Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft:Wie die Häfen im Binnenland Bayern Gewinn erwirtschaften

Der Gütertransport auf dem Wasser könnte besser laufen. Die Häfen sind aber als Standorte mit exzellenter Verkehrsanbindung gefragt.

Von Claudia Henzler und Uwe Ritzer

Ein Freitag Ende Mai im Nürnberger Hafen. An den armdicken Stahlseilen eines Lastkrans hängt ein fast zehn Meter langes Trumm. Es wiegt in etwa so viel wie ein Verkehrsflugzeug und wird sehr langsam und vorsichtig auf ein Frachtschiff gehoben. Das Teil ist ein Hochleistungstransformator der Firma Siemens. Etwa 50 Mal im Jahr wird ein solches Gerät dort verladen und nicht nur das gerät ziemlich spektakulär. Schon der Transport vom Siemens-Trafowerk in der Nürnberger Südstadt dorthin ist eine Schau. Dazu braucht es einen speziellen Sattelschlepper mit 15 Achsen. Von dort auf das Schiff umgeladen geht es zunächst nach Antwerpen und von dort mit einem Übersee-Containerschiff weiter an den eigentlichen Bestimmungsort.

Man denkt in Zusammenhang mit Bayern und seiner Wirtschaft an vieles. Vor allem an BMW und Audi, die beiden großen Fahrzeugschmieden. An ihre großen Zulieferer wie Continental, Bosch oder Brose. Auch IT-Konzerne fallen einem ein, vielleicht kommt einem auch noch die außergewöhnliche Dichte von Dax-Konzernen in den Sinn. Alles verbindet man irgendwie mit einem dichten Fernstraßen- und, vielleicht auch das, mit dem Schienennetz. Aber Häfen? Wasserstraßen? Im Binnenland Bayern?

Tatsächlich hat man einst große Hoffnungen damit verbunden und entsprechend viel investiert. Der Main-Donau-Kanal, wenn auch von Umweltschützern angefeindet, sollte eine "bayerische Wirtschaftsader" werden, so das Mantra diverser CSU-Alleinregierungen in den Sechziger- und Siebzigerjahren. In der Realität spielt er als Verkehrsträger im Güterverkehr bis heute eine geringe Rolle - Tendenz weiter rückläufig.

Die weitergehende Frage, ob der Wirtschaftsstandort Bayern angesichts dessen überhaupt Frachthäfen braucht, führt wieder zurück an den Schwerlastkai des Nürnberger Hafens, wo gerade der Siemens-Hochleistungstrafo verladen wird. Kapitän Johannes Boll nimmt auf seinem Güterschiff Karola gleich zwei davon mit. Sechs Tage lang wird er unterwegs sein. Über den Main-Donau-Kanal, dann auf Main und Rhein ins belgische Antwerpen. Die Politik tue zu wenig für den Schiffsverkehr, findet Kapitän Boll. "Das Problem ist, dass wir bei der Schifffahrt überhaupt keine Lobby haben." Dabei seien Schiffe die einzigen Verkehrsträger, die noch Kapazitäten frei hätten. Und sie seien doch, sagt er, "relativ umweltfreundlich", ohne Reifenabrieb und mit modernem Motor. "Ich habe hier eine Maschine drin, die ist sechs Monate alt."

Schwertransporte wie seine sind Vorzeigebeispiele. Doch das große Geld machen die bayerischen Häfen damit nicht. Der Freistaat betreibt sechs der Häfen zwischen Aschaffenburg und Passau. Das staatseigene Unternehmen Bayernhafen erwirtschaftet damit Gewinn: 12,58 Millionen Euro waren es 2017. Der Schiffsverkehr ist jedoch zum Nebengeschäft geworden. Die Häfen sind heute in erster Linie Industrie- und Gewerbegebiete mit exzellenter Verkehrsanbindung; der Nürnberger Hafen etwa liegt direkt an der A 73. Auf seinem Gelände haben sich zahlreiche Logistikfirmen mit großen Fuhrparks angesiedelt. Die Vermietung und Verpachtung von Gewerbegrund ist die Haupteinnahmequelle von Bayernhafen. 2017 (für 2018 wurden noch keine Zahlen veröffentlicht) stammten fast 29 Millionen Euro von insgesamt 35,5 Millionen Euro Umsatz aus diesem Geschäftsbereich. Bayerische Binnenhäfen sind als Standorte nicht (nur) gefragt, weil sie naturgemäß am Wasser liegen. Sondern weil sich dort Verkehrsträger verknüpfen lassen. Also Wasser, Straße und Schiene.

