Energiepolitik:Warum die CSU mit dem Vorwurf der "Heizungsspionage" ein Eigentor schießt

Lesezeit: 2 Min.

Nach dem bayerischen Klimaschutzgesetz müssen Kaminkehrer bereits eine Menge Daten über die Heizungsanlagen von Häusern sammeln. (Foto: Thomas Weißenfels/Imago)

Die Bayern stänkern gegen Berlin, das ist nichts Neues. Doch wenn der CSU-Generalsekretär nun den Grünen staatliches Spionieren vorhält, dann sollte er vorher mal in die eigenen Gesetze gucken.

Von Maximilian Gerl

Am Tag danach bleibt das Unverständnis. Auch Thomas von Sarnowski, Chef der bayerischen Grünen, ringt am Telefon hörbar mit den Fragezeichen. Und davon wirft ein Tweet der politischen Konkurrenz einige auf, gerade aus Sicht der Grünen. Ihnen hatte die CSU am Mittwoch per Twitter "staatliche Heizungsspionage" vorgeworfen - inklusive Fotomontage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, wie er über seine Brille hinweg von draußen in eine dunkle Wohnung lurt. Die Grünen setzten auf Bürokratie und hohe Strafen, hieß es auf dem CSU-Twitter-Account weiter, und: "Erst Heizhammer, jetzt Heizpranger!" Ein Wahlkampf-Gag? Oder vielleicht ein Zeichen, wie Sarnowski vermutet, dass die CSU "ihre eigenen Gesetze nicht kennt"?

In jedem Fall scheint momentan einiges durcheinander zu gehen beim Thema Heizen, auf Twitter sowieso, aber längst nicht mehr nur da. Mal entzündet sich der Streit an Wärmepumpen, mal an Brennholz, mal an Förderungen, mal am Tempo, in dem der Wohnungssektor klimafreundlicher werden soll. Häufig mitten drin im Getümmel: die CSU. In München hat man die Ampel in Berlin als natürlichen Feind und das Heizen als Wahlkampfschlager entdeckt. Selbst auf die Gefahr hin, dass Vorwürfe, die man anderen an den Kopf wirft, wie ein Bumerang zurückfliegen.

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Der neueste Höhepunkt des Streits und zugleich bestes Anschauungsmaterial: ein am Mittwoch publik gewordener Gesetzesentwurf von Habeck und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Dieser sieht vor, dass die Kommunen künftig Heizungsdaten über jedes Gebäude in Deutschland erfassen. Mit deren Hilfe sollen dann Pläne entstehen, wie die Wärmewende in den kommenden Jahren umgesetzt werden kann, so die Sicht der Bundesregierung - oder droht eben "Heizungsspionage", so laut CSU. Dabei betreibt die CSU die selber, sofern man dieses Wort überhaupt benutzen will.

Darauf wurde die Partei auch prompt von Twitter-Usern hingewiesen, unter ihnen Sarnowski. Denn im bayerischen Klimaschutzgesetz steht das Datensammeln längst drin. Artikel sechs verpflichtet Bezirksschornsteinfeger, Heizungssysteme "zum Zweck einer räumlich hochaufgelösten Energie- und Emissionsberichterstattung" zu erfassen. Zu dokumentieren sind demnach seit 2022 Art der Heizung, Brennstoff, Nennwärmeleistung, Alter der Anlage sowie Angaben über ihren Betrieb, Standort und Anschrift. Die Daten müssen jährlich "maschinell verwertbar und lesbar in elektronischer Form" ans Landesamt für Statistik übermittelt werden.

Neu ist das Datensammeln also nicht und auch nicht unüblich. Um neue Heizsysteme flächendeckend zu etablieren, braucht es einen Überblick über die alten. Baden-Württemberg hat seine Kommunen bereits das Erstellen einer klimafreundlichen Wärmeplanung vorgeschrieben. Ähnliche Gesetze gibt es in Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die bayerische Landesagentur für Energie und Klimaschutz empfiehlt auf ihrer Website Kommunen sogar, ihren gesamten CO₂-Ausstoß zu erfassen - und darauf aufbauend "für alle Bereiche jeweils Schritte zur Verminderung" von Emissionen zu definieren und umzusetzen.

Auf SZ-Anfrage bekräftigt CSU-Generalsekretär Martin Huber die Vorwürfe aber sogar. "Die Ampel will ein Bürokratiemonster schaffen und die Menschen ausspionieren", sagt er. Die Ampel-Pläne gingen weit über die Kehrbuchdaten der Bezirksschornsteinfeger hinaus. Der Bund wolle "den individuellen Energieverbrauch aller Bürger wissen", was tief in deren Privatsphäre eingreife.

Eigentlich also gäbe es genug Fragezeichen rund ums Datensammeln an sich; wie es denn nun funktionieren soll und wer dabei näher an die Wahrheit kommt. Trotzdem wird am Twitter-Tag danach statt über Inhalte vor allem über Stil diskutiert. Bei den Grünen beurteilt man dabei die CSU-Aussagen naturgemäß anders - und sieht sich selbst als Ziel politischer Hetze. Es handle sich um einen Gesetzesentwurf, sagt Landeschef Sarnowski: Es sei noch unklar, welche Heizungsdaten der Bund am Ende tatsächlich erheben werde. Es sei sogar möglich, dass am Ende "jeder bayerische Bezirksschornsteinfeger mehr weiß" als Berlin. Doch statt "einfach mal durchzuschnaufen" und abzuwarten, heize die CSU die Ängste und Sorgen der Menschen an. "Aber wenn ich nur noch Angst betreibe, mache ich keine gute Politik mehr."

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