die Gruppen fast immer größer. Den gewünschten Personalschlüssel erreichen dort nur fünf Prozent.
Zwischen Bedarf und Angebot an Kitaplätzen klafft eine große Lücke
Erzieher, Kinderpfleger und Aushilfskräfte braucht Bayern aber auch, um überhaupt erst mal alle Kinder betreuen zu können. In fast keinem Bundesland ist die Lücke zwischen Bedarf und Angebot an Kitaplätzen so groß wie in Bayern. Aber sollte man deshalb Abstriche bei der Ausbildung der Mitarbeiter machen? Ministerin Scharf musste für diesen Ansatz von Anfang an viel Kritik einstecken.
Auch am Dienstag mahnte etwa der Berufsverband für Lehrkräfte und Pädagogen KEG Bayern vor kurzfristig gedachten Lösungen. „Es ist unfassbar, dass die Belastung der Fachkräfte in den Kitas immer weiter steigt, gleichzeitig die Qualität der Ausbildung sinkt, um dem Personalmangel Herr zu werden“, sagte der Landesvorsitzende der KEG Bayern, Martin Goppel. Die Arbeit in der Kita würde dadurch nicht attraktiver, sondern man würde die wenigen Fachkräfte auch noch vertreiben.
Auch die Grünen plädierten für einen stärkeren Fokus auf die hoch qualifizierten Mitarbeiter: „Mehr Fachkräfte im Kita-Team sind wie ein Motor: Sie ziehen weitere Fachkräfte an und ermöglichen so mehr Kita-Plätze für unsere Jüngsten und deren Eltern“, sagte die Sprecherin für Arbeit der Landtags-Grünen, Eva Lettenbauer. Die Grünen fordern zudem deutlich höhere Zuschüsse für Kitas. Dadurch sollen bessere Arbeitsbedingungen für das Personal entstehen.
Die Ministerin wiederum verwies darauf, dass bereits zusätzliches Geld für die Kitas eingeplant sei. Die Staatsregierung hatte Mitte November beschlossen, das bayerische Familiengeld massiv zu kürzen. Statt über zwei Jahre bis zu 7500 Euro pro Kind erhalten Eltern künftig weniger als die Hälfte. Das frei werdende Geld soll nun in den Ausbau der Kitas fließen. Unklar ist allerdings bislang, wie genau die Mittel verteilt werden. „Mehr Plätze, mehr Qualität und mehr Personal – das brauchen Familien in der Kinderbetreuung“, sagte Familienministerin Scharf am Mittwoch. Man gebe deshalb jetzt mehr Geld ins System der Kinderbetreuung. Das komme insbesondere auch dem Kita-Personal zugute.
Um die Fachkraft-Quote zu erhöhen, hofft die Ministerin zudem, dass sich ein Teil der Quereinsteiger weiterbilden lässt. „Wir stärken die berufliche Weiterbildung“, sagt Scharf. Außerdem soll mehr ausgebildet werden: Bis 2028 sollen 200 weitere Studienplätze für Soziale Arbeit und Kindheitspädagogik entstehen.