Bundesratsinitiative:Der Duft von frischen Brezn und Misthaufen

Bundesratsinitiative: Kräht der Hahn auf dem Mist, dann ist das in jeder Hinsicht ein schützenswertes Kulturgut, finden jedenfalls die Freien Wähler.

Kräht der Hahn auf dem Mist, dann ist das in jeder Hinsicht ein schützenswertes Kulturgut, finden jedenfalls die Freien Wähler.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die Staatsregierung will landestypische Gerüche und Geräusche nach französischem Vorbild schützen lassen. Die Opposition hält den Vorstoß für sinnlos.

Von Johann Osel

Wenn es laut wird oder stinkt irgendwo in Bayern, dann kann das bekanntlich schnell Ärger auslösen. Im Zweifel müssen Gerichte entscheiden, was zumutbar ist an Geräuschen und Gerüchen. Zum Beispiel der berühmte Kuhglockenstreit in Holzkirchen zwischen einer Bäuerin und einem Anwohnerpaar ging durch die juristischen Instanzen und bundesweiten Medien gleichermaßen. "Es bimmelt - und die Anwaltskasse klingelt", notierte die Bild-Zeitung. Und der Senat am Oberlandesgericht München kam sogar zwecks Hörprobe zur Weide. Ebenso mussten Richter schon vielfach über den Klang von Kirchenglocken entscheiden, auch wenn sie bei strenger Auslegung des Liedermachers Fredl Fesl gar nicht zuständig sind: "In unserm Staat sind alle gleich, doch d'Kirch gehört zum Himmelreich." Dazu kommen natürlich noch Streitigkeiten und Prozesse rund ums Riechen - Stichwort Gülle.

Die Schönheit solcher Begleiterscheinungen des Landlebens hat indes der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Florian Streibl, vor ein paar Monaten im Landtag ausführlich beschrieben, nahezu mit den Qualitäten eines Heimatschriftstellers. "In aller Herrgottsfrühe schreit der Hahn auf dem Misthaufen, die Kuhglocke bimmelt von der anliegenden Weide, und das morgendliche Angelusläuten wird dann noch angereichert von den Düften, die aus dem Ziegenstall kommen." Und mehr noch, so Streibl: "Es kommen dann noch die Malz- und Bieraromen der Brauerei dazu, der Duft von den frischen Brezen aus der Dorfbäckerei und das Quaken der Frösche im Froschteich." Na, hoffentlich nicht alles gleichzeitig.

Die FW jedenfalls positionieren sich schon seit einiger Zeit als Schutzpatron landestypischer Gerüche und Geräusche. Streibl machte im Landtag bei der von seiner Fraktion angesetzten Debatte eben eine "Klageflut" aus, hier werde "ein hedonistisches Anspruchsdenken deutlich". Handwerk und Landwirtschaft stünden unter Druck, da sich Zugezogene an dem, was schon immer da war, zunehmend störten. Für die "Bewahrung der Eigenheiten unserer ländlichen Kultur" solle daher das akustische und olfaktorische "Sinneserbe" geschützt werden.

"Schaufensterantrag"

Dieser Tage hat nun das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beschlossen, dazu eine Bundesratsinitiative zu starten, wie die FW freudig mitteilten. Ziel sei es, dass im Bundesimmissionsschutzgesetz identitätsstiftende Gerüche und Geräusche unter besonderen Schutz gestellt werden. Man solle dem französischen Vorbild folgen, wo es den Regionen obliege, derartig Schützenswertes zu definieren. Dies könnten bei entsprechender Änderung des Bundesgesetzes dann wiederum die Landesregierungen hierzulande tun.

Ob das funktioniert? Schon in der Landtagsdebatte gab es starke Zweifel der Opposition. Gerichte wägten schon heute aufgrund bestehender Gesetze ab zwischen berechtigten Interessen von Anwohnern und dem kulturellen Stellenwert des Streitauslösers, warf Christian Hierneis (Grüne) ein - ein "Schaufensterantrag". Auch Alexander Muthmann (FDP) verwies darauf, er witterte zudem den "Versuch eines Revivals der Leitkultur". Ruth Müller (SPD) hinterfragte die Umsetzbarkeit dieser "Duftmarke" der FW: Wer solle bitte entscheiden, welche Sinneseindrücke genau geschützt werden - und welche nicht?

Ist die Dönerbude landestypisch?

Da liegt wohl tatsächlich die Krux. Ein paar Überlegungen: In Coburg stieg neulich wieder das bekannte Samba-Festival und die Beschwerde eines Mannes über die Trommelshow (wie "wenn Naturvölker in den Krieg ziehen") auf Facebook geriet zum Aufreger. Nicht gerade landestypisch, das könnte der Lärmempfindliche vorbringen. Doch auch über Blaskapellen gab es schon Unmut, als mal in Reischach (Landkreis Altötting) einem Anwohner der Bozner Bergsteigermarsch zu wuchtig erschien und er die Polizei rief, kam das Dorf Tage nicht zur Ruhe. Identitätsstiftend wären die Musikanten, keine Frage. Oder die lieben Tiere: gackernde Gockel auf dem Misthaufen ja, Papageien (ein Klassiker der Nachbarschaftsklagen) nein? Weil die ja nicht von hier sind? Nicht zuletzt: Bratgeruch vom bayerischen Hendlgrill super, vom Burgerimbiss oder der Dönerbude aber schlecht?

Im Plenum im Mai sorgte sich Ralf Stadler von der AfD darum, dass am Ende einer den Ruf des Muezzins als landestypisch sehe. Streibl empörte sich über diese "Demagogie", räumte aber ein: Die Details oblägen nach seinen Plänen den Regionen: Was vielleicht in Berlin-Kreuzberg festgestellt werde, könne etwas anderes sein als in Garmisch-Partenkirchen.

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