Kultur in Bayern:Der Überlebenskampf der Kinos

Kultur in Bayern: Während der Corona-Pandemie mussten die Kinos zeitweise komplett schließen. Gerrit Zachrich aus Bamberg brachte damals an der Anzeigtetafel seines Odeonkinos in Bamberg den ironisch-sarkastischen Schriftzug "Wieder geschlossen. The Virus strikes back - Part II" an.

Während der Corona-Pandemie mussten die Kinos zeitweise komplett schließen. Gerrit Zachrich aus Bamberg brachte damals an der Anzeigtetafel seines Odeonkinos in Bamberg den ironisch-sarkastischen Schriftzug "Wieder geschlossen. The Virus strikes back - Part II" an.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Schon vor Corona schrumpften die Besucherzahlen. Jetzt leiden vor allem die kleinen Lichtspielhäuser, die ein besonders anspruchsvolles Programm anbieten wollen.

Von Simone Kamhuber

Eine Handvoll Menschen verliert sich im Saal. Samstagabend. Wie fettiges Popcorn gehört zum Filmerlebnis, dass die rot überzogenen Kinosessel allesamt belegt sind, dass bei Horrorfilmen kollektiv gezuckt, bei Schnulzen rechts und links geschnieft wird. Aber Markus Wenzl, Betreiber des "Kinop", Kino in Penzberg (Landkreis Weilheim-Schongau), ist schon froh, wenn die Besucherzahlen am Samstagabend in diesem Sommer zweistellig sind. Mit dem Gemeinschaftserlebnis ist es da nicht weit her.

"Es geht ums Überleben", sagt Wenzl über die Zukunft seines kleinen Filmtheaters mit zwei Sälen. Er hangelt sich finanziell von einem Film zum nächsten. Der Eberhofer Krimi "Guglhupfgeschwader" kommt im August in die Kinos. "Wenn der auch noch floppt, dann..." Wenzl verstummt am Ende des Telefonhörers.

Der Kinomarkt ist zwischen 2019 und 2021 um knapp zwei Drittel eingebrochen, von 20 Millionen verkauften Tickets in Bayern auf nur noch gut sieben Millionen. Viele bayerische Lichtspielhäuser haben sich mit den Corona-Hilfsgeldern über Wasser gehalten. Fast zwölf Monate waren die Kinos im Lockdown, in der zweiten Jahreshälfte 2021 durften sie zwar unter Auflagen wieder öffnen, aber selbst nach dem Wegfall der Maßnahmen im April kletterten die Besucherzahlen nicht wieder auf einen vorpandemischen Normalzustand. Gerade den kleinen Programmkinos in Bayern geht die Luft aus.

Sommerlöcher müssen die Kinos schon seit Jahren überstehen

Juli Marie Vesper betreibt vier Kinos in Passau, vom großen Cineplex am Nibelungenplatz bis zur prämierten Arthouse-Perle, dem Scharfrichterhaus in der Altstadt. "Sommerlöcher müssen die Kinos schon seit Jahren überstehen", sagt Vesper. Das Problem sei, dass "die Kultur jetzt seit zwei Wintern das Bauernopfer der Corona-Maßnahmen war".

Zeitweise galten Kapazitätsbeschränkungen auf 25 Prozent, die 2-G-Plus-Regelung und Maskenpflicht auf einmal für die Kinos. Das Scharfrichterhaus, ohnehin schon ein kleiner Saal, sei unter diesen Bedingungen nicht zu betreiben gewesen. Nach den enormen Umsatzverlusten der letzten Jahre könnten gerade die kleineren Kinos auf keine Rücklagen mehr zurückgreifen. Die Besucher kehrten sehr zögerlich zurück, auch jetzt im Sommer verzeichneten ihre Kinos Verluste von 35 Prozent im Vergleich zu 2019.

Kultur in Bayern: In der Corona-Pandemie blieben viele Kinosäle komplett leer. Jetzt kommen die Besucher nur sehr zögerlich wieder.

In der Corona-Pandemie blieben viele Kinosäle komplett leer. Jetzt kommen die Besucher nur sehr zögerlich wieder.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Viele Programmkinos haben sich über Jahrzehnte dem Arthouse-Sektor verschrieben. Weil Blockbuster mehr Geld einbringen, drängt sie die finanzielle Not nun in den Mainstream. Diana Linz betreibt mit Gerrit Zachrich das Lichtspiel und das Odeon in Bamberg. "Bei den Ansprüchen von Blockbuster-Verleihern geht es um die Verdrängung von Arthouse", sagt Linz. Die Blockbuster müssten oft drei bis vier Wochen am Stück, im größten Saal und am besten den ganzen Tag gezeigt werden.

