Digitalisierung:Eine Schnittstelle gegen digitale Kleinstaaterei

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Die Kommunalverwaltungen sollen digitaler werden - wieder einmal. Nun geht es um den Aufbau eines zentralen IT-Dienstleisters. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Bayerns Verwaltung ist digitaler geworden – aber nicht unbedingt bürokratieärmer: Viele Kommunen nutzen eigene Systeme. Nun plant das Finanzministerium den Aufbau eines zentralen IT-Dienstleisters.

Von Maximilian Gerl, Nürnberg/München

Amt - das klingt nach Ordner, Aktenzeichen und Paragrafen. Und nach „Wildwuchs“: Als solchen titulierte mal ein Vertreter des Gemeindetags den Zustand der digitalen Verwaltung in Bayern. Denn für viele Behördenangelegenheiten sind die Kommunen zuständig – doch was sich in Gemeinde A im Netz erledigen lässt, funktioniert in Stadt B online ganz anders und erfordert in Ort C weiter den Gang ins Rathaus. Diesen Flickenteppich möchte die Staatsregierung nun entschlacken: unter anderem mit einem einheitlichen IT-Dienstleister, der die Digitalisierung der kommunalen Verwaltung vorantreiben soll. „Ab jetzt bauen wir Bayerns Kommunen gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden flächendeckend zu volldigitalen Ämtern aus“, teilte Finanzminister Albert Füracker (CSU) dieser Tage mit. Ob bei der Baugenehmigung oder der Wohnsitzanmeldung, künftig solle die Kommunikation vom Erstantrag bis zum finalen Bescheid „online, schnell und bürokratiearm“ erfolgen.

Damit hat man sich in der Staatsregierung ein hohes Ziel gesteckt. Andere Staaten machen längst vor, wie der Umgang mit Verwaltungsvorschriften, Formularen und Behördenkorrespondenz auch aussehen kann. Zugleich hat die Bürokratie hierzulande ein Maß erreicht, das vor allem Unternehmen als überbordend empfinden. Erst im November urteilte eine Studie des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo: „Würde Deutschland bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung auf das Niveau von Dänemark aufschließen, wäre die Wirtschaftsleistung um 96 Milliarden Euro pro Jahr höher.“

Innerhalb des Bundes gilt Bayern zwar bei der Digitalisierung als gut aufgestellt. Up to date ist man deshalb nicht unbedingt. Ein Grund, stark vereinfacht: der Föderalismus und die kommunale Selbstverwaltung. Auch mangels Alternativen mussten die Gemeinden, Landkreise und Städte lange selbst Software entwickeln oder einkaufen, ganz nach Bedürfnis und Vermögen. Daraus ist eine Sammlung von Systemen entstanden, die sich von Kommune zu Kommune unterscheiden und teils inkompatibel sind.

Zu viele Einzellösungen, zu hohe Kosten

Die vielen Insellösungen gelten auch dem Finanzministerium auf Dauer als potenziell „zu kostspielig, unsicher und personalintensiv“. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden sollte deshalb eine „Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0“ Wege zu einer digitaleren und einheitlicheren Verwaltung identifizieren. Ergebnisse waren ursprünglich für Ende 2024 angekündigt worden. Nun heißt es, man habe mehr als 60 Maßnahmen identifiziert. Als deren wichtigste gilt der Aufbau des eigenen IT-Dienstleisters bis Ende 2025. Er soll dann den Kommunen bestimmte Anwendungen zentral bereitstellen. Die Details befinden sich in Ausarbeitung, dazu weitere Maßnahmen. So ist angedacht, auch die Kommunikation zwischen den Ämtern zu verbessern.

Vieles bleibt deshalb vorerst unklar, etwa, wie sich die neuen Pläne mit den alten fügen sollen. Denn eigentlich gibt es schon ein paar zentral bereit gestellte Anwendungen: die BayernPackages. Dabei handelt es sich um eine Auswahl von Online-Diensten, die Kommunen freiwillig einführen können. Für dieses Angebot ist jedoch nicht das Finanzministerium von CSU-Mann Füracker zuständig, sondern das Digitalministerium unter FW-Politiker Fabian Mehring. Von dort heißt es, mit den BayernPackages erreiche man „günstigere Konditionen“ und eine „bayernweite Standardisierung“.

Eine Übersicht des Digitalministeriums zeigt außerdem, wie unterschiedlich die Digitalisierung in den Kommunen greift. Ein Vorbild ist demnach die Stadt Erlangen mit rund 400 Online-Verfahren. Andernorts sind dagegen mal 286, mal 70 und mal elf Services gelistet. Zu den häufigsten zählen Kfz-Zulassung, Fahrerlaubnis und Geburtsurkunde. Insgesamt sei die Heterogenität der Systeme „nach wie vor ein Hemmschuh der Digitalisierung“, schreibt das Digitalministerium auf Anfrage. „Eine Umstellung ist daher nur schrittweise möglich.“ Geld sei dabei ein Faktor, noch mehr aber, wie es eingesetzt werde. Für wirkliche Effizienzgewinne brauche es „eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung, also eine medienbruchfreie, möglichst automatische Verarbeitung“. Dafür seien unter anderem einheitliche Schnittstellen ausschlaggebend.

Vor allem kleinere Gemeinden tun sich schwer

Damit darf sich das Finanzministerium federführend weiter auseinandersetzen. Den Maßnahmenkatalog der Zukunftskommission wollen die Beteiligten bis Ende März konkretisieren. Als vielleicht größter Streitpunkt gilt die Frage, wer das Ganze wie finanziert. Vor allem kleineren Gemeinden fehlten in der Vergangenheit oft Geld und IT-Fachkräfte. Und war doch mal ein Service online gebracht, beklagten Bürgermeister mitunter, dass die Menschen weiter lieber persönlich aufs Amt kämen – gerne mit Ordner unterm Arm.

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