Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hat in der letzten Sitzung des Parlaments vor Weihnachten die Abgeordneten zum „respektvollen Umgang miteinander“ aufgerufen – „sodass man sich nachher auch wieder in die Augen schauen kann“. Natürlich solle man „beherzt streiten“ und „hart kämpfen in der Sache“, sagte sie am Donnerstag mit Blick auf die Arbeit im Landtag sowie auf die kommenden Wahlkampfwochen. Aber: „Die Menschen in Bayern fallen ohnehin nicht herein auf das Polit-Theater, das manche meinen, aufführen zu müssen.“ Aigner fragte: „Muss man wirklich immer wieder an die Grenze des Erträglichen gehen?“ Das sei jedenfalls „nicht die Art, wie sich eine Volksvertretung präsentieren darf“.
Insgesamt habe der Landtag nach der Wahl 2023 zwar wieder zu „mehr Disziplin“ und „Konstruktivität“ zurückgefunden, sagte Aigner. Seit Kurzem gilt ein neues System mit finanziell spürbaren Ordnungsgeldern, das bei verbalen Entgleisungen greift. Dazu wurde das Abgeordnetengesetz reformiert. Gerade in den jüngsten Sitzungen sei der Umgangston aber wieder rauer geworden, so die Präsidentin, auch mit Beleidigungen und Verächtlichmachung demokratischer Institutionen. So hatte der AfD-Abgeordnete Daniel Halemba den Landtag kürzlich als „Clowns-Parlament“ bezeichnet.
Mit der traditionellen Rede der Präsidentin verabschiedetet sich der Landtag in die Weihnachtsferien – die wegen des Wahlkampfs diesmal nicht so ruhig ausfallen dürften. Ministerpräsident Markus Söder, der bei dieser Gelegenheit für die Staatsregierung auch das Wort ergreifen darf, tat dies am Donnerstag nicht. Er ist auf einer Reise nach Prag, nachdem er am Vortag Warschau besucht hatte. Für ihn sprach Florian Herrmann (CSU), der Staatskanzleiminister: Auch er warnte vor einer „Verrohung des politischen Diskurses“. Zugleich mahnte Herrmann, Abgeordnete dürften „nicht im Elfenbeinturm, in einer abgehobenen Bubble arbeiten“.
Als stärkste Oppositionskraft seit der Landtagswahl 2023 darf die AfD sprechen bei zeremoniellen Anlässen wie diesen Schlussworten, wo es oft um den Wert der Demokratie oder den Zusammenhalt im Land geht. Es ist bei diesem Format überhaupt nur ein Beitrag der Opposition vorgesehen, nämlich der stärksten Kraft. AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner hatte mit ihrer Rede im vergangenen Jahr eine Premiere. Ihr Auftritt hatte Züge eines Eklats, sie sprach bei der Migration davon, dass das Land „von Sozial-Forderern überrannt“ werde und eine „obszöne Unterwerfung“ unter den Islam stattfinde.
Eigentlich stand zu befürchten, dass der Part der AfD dieses Jahr noch härter ausfällt – eben wegen des Wahlkampfs. Aber auch, weil die AfD das Thema Zuwanderung derzeit noch intensiver bespielt. Kürzlich beschloss die AfD auf einem Parteitag eine Resolution für „Remigration“. Das meint die massenhafte Abschiebung von Ausländern; wohl auch von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund, da von Millionen Menschen die Rede ist, es aber bundesweit nur einige Hunderttausend ausreisepflichtige Asylbewerber gibt. Bei einer hitzigen Landtagsdebatte hatten sich vor gut zwei Wochen alle Fraktionen gegen die AfD gestellt.
Ebner-Steiners Wortwahl am Donnerstag überraschte dann aber. Ihre Rede fiel ausgesprochen zahm aus. Sie verwies auf Eckpunkte des AfD-Programms. So stehe Weihnachten für Frieden und Versöhnung, was auch für ein baldiges Ende des Ukraine-Kriegs durch Verhandlungen und diplomatische Bemühungen nötig sei. Sie hob das Christentum als Teil des kulturellen Reichtums Bayerns hervor, dies vertrage sich nicht mit „falschem Multikulturalismus-Denken“. Auf den Kampfbegriff „Remigration“ oder auch sonst allzu deftige Worte verzichtete sie.
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Aigner äußerte sich zur hitzigen Debatte über Migration. Man müsse zu einer Sprache und Politik finden, die „der unantastbaren Würde des Menschen“ ebenso gerecht werde wie „den unübersehbaren Realitäten in unserer Gesellschaft“. In Bayern lebten viele Menschen mit Zuwanderergeschichte, „in den allermeisten Fällen sind das Erfolgsgeschichten“. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass die Möglichkeiten begrenzt und Kommunen wie Gesellschaft „am Limit“ seien. Und „parallele“ Rechtsauffassungen und Werteordnungen dürfe es in einer wehrhaften Demokratie nicht geben. Am deutlichsten zeige sich das beim Thema Antisemitismus.
Laut dem Demokratie-Report des Landtags schätzten die Menschen in Bayern fast zu hundert Prozent die Demokratie als Staatsform, erklärte Aigner. Viele seien aber mit der politischen Praxis unzufrieden. Es brauche daher Lösungskompetenz, ob für die Migration oder für die Wirtschaft, Themen wie den „Preisschock“ an der Supermarktkasse. Aber „ohne Spaltung und Provokation.“