Bildung in Bayern:Wenn das Studium politisch wird

Bildung in Bayern: Für manchen wird das Studium politisch: Studierende sollen derzeit nicht nach Russland.

Für manchen wird das Studium politisch: Studierende sollen derzeit nicht nach Russland.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Hochschulen müssen nun ihre Verbindungen zu Russland prüfen und kritische Kooperationen kappen. Doch das ist gar nicht so leicht.

Von Viktoria Spinrad, München

Viele waren es in den letzten Jahren eh nicht mehr, die von der TH Ingolstadt nach Moskau gingen, um dort zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrttechnik Kurse zu belegen. Vielleicht zwei, drei, sagt Präsident Walter Schober, die zwischen Ingolstadt und der Staatlichen Technischen Universität Moskau beziehungsweise dem Moskauer Staatlichen Luftfahrtinstitut hin- und herwechselten, im Namen der Völkerverständigung.

Doch selbst damit ist nun wohl Schluss. Bis auf Weiteres sollen Austauschprojekte wie diese auf Eis gelegt werden. So will es die Sanktionspolitik, so hat es der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angewiesen. Alle staatlich verbundenen Institutionen wie Hochschulen müssten ihre Partnerschaften überprüfen, sagte Söder nach der Kabinettsitzung am Mittwoch. "Wir müssen gegenüber Russland klare Kante auf allen Ebenen zeigen", ließ der neue Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) am Mittwoch verkünden.

Eine beispiellose Ansage an die Hochschulen, die ihre Autonomie sonst hochhalten - und nun zu einer Stellschraube westlicher Sanktionspolitik werden. Entsprechend groß war die Aufregung am Donnerstag. Ist ein deutsch-russischer Jurastudiengang schon relevant? Zählt es schon zu kriegsrelevanter Spitzentechnologie, wenn ein bayerischer und ein russischer Mathematiker gemeinsam an einer Formel arbeiten? Und lässt man russische Studierende überhaupt kommen? Im Durcheinander der Fragen beauftragten manche gleich mal die Rechtsabteilung, um sich abzusichern.

An Bayerns Unis studieren gut 2000 Menschen mit russischem Pass

Fast alle bayerischen Hochschulen haben irgendwo Berührungspunkte mit Russland, und so schalteten sich deren Leitungen trotz Semesterferien erst mal zu einer Krisensitzung zusammen. Als besonders kritisch gelten nun jene Kooperationen, in denen gemeinsam an Technologien geforscht wird, die auch im Krieg zum Einsatz kommen könnten. Federführend sind hierbei die Technische Universität München (TUM) und Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Ob Projekte wie gemeinsame EU-geförderte Neutronenforschung ("Cremlin Plus") oder "Skoltech" weiter bestehen bleiben, mit dem eine Art Silicon Valley außerhalb Moskaus aufgebaut werden soll, darf bezweifelt werden.

Doch wo ist die Grenze? Besonders kompliziert wird es nun in den Sozialwissenschaften. Sind gemeinsame Mammutausgrabungen in Sibirien schon Kollaborationen mit dem Feind - oder vertretbare Zusammenarbeit? Sollte man Stipendien für junge russische Wissenschaftler nun streichen - oder verbaut man sich damit eher einen Weg zurück? Und ist der russische Professor noch haltbar, der sich nicht explizit von Putin distanziert? Man müsse zwar entschlossen, aber eben auch strategisch denken, so der Tenor am Donnerstag.

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Mehr als 2000 Menschen mit russischem Pass studieren an den bayerischen Universitäten. Für sie soll sich zunächst nichts ändern. "Wir müssen insgesamt differenziert vorgehen", mahnt Schober. Allerdings wächst die Sorge, dass russische Propaganda auf dem Campus verbreitet werden könnte. Wie groß die Fallhöhe ist, zeigt ein laufendes Gerichtsverfahren. Einem früheren Raketenforscher an der Uni Augsburg wird vorgeworfen, Informationen an den russischen Geheimdienst verkauft zu haben.

In den vergangenen Jahren waren die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Bayern und Russland weiter intensiviert worden. Auch in der Hoffnung, Russland auf den eigenen Weg zu bringen. "Wenn die Wissenschaft nicht zur Völkerverständigung beiträgt, hat sie ihre Aufgabe verfehlt", sagte TUM-Präsident Wolfgang Herrmann 2016, als der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer nach Moskau reiste, um die Verbindungen zu intensivieren. Er könne sich kein politisches Szenario vorstellen, das die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen seiner Uni und Partnerinstituten in Russland ernsthaft gefährden könnte, sagte Herrmann. Dieses Szenario ist nun eingetreten.

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