Justiz:Verdacht auf manipulierte Berichterstattung aus Gefängnis

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Verdacht auf manipulierte Berichterstattung in der JVA Aichach (Archivbild) (Foto: dpa)

Die Landtags-Grünen gehen dem Verdacht nach, dass die JVA Aichach einen kritischen Zeitungsbericht konterkarieren wollte. Die Bediensteten dort widersprechen dem.

Von Dietrich Mittler

Die Berichterstattung einer bundesweit erscheinenden Häftlingszeitung zur Lage in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aichach wird demnächst den Bayerischen Landtag beschäftigen. Insbesondere geht es dabei darum, ob die Haftanstalt möglicherweise zweifelhafte Schritte unternahm, um einen kritischen Bericht zu konterkarieren. So etwa steht die Frage im Raum, ob zu diesem Zweck auch Unterschriften gefälscht wurden. Die Landtags-Grünen wollen die Angelegenheit nun aufgreifen - die bereits eingereichten Anfragen liegen der SZ vor.

Der Hintergrund: In der JVA Aichach erregten die strengen Corona-Auflagen bei einigen Frauen auf dem Höhepunkt der Corona-Krise offenbar Unmut. Zum Beispiel sei die Kontaktförderung zu den Familien "nur unzureichend betrieben" worden. Psychologischer Beistand sei auf der Strecke geblieben. Davon erfuhr die Häftlingszeitung der lichtblick und veröffentlichte einen ausführlichen Artikel. In der Folge bekam die in der JVA Tegel einsitzende Redaktion Post. Zunächst kamen Anfang Juli aus Aichach jene Hefte zurück, die den kritischen Beitrag enthielten - mit dem Hinweis, die Adressatinnen seien in der JVA nicht ermittelbar. Dabei saßen die Frauen nach wie vor dort ein.

Der Unterschriftenvergleich zeigte Unstimmigkeiten

Es folgten zwei Schreiben mit Dementis zum Artikelinhalt, eines davon versehen mit einer Unterschriften-Liste. Was aber jedes Mal fehlte: der Absender. "Ohne den geht so ein Schreiben aus einer JVA gar nicht raus", sagt Andreas Bach, der Sprecher der Redaktionsgemeinschaft, am Telefon. Ihm und seinen Kollegen kam das verdächtig vor: Sie verglichen die Unterschriften auf der Liste mit jenen Schriftbildern, die sie auf anderen Briefen aus der JVA Aichach vorgefunden hatten. Immer wieder hatten sich nämlich Frauen von dort beim lichtblick auf Kontaktanzeigen zur Aufnahme von Brieffreundschaften gemeldet. Der Vergleich ergab zum Teil sehr unterschiedliche Schriftzüge. Die Redaktion von der lichtblick suchte folglich den Kontakt zu Bayerns Landtags-Grünen.

"Das gehört aufgeklärt. Wir bohren nach", sagt Toni Schuberl, der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Dabei geht es auch um die Haftbedingungen in der Corona-Krise. So will Schuberl wissen, ob und in welcher Weise die Frauen einen Ausgleich dafür erhielten, dass ihre Arbeitsmöglichkeiten in Haft bedingt durch die Pandemie wegbrachen. "Das Staatsministerium der Justiz hat angekündigt, das solle weitestgehend ausgeglichen werden", betont Schuberl. In der lichtblick heißt es aber zu Aichach: "Eine Lohnfortzahlung gab es nicht."

Weitere Fragen von Schuberl zielen darauf ab, ob die Protestbriefe an die Redaktion tatsächlich von inhaftierten Frauen in Aichach verfasst wurden. Zur Frage steht auch, ob womöglich JVA-Bedienstete die Gefangenen gebeten haben, sich schriftlich an die Redaktion von der lichtblick zu wenden. In den Briefen werden der Redaktion in Tegel kräftig die Leviten gelesen. Im ersten Schreiben vom 11. Juli heißt es etwa, "einen Artikel über zu kleine, doppelbelegte Hafträume zu schreiben, ist Schwachsinn". Redaktionssprecher Andreas Bach glaubt jedoch, dass dieses Schreiben manipuliert ist.

Der Absender müsse für den Empfänger erkennbar sein

Nicht weniger deutlich ist der handschriftlich verfasste Brief vom 18. Juli. "Viele inhaftierte Frauen aus Aichach haben mit Empörung und Verwunderung Ihren Artikel wahrgenommen", steht da. Die Corona-bedingten Einschränkungen seien längst weniger geworden. Und: "Das Bemühen der Beamten und des Sozialdienstes in diesem Haus geht in der Regel über das Maß der Verpflichtungen hinaus." Angehängt an diesen Brief findet sich eine Unterschriften-Liste mit mehr als 50 Namen von inhaftierten Frauen. Mittlerweile, so Bach, sei ihm aus der JVA Aichach ein Brief zugespielt worden, der die von der Redaktion beschriebenen Zustände bestätige. In der im Dezember erscheinenden Ausgabe werde dieser abgedruckt. Darin heißt es: "Schikane und Repression, zwei Worte, die das widerspiegeln, was hinter diesen Mauern wirklich passiert."

Bach fragt sich aber immer noch: Wie konnten die Protestschreiben aus Aichach ohne Absender zu ihm gelangen? Das Justizministerium erklärt dazu: "Bei ausgehenden Briefen von Gefangenen der JVA Aichach muss der Absender für den Empfänger erkennbar sein." Das bedeute aber nicht, "dass der Absender außen auf dem Briefumschlag vermerkt sein muss". Und was die Herkunft der Protestbriefe betreffe: Die seien "nach den uns vorliegenden Informationen" von inhaftierten Frauen verfasst worden. Vor Absendung seien sie "einer Bediensteten gezeigt" worden.

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Den Vorwurf, auf Gefangene eingewirkt zu haben, damit die Frauen der lichtblick-Darstellung widersprechen, weisen die Aichacher JVA-Bediensteten laut Ministerium zurück. Ebenso sei niemand aufgefordert worden, auf der Liste zu unterschreiben. "Was mich schon verwundert", sagt indes Toni Schuberl, "ist die Tatsache, dass eine der Frauen per Unterschrift die lichtblick-Darstellungen als fehlerhaft bezeichnet haben soll, obwohl ihr das Heft zum damaligen Zeitpunkt gar nicht vorlag." Sie gehört zu jenen, deren Abo-Exemplar Anfang Juli von der JVA Aichach zurückgeschickt worden war.

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