Reform des Hochschulgesetzes:Mithalten mit Harvard oder Cambridge

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Die Hochschulen sollen mehr Eigenverantwortung bekommen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Weniger Bürokratie, mehr Freiheit: Die bayerischen Hochschulen befürworten das geplante "Hochschulinnovationsgesetz". Kritik kommt weiterhin aus der Opposition.

Von Anna Günther, München

Das Bild ist deutlich im Prinz-Carl-Palais: Zwischen Wissenschaftsminister Bernd Sibler und die Sprecher der bayerischen Hochschulen passen coronabedingt 1,5 Meter Luft, aber kein Blatt Papier. Dabei hatte das inoffizielle Eckpunktepapier der Staatsregierung zur geplanten Reform des Hochschulgesetzes zuletzt große Unruhe an Unis und Hochschulen ausgelöst. Selbst in den Chefetagen beklagte mancher Tempo und Umfang zusätzlich zur laufenden "Hightech-Agenda".

Davon war am Dienstag fast nichts zu spüren: Die Reform war kurzfristig Thema im Ministerrat geworden. Danach lobte Sabine Doering-Manteuffel, Präsidentin der Uni Augsburg, die "gute Gesprächsatmosphäre". Walter Schober, Chef der Technischen Hochschule Ingolstadt und ein Treiber der Reform, nannte die Eckpunkte "hervorragend". Und Bettina Reitz, Chefin der Hochschule für Film und Fernsehen München, freute sich, dass Kunsthochschulen nun überhaupt "einbezogen" werden.

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Vom neuen "Hochschulinnovationsgesetz" versprechen sich Staatsregierung wie Hochschulchefs viel: Weniger Bürokratie soll den Unis Freiheit, Flexibilität, Innovation und Schnelligkeit bringen. So sollen sie mithalten mit Harvard oder Cambridge, eigene Talente fördern und Spitzenforscher nach Bayern locken, wovon Hochschulen und durch Start-ups oder Kooperation auch die Wirtschaft profitieren. Dementsprechend soll der neue Auftrag der bayerischen Hochschulen "Forschung, Lehre und Transfer" lauten. Kommt das Gesetz wie geplant, was angesichts der Regierungsmehrheit zu erwarten ist, können die 17 staatlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HaW), neun Universitäten und sechs Kunsthochschulen entscheiden, ob sie zu Körperschaften öffentlichen Rechts werden, die über Budget, Bauvorhaben und Stellen entscheiden.

Der Staat hätte nur die Rechtsaufsicht inne - und eine lange Leine: Die "Gestaltungsorganisation übergeordneter Art" werde das Ministerium behalten, sagte Sibler. Die Zielvereinbarungen des Freistaats mit jeder Hochschule sollen eine "stärkere Ergebnisorientierung" haben. Themen wie Ökologie, Geschlechtergerechtigkeit oder die Pflege kleiner Fächer werden festgelegt. Sind Ziele nicht erfüllt, gibt es weniger Geld.

Mit dem neuen Gesetz sollen die HaW mit "forschungsstarken Bereichen" das Promotionsrecht bekommen, das bisher Privileg der Unis ist. Welche HaW dafür in Frage kommen, könnte das Ministerium mit Hochschulen und Forschungsgesellschaften entscheiden. Zudem verspricht Sibler mehr Stellen für Beschäftigte im akademischen Mittelbau und zur Entlastung forschender Professoren. Die Studenten bekommen zwar nicht die lange erhoffte verfasste Studierendenschaft, aber einen neuen Landesstudierendenbeirat.

Die Grünen im Landtag kritisieren das Vorgehen als "entrückte Regierungspolitik"

Von wuchtigen Begriffen der geheimen Eckpunkte wollte Sibler nichts mehr hören und versuchte zu beruhigen: Er könne Unmut und Ängste "ein Stück weit" verstehen, sagte er der SZ. Aber: "Wir haben einige Menschen in der Hochschullandschaft, die sich tatsächlich gefesselt fühlen. Ihnen werden wir die Möglichkeit geben, diese gefühlten Fesseln abzulegen, aber dabei die gesamte Hochschulfamilie mitnehmen."

Die größten Angstursachen scheinen verschwunden zu sein: Unis und Hochschulen sollen entscheiden, ob sie Körperschaft sein wollen und wann. "Jeder kann, keiner muss." Die Hochschulen sollen sich eine eigene Organisation überlegen, aber sie werden vom Ministerium beraten und müssen die Verfassung beachten. Demnach müssen Professoren bei Fragen zu Forschung und Lehre mindestens eine Sperrminorität haben. Kritik am Prozedere ums ominöse Eckpunktepapier wischte Sibler weg. Es sei Aufgabe der Regierung, einen Vorschlag vorzulegen, es habe verschiedene Phasen im Prozess gegeben, dann kam Corona. "Ich versichere allen, dass wir jetzt ins strukturierte Verfahren eintreten." Parlament und Verbände werden beteiligt, der Prozess dürfte sich bis ins Frühjahr ziehen.

Damit geben sich die Landtags-Grünen nicht zufrieden: Verena Osgyan kritisierte "Söders Solotanz" an allen Gremien vorbei als "Musterbeispiel entrückter Regierungspolitik" und will ein eigenes Gesetz vorlegen. Derweil feierte Ex-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) die Eckpunkte als "liberales Bekenntnis" und die FDP als "Trendsetter".

© SZ vom 21.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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