Ende Juni feierte das Lichtspiel Kino das Charles-Bukowski-Festival, anlässlich des 100. Geburtstags des Poeten. Dokus und Filme wurden gezeigt, die Tochter des Dichters reiste aus den USA an und Diana Linz servierte den Gästen Bukowskis Lieblingsdrink: Vodka 7. Solche Events sind es, die der Kinobetreiberin Spaß machen. Nicht das Abspielen von Blockbustern in Dauerschleife.

Im Odeon und im Lichtspiel sei die Auslastung niedriger als in den Vorjahren. Im Sommer 2021 habe es Leute in einer spürbaren Solidaritätswelle zurück in die Kinos geschwemmt, von der sei heuer nichts übrig. "Es ist eine andere Grundstimmung. Die Leute denken an den Krieg und ans Sparen, aber nicht an die Kinos." Mit kleinen Zusatzangeboten wie dem Kinderkino vom Lichtspiel oder Open-Air-Kino in Penzberg versuchen die kleinen Filmtheater sich in einen, so hoffen sie, Corona-Maßnahmen freien Kino-Winter zu retten. Bevor das Lichtspiel auf ein reines Blockbusterprogramm umsteigt, würde Diana Linz das Kino schließen. An dem Punkt seien sie aber noch nicht.

Nach 80 Jahren musste in Donauwörth ein Familienbetrieb schließen

Eben dieses Schicksal hat im April das Cinedrom in Donauwörth (Landkreis Donau-Ries) ereilt. Nach 80 Jahren Familienbetrieb musste die Inhaberin Prisca Färber das Kino schließen. Auf Instagram begründet sie das Ende mit finanziellen Problemen durch die Pandemie und einen Wasserschaden. Außerdem würden die Filmverleiher die Streamingdienste und Kinos teilweise gleichzeitig beliefern, "die Gesamtlage hat sich komplett verändert", schreibt Färber.

Die Folgen der Pandemie für die Branche und notwendige Gegenstrategien zeigt eine Studie der Kinoverbände HDF Kino und AG Kino-Gilde von Anfang Juli auf. 40 Prozent der Kinos mussten anstehende Investitionen in der Pandemie verschieben. Damit die Branche in Sachen Technik, Komfort und Ambiente zukunftsfähig bleibe, müssten 375 Millionen Euro investiert werden. Ohne Förderprogramme und bessere politische Rahmenbedingungen könnten die geschwächten Betreiber das nicht stemmen.

Auf die Hilfsgelder waren in den letzten Jahren alle angewiesen, ob Nischen-Kino oder das Cinecitta in Nürnberg. Knapp 5000 Plätze in 23 Sälen fasst das Multiplex. "Uns gibt es immer noch, aber nur dank der Hilfen des Freistaats und des Wirtschaftsministeriums", sagt Geschäftsführer Wolfram Weber. Im zweitgrößten Kino Deutschlands habe sich die Lage wieder stabilisiert. Zu mehr als 80 Prozent seien die Säle im April ausgelastet gewesen, und für die warmen Monate seien es aktuell normale Besucherzahlen. An einem guten Sommerabend gehen im Cinecitta 6000 Tickets über den Tresen, im Winter schon mal bis zu 10 000. "Die Aussichten sind gut und die Blockbuster auch", sagt Weber. Den direkten Vergleich zu den Schwachen der Branche sieht Weber ebenfalls. Er leitet auch die Programmkinos Meisengeige und Metropolis in Nürnberg, da kämen die Besucher nur sehr zaghaft zurück.

Ob die Kinos eine aussterbende Spezies sind, war auch schon vor der Pandemie Thema. Doch bei allem Pessimismus verlieren einige Betreiber nicht die Hoffnung. "Das Kino ist und bleibt die PR-Maschine", sagt Weber. "Filme nur über Streamingdienste zu promoten, wird nicht funktionieren." Die Familie Vesper aus Passau betreibt seit 1927 Kinos in Niederbayern. "Als der Farbfernseher erfunden wurde, hieß es, das Kino sei tot", sagt Juli Marie Vesper. "Dann kamen Videokassetten und DVDs. Wieder hieß es, das Kino sei tot. Jetzt sind es die Streamingdienste. Es geht eben um das ganze Gemeinschaftserlebnis. Und das wird wieder zurückkommen."

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