Journalismus und Zeitgeschichte:Eine Lederhose voller Geschichten

Journalismus und Zeitgeschichte: Karl Stankiewitz mit seiner Lederhose, die er 1948 vom sogenannten Kopfgeld in München gekauft hat. Sie begleitete ihn sein ganzes Berufsleben lang.

Karl Stankiewitz mit seiner Lederhose, die er 1948 vom sogenannten Kopfgeld in München gekauft hat. Sie begleitete ihn sein ganzes Berufsleben lang.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der 94-jährige Reporter Karl Stankiewitz vermacht seine Lederhose von 1948 dem Haus der Bayerischen Geschichte. Dort schmückt das geschichtsträchtige Stück jetzt eine Dauerausstellung.

Von Hans Kratzer, Regensburg

Einen Journalisten, der bereits am 20. Juni 1948 live über die Währungsreform berichtet hat und bis heute tätig ist, dürfte man normalerweise nicht mehr finden. Einen aber gibt es tatsächlich noch, er selbst hat sich vor Kurzem noch als "ältesten aktiven Lokalreporter Deutschlands" bezeichnet. Allerdings fällt es Karl Stankiewitz mittlerweile immer schwerer, Texte zu verfassen, denn zuletzt hat sein Augenlicht stark nachgelassen.

Das hinderte ihn freilich nicht, am Donnerstag in das Haus der Bayerischen Geschichte nach Regensburg zu reisen, wo ihm zu seinem 94. Geburtstag eine besondere Würdigung zuteil wurde. Das Museum präsentiert nun in seiner Dauerausstellung, Abteilung Nachkriegszeit, in einer eigenen Vitrine jene legendäre Lederhose, die lange Zeit Stankiewitz' Markenzeichen war.

Viele Weggefährten und Verleger, mit denen Stankiewitz zusammengearbeitet hat, kamen nach Regensburg, um zusammen mit dem Jubilar diesen denkwürdigen Moment der Musealisierung seiner Lederhose zu feiern. Marc Spohr und Wolfgang Reinicke, Kuratoren des Hauses der Bayerischen Geschichte, sprachen von einem "Highlight-Exponat".

Es klebt jede Menge Zeitgeschichte an dieser hellen Hose, die damals aus ungarischem Pferdeleder gefertigt wurde. Als Volontär der Süddeutschen Zeitung habe er 1948 die 40 Mark "Kopfquote" in Empfang genommen, dazu sein erstes Gehalt draufgelegt und für die Riesensumme von 80 Mark in einem heute noch existierenden Laden an der Heilig-Geist-Kirche in München das edle Stück erworben. Der junge Stankiewitz tätigte diesen Kauf sehr bewusst: "Ich erinnerte mich an die Erzählungen meiner Eltern von der Inflation 1923, dass da alles Geld weg war und nur diejenigen, die Häuser hatten oder Wertgegenstände, einigermaßen davongekommen sind. Ich dachte mir, eine Lederhose ist vielleicht auch ein Wertgegenstand und ein nützlicher noch dazu."

Mehr als 10 000 Artikel und Aufsätze sowie 38 Bücher hat Stankiewitz in seinen 75 Reporterjahren verfasst

Das Reporter-Gen habe er schon als Schüler im Blut gehabt, erzählte der Jubilar, der oft nah dran war an den großen Weltereignissen. Am 7. Oktober 1947 veröffentlichte er in der SZ seine erste Meldung. "Die Themen liegen auf der Straße. Sie brauchen sich nur zu bücken", empfahl ihm der damalige Verleger Werner Friedmann. Und Sigi Sommer, sein Kollege bei der Abendzeitung, riet ihm: "Schreibst halt jeden Tag a Verserl!" Reportagereisen führten ihn in mehr als 60 Länder, aus denen er Dutzende Zeitungen mit Berichten versorgte.

Geschichte, Kultur und Politik in München und Bayern gehörten zu den Spezialthemen von Stankiewitz. Aus seinen Texten erfährt man beispielsweise Interessantes über die Preissprünge nach der Währungsreform, die verärgerte Hausfrauen veranlassten, auf dem Viktualienmarkt Eier aus den Kisten zu greifen und sie den flüchtenden Standlfrauen nachzuwerfen. Als Reisejournalist arbeitete er unter anderem für die Magazine Spiegel und Stern. Mehr als 10 000 Artikel und Aufsätze sowie 38 Bücher hat Stankiewitz in seinen 75 Reporterjahren verfasst.

Seinen wachen Geist hat er sich bis heute bewahrt, auch wenn Hör- und Sehkraft nachgelassen haben. Zuletzt habe er, wie er in Regensburg erzählte, eine Glosse über den Begriff Smash verfasst, der gerade zum Jugendwort des Jahres gewählt wurde. "So ein Blödsinn!", merkte der Anglizismus-Kritiker Stankiewitz dazu an. Ob es ihn freue, dass heute so viele junge Männer Lederhosen trügen? "Das kommt mir eher wie eine Uniformierung vor", sagte er. "Heute würde ich keine mehr anziehen."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusSprache und Dialekt
:Wie Sie Bairisch sprechen, ohne sich zu blamieren

Die süddeutschen Dialekte klingen oft melodischer als die nördlichen Varianten des Deutschen. Wer sie richtig anwenden will, muss aber sehr aufpassen, nicht in eine sprachliche Falle zu tappen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: