Streckenverlauf durch das Inntal:Auf alten Trassen in die Zukunft

Bahnlärm, Lärmschutz, Bahn

Auf dem Weg nach Süden: Die Bahnstrecke von München nach Rosenheim - hier bei Kirchseeon - wird künftig noch weit mehr Verkehr aufnehmen müssen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • Anrainergemeinden, Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen wehren sich gegen den Neubau der Bahntrasse, die den Nordzulauf für den Brennerbasistunnel darstellen soll.
  • Die bestehenden Schienen seien nach kleineren Ausbauten ausreichend.
  • Die Bahn dagegen pocht auf einen Neubau. Kritiker befürchten einen Verkehrszuwachs.

Von Matthias Köpf

Als Bürgermeister von Stephanskirchen müsste Rainer Auer gar nicht mehr unbedingt hier sitzen. Auer war einer der ersten Bürgermeister rund um Rosenheim, die gegen eine neue Bahntrasse mit zwei zusätzlichen Gleisen zum Brennerbasistunnel protestiert haben. Nach derzeitigem Planungsstand würde die Trasse aber entweder westlich von Rosenheim verlaufen, weit weg von Stephanskirchen. Oder sie würde die Gemeinde im Tunnel unterqueren. Auer ist trotzdem da, als der Bund Naturschutz (BN) und Vertreter von 16 Bürgerinitiativen am Dienstag in München ihren Vorschlag präsentieren, wie sich der Zugverkehr auch in Zukunft auf der bestehenden Trasse abwickeln ließe.

Es gebe da kein Floriansprinzip, sagt Auer, sondern es gehe um die ganze Region, die sich von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nicht auf einen reinen Verkehrsweg reduzieren lasse. Auer wird im Frühjahr als parteifreier Landratskandidat gegen den Bewerber der CSU antreten. Doch der Brennerzulauf ist auch für den BN-Vorsitzenden Richard Mergner "kein lokales Thema, sondern ein landes- und bundespolitisches".

Denn auf Landes- und Bundesebene wird laut Mergner die völlig verfehlte Verkehrspolitik gemacht, die am Ende die Region Rosenheim als Trassendebatte umtreibt. So fordert Mergner, Verkehr zu vermeiden, ihn von der Straße auf die Schiene zu verlagern, den weiteren Straßenbau zu stoppen und eine Alpentransitbörse mit einer Obergrenze für die Tonnage und handelbaren Transportkapazitäten einzuführen. Der Transit über den Brenner sei im Vergleich zu anderen Routen viel zu billig und ziehe so immer noch mehr Verkehr an.

Zugleich kritisiert Mergner die Ausbaupläne von Bund und Bahn für den Nordzulauf zum Brennerbasistunnel. Er warne vor einer Fixierung auf neue Hochleistungstrassen und davor, "dass man weiterhin Milliarden in eine falsche Schiene versenkt, ohne das Gesamtsystem fit zu machen". Das ließe sich für Mergner viel besser durch Ausbau und Elektrifizierung der Bahnstrecken von München und von Regensburg über Mühldorf nach Freilassing stärken. Der Ausbau des Nordzulaufs sei "eben nicht so alternativlos, wie die Bahn im Auftrag von Scheuer behauptet".

Auf einen anderen Weg als die Bahn setzt auch Thomas Riedrich, der als Vorsitzender des Vereins Brennerdialog Rosenheimer Land für alle einschlägigen Bürgerinitiativen der Region und ihre mehr als 5000 Mitglieder spricht. Riedrich schenkt den volkswirtschaftlichen Zukunftsszenarien, mit denen Scheuer Anfang des Jahres in Rosenheim die Notwendigkeit weiterer Gleise begründet hat, keinen Glauben und beruft sich dabei auch auf Studien, die der Verkehrsplaner Martin Vieregg für die BIs und die Gemeinden angefertigt hat. Schon die allen Szenarien zugrunde gelegte Verbindung von weiterem Wirtschaftswachstum und einer Zunahme des Güterverkehrs habe sich in den vergangenen Jahren nicht gezeigt, sagt Vieregg.

Die Bahn bleibt dabei: Es müssen neue Trassen her

Zudem könne die bestehende Strecke durch das Inntal noch auf lange Sicht viel mehr Verkehr aufnehmen als bisher, etwa durch eine Aufrüstung mit digitaler Steuertechnik. Eine weitere Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene sei also schon jetzt möglich - ganz ohne neue Trasse, wie sie Scheuer und die Bahn für nötig halten. Zudem seien andere Bahnstrecken über die Alpen längst nicht ausgelastet, ergänzt Riedrich. "Es gibt kein Kapazitätsproblem, sondern ein Verteilungsproblem." Dabei sperre man sich nicht gegen einen Ausbau des Brennerzulaufs, beteuert Riedrich, nur "vernünftig und bedarfsgerecht" müsse der sein.

Der konkrete Vorschlag dazu stammt wiederum von Vieregg und sieht einen Ausbau eng entlang der Bestandsstrecke vor, der sich bei laufendem Verkehr realisieren lasse. Von den 35 Kilometern durchs bayerische Inntal müssten demnach 14 Kilometer samt Lärmschutz neu gebaut werden, davon fünf im Tunnel. Teils könne man dann auf die alten Gleise verzichten. Nötig sei aber ein größerer Umbau am Bahnhof Rosenheim als eigentlicher Engstelle. Der Zugverkehr lasse sich so auch ohne neue Trasse beschleunigen, versichert Vieregg. Es sei es nicht einzusehen, unbedingt mit Tempo 230 Rosenheim zu umfahren, während durch Innsbruck und München viel langsamer gefahren werde. Hochgeschwindigkeitstrassen bergen aus seiner Sicht zudem die Gefahr, dass schnelle Personenzüge die Güterzüge doch wieder auf die alte Trasse verdrängen. Mit einer optionalen Güterzugumfahrung um Raubling, die sich bei tatsächlich wachsendem Güterverkehr realisieren lasse, reichten die Kapazitäten "bis ins 22. Jahrhundert".

Die DB hingegen bleibt auch am Dienstag bei ihren Plänen. Ein Ausbau im Bestand reiche langfristig nicht aus, greife massive in die Wohnbebauung ein, würde den Verkehr auf viele Jahre beeinträchtigen und stelle also weiterhin "keine zukunftsfähige Alternative" dar.

Ab in den Untergrund: Verkehrsminister wollen Gleise für Brennerzulauf deckeln

München - Bund und Bahn planen für den Brennernordzulauf derzeit eine zweigleisige Neubautrasse - zusätzlich zu den beiden bestehenden Gleisen durch das bayerische Inntal. Aus einer großen Zahl von unterschiedlichen Verläufen und Kombinationsmöglichkeiten im gesamten Raum Rosenheim haben die Planer zuletzt fünf Varianten herausgearbeitet.

Drei davon führen westlich um Rosenheim herum und dabei zwischen den beiden benachbarten Städten Bad Aibling und Kolbermoor hindurch. Weil der dortige weiche Seeton als äußert schwieriger Baugrund gilt, gehen die Planer für diese Strecken von einem weitgehend oberirdischen Verlauf aus. Auch aus diesem Grund ließen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und sein bayerischer Amtskollege und CSU-Parteifreund Hans Reichhart bei der Präsentation in der vergangenen Woche in Rosenheim eine klare Vorliebe für eine der beiden Varianten erkennen, die östlich um die Stadt herumführen. Beide verliefen zu größeren Teilen im Untergrund.

Scheuer und Reichhart setzen ihre Hoffnungen dabei erklärtermaßen auf die Variante mit dem höchsten Tunnelanteil, weil sie sich von dieser die größte Akzeptanz in der Region versprechen. Sie entspräche am ehesten einem Neubau nach "Tiroler Standard", wie ihn die Staatsregierung den Bürgern auch für das bayerische Inntal zugesagt hat. Auf Tiroler Seite verlaufen die längst fertigen neuen Gleise zu etwa 80 Prozent gedeckelt. Grob geschätzt kostet ein Gleiskilometer in einem echten Tunnel mindestens fünf- bis sechsmal so viel wie ein oberirdischer. kpf

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