Süddeutsche Zeitung

Politik in Bayern:Der Minister, der lieber Landrat sein will

  • Bayerns Bauminister Hans Reichhart (CSU) kündigt einen Wechsel in die Kommunalpolitik an.
  • Der 37-jährige Jurist will kommendes Jahr Landrat im schwäbischen Günzburg werden.
  • Über seine Nachfolge im Kabinett will der Ministerpräsident erst nächstes Jahr entscheiden.

Von Wolfgang Wittl

Ministerpräsident Markus Söder wird demnächst womöglich sein Kabinett umbilden müssen. Bau- und Verkehrsminister Hans Reichhart hat am Montag völlig überraschend erklärt, dass er für die CSU bei den Kommunalwahlen im März als Landrat in Günzburg antreten wird.

Mit erst 37 Jahren gilt Reichhart als eines der wenigen großen landespolitischen Talente der CSU. Obwohl er bei den Landtagswahlen vor einem Jahr den erneuten Einzug über die Liste verpasst hatte, hat Söder ihn ohne Mandat in sein Kabinett berufen. Als Minister für Bau, Wohnen und Verkehr sollte der junge Jurist für den Generationswechsel in der CSU stehen. Reichhart war zu diesem Zeitpunkt Chef der bayerischen Jungen Union, dieses Amt hat er kürzlich nach sechs Jahren abgegeben. Dem ersten Kabinett Söders hatte er als Staatssekretär im Finanzministerium angehört.

Reichhart begründet seine Kandidatur mit den Worten: "In vielen Begegnungen und Gesprächen wurde ich in den vergangenen Monaten darauf angesprochen, ob ich bereit wäre, mich um das Amt des Landrats in Nachfolge von Hubert Hafner zu bewerben." Seine Heimat liege ihm "besonders am Herzen". Offenbar war der Druck so groß auf den Minister geworden, dass er sich ihm nicht mehr entziehen konnte. Reichhart ist seit fünf Jahren CSU-Fraktionsvorsitzender im Günzburger Kreistag. Parteifreunde hatten ihn fest als Landratskandidaten eingeplant, ehe Söder ihn zum Minister berief. Der Ministerpräsident bedauerte Reichharts Entschluss: "Das ist schade", twitterte Söder, Reichhart habe als Minister "eine Menge vorangebracht". Er habe aber Verständnis, dass Reichhart sich der Verantwortung zu Hause stelle.

Söder war offenbar bereits seit Tagen informiert, die Partei traf die Nachricht unvorbereitet. Auf die Schnelle vermochte sich niemand zu erinnern, dass ein amtierender Minister - noch dazu in diesem Alter - je seinen Job für ein kommunales Amt aufs Spiel gesetzt hätte, zumal es für eine Region kein Schaden ist, mit einem Anwalt für lokale Interessen im Kabinett vertreten zu sein.

Dem gut vernetzten Reichhart waren bereits Chancen eingeräumt worden, dem schwäbischen CSU-Chef Markus Ferber eines Tages als Bezirksvorsitzender nachzufolgen. Auch das Direktmandat in Günzburg wäre bei der nächsten Landtagswahl zum Greifen nahe gewesen. Womöglich wären derlei Ambitionen mit den Zielen des derzeitigen Abgeordneten und CSU-Kreischefs Alfred Sauter kollidiert. Der frühere Justizminister, 69, hatte schon bei der Landtagswahl 2018 keine Bereitschaft gezeigt, sein Mandat zugunsten des jüngeren Reichhart aufzugeben.

FDP-Landtagsfraktionschef Martin Hagen forderte am Montag Reichharts sofortigen Rückzug. "Ein halbes Jahr Wahlkampf statt Baupolitik - das kann sich Bayern nicht leisten." Söder sagte, eine mögliche Nachfolge Reichharts werde "erst im neuen Jahr entschieden". Trotzdem setzten in der CSU erste Spekulationen ein, welche Politiker aus Schwaben Reichhart beerben könnten. Genannt wurden der Landtagsabgeordnete Klaus Holetschek, der Augsburger Landrat Martin Sailer sowie Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl, der bei der Kommunalwahl 2020 nicht mehr antritt. Ein Gegner Reichharts steht bereits fest: Auch der grüne Landtagsabgeordnete Maximilian Deisenhofer, 32, will Günzburger Landrat werden.

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SZ vom 17.09.2019/sim
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