Agrarpolitik:Bayerns Landwirtschaftsministerin legt sich mit Bauern an

Agrarpolitik: Michaela Kaniber 2019 in Tankham. Am Donnerstag verkündete sie im Landtag den "Einstieg in den Ausstieg aus der Anbindehaltung".

Michaela Kaniber 2019 in Tankham. Am Donnerstag verkündete sie im Landtag den "Einstieg in den Ausstieg aus der Anbindehaltung".

(Foto: Renate Schmidt)

In ihrer ersten Regierungserklärung bezieht Michaela Kaniber (CSU) klar Position in Tierschutzfragen. Dafür gibt es Lob aus der Opposition.

Von Christian Sebald

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) ist bekannt dafür, dass sie keine Auseinandersetzung scheut. Als unlängst Biobauern, Umweltverbände und Imker vor der Staatskanzlei für eine grundsätzliche Wende in der Agrarpolitik des Freistaats demonstrierten, stieß sie unvermutet zu der Versammlung und debattierte mit den Demonstranten über Ökolandbau, Artensterben und andere Reizthemen für die Bauern.

An diesem Donnerstag packt Kaniber erneut zwei extrem umstrittene Themen an. Vor dem Plenum im Landtag und im Beisein von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verkündet sie, dass sie ein rasches Ende der Anbindehaltung von Kühen durchsetzen und außerdem die höchst umstrittenen Rinder-Exporte aus Bayern nach Nordafrika oder Zentralasien nicht länger dulden will.

"Wir brauchen den Ausstieg aus der Anbindehaltung und zwar so schnell wie möglich", ruft Kaniber den Abgeordneten zu. "Der heutige Tag ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Anbindehaltung." Wenige Sätze später - die meisten Abgeordneten machen nicht den Eindruck, als hätten sie bereits die Tragweite von Kanibers erster Ankündigung erfasst - folgt die zweite Ansage. "Tiertransporte über Tausende Kilometer hinweg nach Marokko oder Kasachstan sind weder ethisch noch moralisch vertretbar", erklärt Kaniber. "Das wollen wir unseren Tieren nicht mehr antun. Daher wollen wir den Ausstieg aus Exporten von Tieren in Drittstaaten." So deutlich wie Kaniber hat sich noch kein CSU-Agrarpolitiker und schon gar kein Agrarminister bisher gegen die Anbindehaltung und gegen die Rinder-Exporte positioniert.

Seit 2018 ist Kaniber bayerische Agrarministerin, die Regierungserklärung am Donnerstag, die den Titel "Landwirtschaft 2030: nachhaltig, smart, fair" trägt, ist ihre erste. Der Grund: Die Corona-Pandemie hat auch die Landwirtschaft aus dem Blickfeld von Öffentlichkeit und Politik gerückt. In ihrer Regierungserklärung zeigt Kaniber nun, dass sie angekommen ist in der Agrarpolitik.

Das ist nicht selbstverständlich. Denn Kaniber, 43 und aus dem Berchtesgadener Land, ist Seiteneinsteigerin. Die gelernte Steuerfachangestellte gehörte bis zu ihrer überraschenden Berufung ins Ministeramt dem Sozial- und dem Wissenschaftsausschuss an und führte dort ein eher stilles Dasein. Spötter schrieben ihren rasanten Aufstieg seinerzeit vor allem ihrem guten Draht zu Söder zu. Den hat sie nach wie vor, sie zählt zu den engsten Vertrauten des Ministerpräsidenten.

Inzwischen gilt Kaniber auch in komplizierten Details des EU-Förderrechts und anderen schwierigen Agrarthemen als sattelfest. Und man sagt ihr nach, dass sie eine harte Verhandlerin ist - auch gegenüber dem Bauernverband, aus dessen Sicht Agrarminister, zumal von der CSU, vor allem getreue Gefolgsleute sein sollten.

Nun also hat sich Kaniber die Anbindehaltung und die Tiertransporte vorgenommen. Beides sind Themen, über die kein Landwirt und schon gar kein Bauernverbandsfunktionär gerne spricht. Die Anbindehaltung betrifft die Milchkühe, die Tiere werden dabei in den Ställen in engen Boxen gehalten und mit einer Kette oder anderen Vorrichtung am Hals fixiert, sodass sie sich kaum bewegen, geschweige denn umdrehen oder gar durch den Stall laufen können. Die Kühe stehen oder liegen also den ganzen Tag in ihrem Stand, sie werden auch in ihm gefüttert und gemolken. Tierschützer prangern die Anbindehaltung denn auch seit vielen Jahren als schlimme Tierquälerei an und fordern ihr Verbot. Doch in Bayern ist sie noch weit verbreitet. Auf 14 000 Bauernhöfen, das ist etwa die Hälfte der Milchviehbetriebe, leben die Kühe in Anbindehaltung.

Die Rinder-Exporte nach Zentralasien, Nordafrika und in den Nahen Osten sind nicht minder umstritten. Die Tiere müssen auf den Lastwagen tagelang Kälte oder Hitze erdulden, sie sind auf engstem Raum eingepfercht und bekommen zu wenig zu trinken und zu fressen. An den Zielorten werden sie früher oder später meist grausam geschlachtet. Deshalb weigern sich immer wieder Amtstierärzte, die Papiere für solche Transporte auszustellen.

Kanibers Kabinettskollege, Umweltminister Thorsten Glauber (FW), der auch für den Tierschutz zuständig ist, ist ebenfalls ein strikter Gegner der Exporte. Er hat eine Negativliste mit 18 Drittstaaten herausgegeben, in die aus Tierschutzgründen von Bayern aus keine Rinder mehr exportiert werden dürfen. Dennoch finden die Rinder-Zuchtverbände im Freistaat und die Exportfirmen bisher immer wieder rechtliche Möglichkeiten, die Ausfuhren fortzusetzen.

Wie man das von einer Regierungserklärung erwarten darf, spricht Kaniber an diesem Donnerstag natürlich noch viele andere Themen an. So geht es um Förderprogramme, die sie neu auflegen will, den Ausbau der Regionalvermarktung und das Ziel, den Anteil der Biobauern in Bayern bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen, was ein durchaus ehrgeiziges Unterfangen ist. Die Ministerin bekennt sich abermals zu dem Versprechen, den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln um die Hälfte zu reduzieren. Sie will sich für mehr Klimaschutz einsetzen, aber auch die Artenvielfalt voranbringen.

Für ihre vielen Ziele fährt Kaniber am Ende sogar Lob von der Opposition ein. "Ich freue mich sehr, dass die Ministerin alle unsere grünen Ideen aufgenommen hat", sagt die Grünen-Abgeordnete und Biobäuerin Gisela Sengl, die aus der gleichen Gegend wie Kaniber kommt und sie seit Langem kennt. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann dagegen übt scharfe Kritik. "Wie konnte es nur so weit kommen, dass die Bauern jetzt in einem Agrarsystem gefangen sind, in dem sie kaum noch eine Zukunft sehen?", fragt er. Aus seiner Sicht ist die CSU dafür verantwortlich, denn die Partei habe stets und auf allen politischen Ebenen den Grundsatz "Wachsen oder Weichen" vertreten.

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