Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Bayerns Grundwasser wird stärker geschützt

Eine Landkarte weist neue rote Gebiete im Freistaat aus. Dort ist das Wasser besonders stark mit Gülle und Kunstdünger belastet - und die Bauern müssen mehr tun für den Schutz. Reicht das? Da sind einige skeptisch.

Von Christian Sebald

Es war ein erbitterter Streit. Aber die EU-Kommission hat keinen Zweifel gelassen, dass Deutschland und damit auch Bayern sehr viel mehr tun müssen für den Schutz des Grundwasser vor Verunreinigungen aus der Landwirtschaft. Zuletzt drohte die Kommission mit hohen Strafzahlen. Bis zu 860 000 Euro am Tag sollten fällig werden, falls Deutschland sich weiter verweigert. Erst dann haben Bund und Länder eingelenkt. Sogar Bayern beugte sich - obwohl sich Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) bis zuletzt besonders kampfeslustig gab.

An diesem Mittwoch veröffentlicht Kaniber eine Karte mit den neuen sogenannten roten Gebieten in Bayern. Das sind all die Regionen, in denen das Grundwasser so stark mit den Überresten von Gülle und Kunstdünger belastet ist, dass die Bauern von 2023 an verschärfte Vorgaben beim Bewirtschaften ihrer Flächen einhalten müssen. Für die Bevölkerung, Kommunen und die Wasserversorger ist das erst einmal ein guter Tag. Denn das Trinkwasser in Bayern stammt zu 85 Prozent aus Grundwasser.

Gleichwohl äußern sich Kommunen und Wasserversorger verhalten. "Ich bin gespannt, ob die Staatsregierung wieder einen Knicks vor den Bauern macht", sagt der Abensberger Bürgermeister Uwe Brand (CSU). Er ist außerdem Präsident des Gemeindetags und als solcher oberster Sprecher von mehr als 2000 kleinen kommunalen Wasserversorgern. Brandl kämpft seit Jahren für den besseren Schutz des Grundwassers. Ihn ärgert besonders, dass Bayern deutlich weniger und vor allem kleinere Wasserschutzgebiete hat als die meisten anderen Bundesländer. "Es ist nicht richtig, dass die Bauern ihre Flächen immer weiter hochdüngen können", sagt er. "Wir brauchen eine erweiterte Schutzkulisse."

Auch Detlef Fischer vom Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) ist zurückhaltend. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagt er zwar. Der Grund: Die Gebiete, in denen künftig die schärferen Düngevorgaben gelten, umfassen fast ein Drittel mehr Fläche als ihre Vorgänger. Aber wirklich zufrieden ist Fischer nicht. "Um die reale Belastung des Grundwassers feststellen zu können, benötigen wir in jedem Fall viel mehr Messstellen", sagt er. "Bis zu einem flächendeckend wirksamen Grundwasserschutz ist es in Bayern noch ein langer Weg."

Nitrat steht im Verdacht, Krebs auszulösen

Der Streit dreht sich um das Nitrat. Der Stoff ist wichtig für das Gedeihen der Pflanzen. Die Bauern bringen ihn in Form von Gülle oder Kunstdünger auf ihren Äckern und Weiden aus - vielerorts in so rauen Mengen, dass die Nutzpflanzen ihn nicht zur Gänze aufnehmen können, sondern ein großer Teil im Lauf der Zeit ins Grundwasser sickert. Vor allem in Niederbayern, Nordschwaben und Franken ist das Grundwasser bereits stark mit Nitrat belastet. Dabei ist es in hohen Konzentrationen eine Gefahr für Flora und Fauna - und für den Menschen. Nitrat steht im Verdacht, Krebs auszulösen.

Für Trinkwasser gilt seit Jahren EU-weit ein Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter. Er wird inzwischen an vielen Grundwasser-Messstellen gerissen. Ebenso der Vorsorgewert von 37,5 Milligramm je Liter, ab dem die Wasserversorger etwas gegen das Nitrat im Grundwasser tun müssen. An mehr als 27 Prozent der Messstellen in Bayern übersteigt der Nitratgehalt den Schwellenwert von 25 Milligramm je Liter, ab dem das Grundwasser offiziell als "von menschlichem Handeln beeinflusst" eingestuft wird.

Der Streit mit der EU-Kommission drehte sich zuletzt um die Ermittlung und die Ausdehnung der sogenannten roten Gebiete. Das sind die Regionen, in denen das Grundwasser vor weiteren Nitrat-Einträgen geschützt werden muss. Die Methode für die Ausweisung der roten Gebiete ist komplex und ein Mix aus Messungen und Modellierungen. Die roten Gebiete waren von Anbeginn hoch umstritten. Denn die Bauern dort bekommen eine ganze Reihe Auflagen verordnet. Die wichtigste: Sie müssen die Düngung um 20 Prozent reduzieren. Außerdem müssen sie in der kalten Jahreszeit längere Sperrfristen einhalten, auf ihren Äckern Stickstoffproben nehmen und dergleichen mehr.

Der Aufschrei der Bauern war heftig

Bei der ersten Ausweisung 2018 wurden bayernweit 830 000 Hektar Agrarland als rote Gebiete eingestuft. Das sind etwa 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen im Freistaat und ist nach Auffassung von Fachleuten nach wie vor ein ziemlich genaues Abbild der Realität. Allerdings war der Aufschrei der Bauern so heftig, dass die Staatsregierung postwendend zurückruderte und eine neue Methodik der Ausweisung wählte. Auf ihrer Basis stufte sie 2021 nur knapp 400 000 Hektar (zwölf Prozent) des Agrarlands als rote Gebiete ein. Dabei spielte die EU-Kommission nicht mit. Sie erzwang einen erneuten Methodenwechsel. Nun umfassen die roten Gebiete fast 550 000 Hektar oder 17 Prozent des Agrarlands.

Das ist zwar nach wie vor deutlich weniger als nach der ersten Ausweisung. Aber die Bauern und Agrarministerin Kaniber akzeptieren die neue Gebietskulisse nur deshalb, weil sich die EU-Kommission mit weniger auf keinen Fall abfinden würde. "Die neu auszuweisenden Gebiete sind nicht in Stein gemeißelt", sagt Kaniber wie zur Besänftigung der Landwirte. "Wir wollen im Jahr 2025 die Ausweisung erneut aktualisieren." Zugleich macht die Ministerin keinen Hehl daraus, dass sie "sehr enttäuscht ist" von der EU-Kommission.

Beim Bayerischen Bauernverband (BBV) halten sie zumindest nach außen hin still. "Unsere Bäuerinnen und Bauern stehen zu einer nachhaltigen Landbewirtschaftung, die Umwelt und Ressourcen schont", sagt Bauernpräsident Günther Felßner. Intern freilich heißt es, dass es in dem einen oder anderen neuen roten Gebiet sicher Bauern geben wird, die sich per Klage gegen die Auflagen für mehr Grundwasserschutz wehren werden.

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