Güterumschlag

Auf dem Main-Donau-Kanal sind pro Jahr etwa 4000 Frachtschiffe und 1400 Kreuzfahrtschiffe unterwegs - im Schnitt also 15 Schiffe pro Tag. Nimmt man Main und Donau dazu, ist der Verkehr auf Bayerns Wasserstraßen zwischen Aschaffenburg und Passau etwas stärker, aber immer noch übersichtlich. Das Landesamt für Statistik hat 2018 insgesamt 9200 Vorgänge registriert, bei denen Frachtschiffe an einem Hafen in Bayern ein- oder ausluden. Am häufigsten war das in Regensburg: knapp 2000 Mal. Die Güterumschlagszahlen an allen bayerischen Häfen (nicht nur den staatlichen) sind nach einem Hoch Mitte der Neunzigerjahre von knapp 15 Millionen Tonnen auf 6,5 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr gesunken. henz

Kein Wunder, dass die zweitwichtigste Säule in der Bilanz von Bayernhafen der Güterverkehr auf der Schiene ist. Im Hafen Nürnberg stapeln sich Container zu meterhohen Wänden. Doch anders als dereinst von bayerischen Verkehrspolitikern erträumt, werden die meisten nicht auf Schiffen, sondern mit Zügen zu den Überseehäfen an Nord- und Ostsee transportiert. Von Nürnberg fahren sie täglich nach Hamburg, Bremerhaven und Rotterdam. Und mindestens einmal die Woche direkt nach China. Da spielt der Schiffsverkehr selbst eine untergeordnete Rolle. Erst recht in Niedrigwasserjahren wie dem vergangenen. 8,8 Millionen Tonnen Güter wurden 2018 in den sechs landeseigenen Häfen umgeschlagen, nur 28 Prozent davon landete auf Schiffen.

Bayernhafen-Geschäftsführer Joachim Zimmermann fordert seit Jahren mehr politische Unterstützung für den Güterverkehr auf dem Wasser. Positiv wertet er deshalb den Masterplan Binnenschifffahrt, den das Bundesverkehrsministerium Mitte Mai präsentiert hat. Darin kündigt der Bund an, wieder mehr Geld in die Bundeswasserstraßen zu investieren. "Der Zustand der Wasserstraßeninfrastruktur ist geprägt von einem langjährigen Investitionsdefizit", heißt es recht schonungslos im Masterplan selbst. Gleichzeitig ärgert sich Zimmermann auch über die Bundespolitik, weil die Bahn als bundeseigenes Unternehmen den Wasserstraßen in einem wichtigen Bereich Konkurrenz machen darf: dem Transport von Massengütern wie Steinen und Erden. Sie gehörten aufs Wasser, findet der Bayernhafen-Chef, damit auf der Schiene Kapazitäten für Sattelaufleger freiwerden. Laut Zimmermann werden 2019 allein sechs Millionen Tonnen Eisenerz von der Bahn von Rotterdam nach Österreich transportiert - parallel zu Rhein, Main und Donau.

Kapitän Boll hat inzwischen die Karola mit den beiden Trafos zum Auslaufen vorbereitet. Für ihn steht außer Frage, dass Bayerns Häfen weiter gebraucht werden: "Der Main-Donau-Kanal ist ein Verkehrsträger, der unbedingt sein musste."

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SZ vom 14.06.2019/vewo
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