Süddeutsche Zeitung

Umfrage in Bayerns Bistümern:Mehr als 200 neue Hinweise auf Missbrauch

Mindestens zehn Verfahren sind derzeit bei Staatsanwaltschaften im Freistaat anhängig, darunter mit drei die meisten bei der Staatsanwaltschaft Würzburg.

Seit Veröffentlichung der MHG-Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche sind in Bayern schon rund 200 neue Hinweise auf mögliche weitere Fälle eingegangen. Allein bei den sieben Bistümern waren es mindestens 205, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Mindestens zehn Verfahren sind derzeit bei Staatsanwaltschaften im Freistaat anhängig, darunter mit drei die meisten bei der Staatsanwaltschaft Würzburg. Beim größten bayerischen Bistum, dem Erzbistum München und Freising, gingen nach Angaben eines Sprechers seit Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie rund 130 neue Meldungen ein.

Die Hinweise betrafen den Angaben zufolge allerdings nicht nur den Personenkreis, der in der MHG-Studie berücksichtigt wurde, also Kleriker, Diakone und Ordensleute, sondern auch Pädagogen, Lehrer oder Ehrenamtliche. "Die allermeisten Hinweise bezogen sich auf Grenzverletzungen, die unter der Schwelle der Strafbarkeit lagen, also nicht sexuellen Missbrauch im strafrechtlichen Sinn betrafen", betonte der Bistums-Sprecher.

Bei 36 dieser 130 Meldungen lag der mutmaßliche Tatzeitpunkt sogar noch nach der Veröffentlichung der Studie im Herbst 2018. In zehn der Fälle konnte nicht ausgeschlossen werden, dass eine Straftat nach weltlichem Recht vorlag. Das Erzbischöfliche Ordinariat hat in zwei Fällen Strafanzeige erstattet.

Im Herbst 2018 hatte die katholische Kirche die sogenannte MHG-Studie und damit Zahlen zu sexuellem Missbrauch öffentlich gemacht. Sie ist benannt nach den Orten der Universitäten des Forschungskonsortiums: Mannheim, Heidelberg und Gießen. Der Studie zufolge sind bundesweit in den Personalakten von 1946 bis 2014 insgesamt 1670 Kleriker wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt worden. Es gab 3677 Opfer. 2020 machten die Ordensgemeinschaften öffentlich, dass sich bei ihnen weitere 1412 Betroffene gemeldet haben.

"Wir reden also von mindestens 5089 Opfern, die der Kirche bekannt sind", sagte Matthias Katsch von der Initiative Eckiger Tisch. Vor gut zwei Wochen hatte der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, dem Papst seinen Rücktritt angeboten, um strukturelle Verantwortung zu übernehmen. Papst Franziskus lehnte das Angebot ab.

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SZ vom 21.06.2021/dpa/infu
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