Schulen in Bayern:Oh, wie schön war Hitzefrei

Schulen in Bayern: Ab in die Sonne? Eher nicht, denn an Bayerns Schulen gibt es immer seltener Hitzefrei. Schade eigentlich.

Ab in die Sonne? Eher nicht, denn an Bayerns Schulen gibt es immer seltener Hitzefrei. Schade eigentlich.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Früher hielten Jugendliche ein Feuerzeug unter das Schulthermometer, um bei 30 Grad dem Unterricht zu entfliehen. Heute müssen Schüler auch bei hohen Temperaturen meist im Klassenzimmer bleiben. Wie schade.

Glosse von Hans Kratzer

Der Lauf der Welt ist von Haus aus schwer zu begreifen, aber zurzeit blickt man stellenweise gar nicht mehr durch. Das gilt auch für jene Meldung der Deutschen Presse-Agentur, aus der hervorgeht, dass Bayerns Schüler trotz Klimawandels und steigender Temperaturen immer seltener Hitzefrei bekommen. Aber, so denkt man sich, ist denn das nicht klar definiert? Eine gesetzliche Regelung gebe es nicht, antwortet das Kultusministerium. Die Entscheidung liege allein in der Verantwortung der Schulleitungen.

Dass Hitzefrei aus der Mode kommt, liegt nicht zuletzt daran, dass mittlerweile viele Schulen mit Klimaanlagen ausgestattet sind. Auch wegen der Halb- und Ganztagsbetreuung können viele Kinder nicht mehr kurzfristig nach Hause geschickt werden. "Hitzefrei für alle Schüler einer Schule gibt es nicht mehr", sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes.

Im alten Preußen ging es noch legerer zu. Der damalige Kultusminister legte 1892 per Erlass fest, der Ausfall des Unterrichts sei stets dann anzuordnen, wenn das Thermometer (in Bayern: der Thermometer) um 10 Uhr vormittags im Schatten 25 Grad anzeigte. Heute gibt es solche allgemeinen Grenzwerte nicht mehr, was durchaus eine Logik hat: hier das kühlende Mauerwerk eines alten Schulhauses aus der Gründerzeit, dort die wie Brenngläser wirkenden Glasfronten von modernen, aber mit wenig Verstand geplanten Schulbauten.

30 Grad im Schatten - das war früher die Hitzefrei-Marke

In den 70er-Jahren wurde fast immer Hitzefrei gegeben, wenn die 30 Grad im Schatten näher rückten. Die Thermometer waren in der Regel an einer kühlen Außenwand des Schulhauses angebracht. In den Raucherecken, die es damals noch gab, kamen die qualmenden Schüler auch ohne Einser-Abitur auf die Idee, mit Hilfe eines Feuerzeugs das Thermometer so weit zu erhitzen, dass der Grenzwert früh erreicht war.

Und dann ging es ab ins Schwimmbad oder an einen Fluss, wo die Jugendlichen oft kuriose Sachen erlebten, die sie ihr Leben lang nicht vergaßen, womit ja der edelste Zweck des Schulunterrichts erfüllt war. Exemplarisch sei auf die Autorin Anna Glockshuber verwiesen, die, wie sie im Flüsse-Buch des Lichtung-Verlags schreibt, an der Vils einen tragikomischen Unfall erlebte.

Nachdem ein Landwirt seine Ochsen gegen einen Bulldog eingetauscht hatte, jagte er mit dem ungewohnten Gefährt über eine Wiese geradewegs auf die Vils zu. Er wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als immer verzweifelter "Brrrr, Brrrrr" zu schreien. Zuletzt riss er nur noch seine Arme hoch und rauschte mit einem letzten "Brrrr" in den Fluss hinein. Irgendwie schade um dieses Hitzefrei, es war eine prima Schule fürs Leben.

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