Bayern:Harmonie pur in der CSU - dank Merkel

Bayerisches Kabinett tagt in Nürnberg

Finanzminister Markus Söder (links) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer im Gespräch (Archivbild).

(Foto: dpa)

Die Partei ist kaum wiederzuerkennen: Plötzlich sprechen sogar Seehofer und sein Lieblingsfeind Söder wie aus einem Mund. Doch die CSU steckt in einem gefährlichen Dilemma.

Von Wolfgang Wittl

Eine kleine Unstimmigkeit lässt sich dann doch erkennen am Montagmorgen bei der ersten CSU-Vorstandssitzung nach den Pfingstferien. Aber man muss schon sehr genau hinsehen. Markus Söder wartet in der Eingangshalle auf den Aufzug, mit dem er zum vorher angesetzten Treffen der zehn CSU-Bezirksvorsitzenden mit Parteichef Horst Seehofer entschwinden will.

Da betritt in seinem Rücken Ilse Aigner das Gebäude. Dass beide ganz nach oben wollen in der CSU, ist ja kein Geheimnis. Aigner stoppt kurz, murmelt etwas von man könne ja auch die Treppe nehmen und macht sich schließlich zu Fuß auf den Weg. Ob es an der Aussicht auf eine gemeinsame Liftfahrt mit Söder lag, darüber lässt sich nur spekulieren. Ansonsten aber: Harmonie pur in der CSU.

Zu verdanken ist das ausgerechnet einer Person, auf die im Moment kaum jemand in der CSU gut zu sprechen ist: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit ihrer Einschränkung des Satzes von Franz Josef Strauß, rechts von der CSU dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben, hat sie die Reihen der bayerischen Schwesterpartei geschlossen wie lange nicht. Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber hatte in der SZ die Tonlage bereits vorgegeben, als er die "größte inhaltliche Auseinandersetzung in der Geschichte der Unionsparteien" diagnostizierte. Und im Vorstand findet sich keiner, der an Stoibers Befund ernsthaft etwas auszusetzen hätte.

Seehofer bekräftigt hinter verschlossenen Türen seine Strategie, wie Teilnehmer berichten. Sie lautet: keine persönlichen Attacken auf Merkel, aber auch kein Nachgeben bei wichtigen Themen. Nahezu jedes Vorstandsmitglied, das sich meldet, äußert Unverständnis über die große Schwesterpartei, die seit Monaten ohne Not die rechte Flanke preisgebe.

Den Anfang macht Ex-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer mit dem Hinweis, seine Gefolgsleute würden keine Plakate mehr mit Merkels Gesicht kleben wollen. Ob der Chamer Landrat Franz Löffler oder die stellvertretende Ministerpräsidentin Aigner, ob Minister oder Bundestagsabgeordnete - allen sei der Ärger anzumerken, heißt es.

Den meisten Applaus neben Seehofer erhält allerdings sein größter innerparteilicher Rivale Söder. An dessen Worten zeigt sich der Schulterschluss besonders auffällig. Die CSU ist zwar dafür bekannt, dass sie in kritischen Phasen zusammenzurücken vermag. Und Söder erkennt besser als die meisten anderen in der Partei, woher der politische Wind gerade weht. Doch eine Allianz, wie Söder sie derzeit mit Seehofer praktiziert, schien undenkbar zu sein.

Der Finanzminister spricht im Vorstand von existenziellen Fragen, Parteifreunde ruft er im Umgang mit der CDU zu Geduld und Konsequenz auf: Geduld im Sinne von Hartnäckigkeit. Mit Konsequenz meint er: keine Zustimmung erteilen, wenn etwas Positionen der CSU zuwiderläuft. Mancher glaubt in Söders Worten Seehofer zu erkennen.

In welchem Dilemma die CSU steckt

Führende Köpfe der CSU wissen genau, in welch gefährlichem Dilemma ihre Partei steckt: Die CDU kann es verschmerzen, wenn sie in der Wählergunst verliert - sie wird dennoch die stärkste Partei im Bund bleiben und weiter die Kanzlerin stellen. Die CSU hingegen kämpft um den Anspruch der Alleinherrschaft, um ihren Nimbus, den sie bei der Landtagswahl 2018 zu verteidigen hat. Das aber halten Parteistrategen nach einer für die Union mäßigen Bundestagswahl 2017 nicht für möglich. Für die CSU also geht es um alles, und dafür will sie die CDU auf ihren - vermeintlich richtigen - Kurs zwingen.

Spätestens die Wahlen im September in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin dürften die CDU zum Einlenken bringen, kalkuliert man in der CSU. Allerdings hatte man das auch schon von den Landtagswahlen im März gedacht. Bis September jedenfalls will die CSU ihre Linie fortsetzen. Dazu gehört, dass eine Einigung mit der CDU angestrebt wird, aber nicht um jeden Preis. In der Vorbesprechung mit den mächtigen Bezirksvorsitzenden steckte Seehofer am Montag noch einmal den Kurs ab. Der Parteichef habe jede Rückendeckung erhalten, sagt einer aus der Runde.

Sechs Großthemen gelte es mit der CDU abzuräumen, erläuterte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Dazu zählen der Länderfinanzausgleich, das Gesetz für erneuerbare Energien, die Erbschaftsteuer, Probleme der Landwirte sowie Fragen in der Flüchtlings- und Sozialpolitik.

Mindestens bei drei, vier Punkten wolle er mit CDU-Chefin Merkel in der nächsten Woche grundsätzliche Übereinstimmung erzielen, sagte Seehofer. Andernfalls könne man sich die für Ende Juni geplante Klausur mit der CDU sparen, für die es immer noch keinen Ort gibt. Man könne ja wohl schlecht zusammenkommen, nur "um ein unterhaltsames Wochenende zu gestalten", sagt Seehofer.

Um die Schwesterparteien wieder zusammenzuführen, brauche es allerdings schon eine sehr große Klammer, findet Hans Reichhart, der Chef der Jungen Union in Bayern. Selbst Berliner CSU-Leute rätseln derweil, weshalb Merkel diese als "gezielte Provokation" wahrgenommene Relativierung von Strauß überhaupt gestartet habe.

Die große Einheit findet die CSU im Moment daher nur bei sich. Als der Aufzug auf sich warten ließ, tat Söder es sogar Aigner gleich - und folgte ihr auf der Treppe.

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