Personalmangel:Eine Bankrotterklärung der bayerischen Justiz

Ein geplanter Bombenangriff auf eine Asylunterkunft, Wahlmanipulation und Sozialversicherungsbetrug - drei Verdachtsfälle, denen die Gerichte über Jahre hinweg nicht nachgehen. Der Grund dafür ist aberwitzig.

Kommentar von Olaf Przybilla

In den vergangenen Monaten war an dieser Stelle des Öfteren von verschleppten Verfahren in der bayerischen Justiz die Rede. Es geht da um Verzögerungen, die mehr als nur ratlos machen.

Sie machen zornig. Im Bamberg wurde 2015 eine Truppe ausgehoben, von der die Staatsanwaltschaft überzeugt war, dass sie eine Asylunterkunft angreifen wollte. Es waren Kugelbomben und Hakenkreuzfahnen gefunden worden. Die Verdächtigen kamen in Untersuchungshaft, danach unter Auflagen wieder auf freien Fuß. Der Prozess gegen die Crew-Mitglieder begann erst drei Jahre, nachdem die Truppe aufgeflogen war. Für Asylbewerber und Asylhelfer bedeutete das: drei Jahre lang Angst.

Kürzlich hat das Landgericht Regensburg die weiße Fahne gehisst. Die Hauptverhandlung in der Causa Geiselhöringer Kommunalwahl musste abgesetzt werden. Es geht um Manipulationsvorwürfe - aus dem Jahr 2014! Sinngemäße Begründung der Regensburger Justiz: Sie kann nicht mehr. Man habe große Verfahren zu bewältigen, es fehlen 18 Richter. Ganz ähnlich hatten sich zuvor bereits die Bamberger Richter gerechtfertigt.

Sind das nur Vorwände, Einzelfälle? Sicher nicht. Der Mangel an juristischem Personal ist ein gesamtbayerisches Phänomen. Wie ein weiterer Fall belegt.

Im Juni 2016 wurde bekannt, dass gegen Verantwortliche der Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel wegen des Verdachts von Sozialversicherungsbetrug ermittelt wird. Im Mai 2018 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage, unter anderem gegen den ehemaligen Intendanten Michael Lerchenberg. Er steht seither im Verdacht, mitverantwortlich zu sein, dass Krankenkassen in zahlreichen Fällen Sozialversicherungsbeiträge von Festspielmitarbeitern vorenthalten wurden.

Das ist nun 18 Monate her. Wer sich aber beim Gericht in Hof erkundigt, bekommt sinngemäß zur Antwort, man sei in etwa genauso weit wie vor 18 Monaten. Ob die Anklage zugelassen wird - unklar.

Es ist also weiter komplett offen, ob Lerchenberg ein strafwürdiges Verhalten nachzuweisen sein wird. Aber er steht nun seit dreieinhalb Jahren - und offenbar noch für unbestimmte Zeit - in der Öffentlichkeit als potenzieller Rechtsbrecher da. Es tut sich nichts, weil es der Justiz an Personal fehlt. Das ist unerträglich.

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