Nach Weihnachten beginnt die sinnloseste Zeit des Jahres. Sie zieht sich bis Ostern hin und zeichnet sich dadurch aus, dass es weder hell noch dunkel, weder richtig Winter noch Frühling ist. Man traut sich schon fast gar nicht mehr, die eigene Zeitung zu lesen oder irgendein elektronisches Nachrichtenmonster anzuschalten. Wenn man über Nebelautobahnen zu einem Termin fährt, dann tönen nur Schreckensmeldungen aus dem Radio.
In Los Angeles brennt es, die Russen rücken in der Ukraine vor, in Aschaffenburg sticht ein Mann zwei Menschen tot. Schaltet man auf einen anderen Sender um, dann geht es um Gletscherschmelze, verschuldete Krankenhäuser oder die Gefahren durch Trump. An den bayerischen Kitas läuft auch alles schief. Die Lehrer sind sowieso fix und fertig. Grundsätzlich sind in Bayern entweder die CSU oder die Grünen an allem schuld, aber das nur nebenbei. Wenn man sich dann schließlich nach einem dreistündigen Kinofilm über das iranische Terrorregime nach Hause schleppt, sinkt die Stimmung unter die Außentemperatur.

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Man könnte sich jetzt noch auf Arte eine Doku über Auschwitz oder Einsamkeit reinziehen. Oder man schiebt eine Händel-CD rein, wirft sich die Decke über und liest endlich ein Buch. Die Dänen bezeichnen diesen Zustand der Weltflucht in überheizten Räumen als Hygge. Dazu benötigt man Kerzen, eventuell auch Alkohol, obwohl in diversen Dokus ganz dringend von Letzterem abgeraten wird. Jedenfalls liest sich das Buch über die Mysterien der Quantenphysik durchaus, nun ja, spannend. Um es mal kurz zusammenzufassen: Auch in der Welt der Teilchen geht es drunter und drüber, es gibt da die erstaunlichsten Effekte, aber weder moralische noch politische Probleme.
Zum Beispiel schafft es so ein Teilchendings, zur selben Zeit an zwei Orten zu sein. Das deckt sich durchaus mit der persönlichen Erfahrung: Man kann nämlich auf dem Sofa liegen und sich vorstellen, man säße jetzt in Lissabon am Castelo de São Jorge mit uma bica und eine sanfte Brise trüge die Salzluft vom Atlantik herüber. Es wäre perfekt, obwohl in diversen Studien dringend von Flugreisen abgeraten wird. Trotzdem kann man diesen Zustand so intensiv herbeiwünschen, dass in dem Café in Lissabon einen Augenblick lang die silbrige Gestalt eines Menschen sichtbar wird, der mit einem Buch über Quantenphysik auf dem Sofa liegt. Dann macht es plopp, und es ist wieder Winter in Bayern. Und Frühling in Lissabon.