Grundschulen in Bayern:Jetzt bekommen die Lehrer ihre Zeit zurück

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Das bayerische Kultusministerium hat für die Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen ein neues Arbeitszeitkonto vorgestellt.
Das bayerische Kultusministerium hat für die Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen ein neues Arbeitszeitkonto vorgestellt. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Ex-Kultusminister Piazolo ordnete an, dass Lehrkräfte an Grundschulen eine Stunde mehr arbeiten. Die protestierten heftig,  der VGH kassierte die Verordnung. Nun hat seine Nachfolgerin ein neues Arbeitszeitkonto präsentiert. Doch auch daran gibt es Kritik.

Von Anna Günther

Das Kultusministerium präsentiert ein neues Arbeitszeitkonto für Grundschullehrkräfte – und will ihnen einen Teil der zu viel geleisteten Arbeitszeit erstatten. Damit bügelt das Haus von Ministerin Anna Stolz (Freie Wähler) aus, was der bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) vor vier Monaten für rechtswidrig erklärt hatte. Die Rechtsgrundlage für die seit 2020 von einem Großteil der Grundschullehrkräfte geleistete Stunde Mehrarbeit hatte der VGH im November 2024 kassiert. Die Richter hatten dem Kultusministerium aber erlaubt, rückwirkend eine neue Regelung zu schaffen.

Davon machen die Juristen im Ministerium nun Gebrauch: Das neue Arbeitszeitkonto, das rückwirkend zum Schuljahr 2021/22 gelten soll, orientiert sich an einer neuen Datenlage für den Lehrerbedarf, funktioniert aber im Grunde wie das alte. Laut Ministerium werden die Phasen kürzer: Vier statt fünf Jahre lang sollen die Überstunden angespart werden, bevor dann nach einer dreijährigen Pause die vierjährige Abbauphase startet. Damit ist nach Angaben des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) die Ansparphase mit Mehrarbeit für einen Teil der Lehrer schon vorbei.

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Alle Lehrkräfte, die schon im Schuljahr 2020/2021 mehr unterrichtet haben, bekommen dieses Jahr zurückerstattet und können entscheiden, ob die Stunden ausbezahlt werden sollen, sie früher in die Abbauphase eintreten oder tageweise freihaben. Details würden aber noch erarbeitet, heißt es.

Kultusministerin Stolz nennt dieses neue Arbeitszeitkonto samt Rückzahlung ein „faires Modell“, mit dem sie den „Lehrkräften so weit wie möglich“ entgegenkomme. Eines, das „eng“ mit Hauptpersonalrat und BLLV abgestimmt wurde, sagt Stolz. Sie freue sich über den „gemeinsamen Weg“. Das kann man auch als Querschüsse unerwünscht lesen.

Schließlich war es mit maßgeblicher Unterstützung des BLLV überhaupt erst zum Normenkontrollverfahren gekommen: Petra Falter, eine Schulleiterin aus dem Landkreis Regensburg, hatte es mit Unterstützung des Verbandes angestrengt. „Weil es reicht“, sagte Falter nach der VGH-Verhandlung im vergangenen Sommer, ohnehin werde den Grundschulen zu viel aufgebürdet und es bleibe ja nicht bei der zusätzlichen Unterrichtsstunde. Vor- und Nachbereitung kämen noch dazu und sowieso hätten die Grundschulen im Vergleich zu den anderen Schularten die höchste Wochenstundenzahl. „Ich mache das ja nicht für mich, sondern für alle Grundschulen.“

Mit einem Maßnahmenpaket hatte Stolz' Vorgänger Michael Piazolo 2020 versucht, dem Lehrermangel an Grund-, Mittel- und Förderschulen Herr zu werden. Diese Maßnahmen lösten große Proteste aus. Rechtswidrig ist aus Sicht der VGH-Richter aber nur die von den Grundschullehrkräften geleistete, zusätzliche Unterrichtsstunde. Davon abgesehen wurden damals auch das Mindestalter für vorzeitigen Ruhestand auf 65 Jahre angehoben, das Sabbatjahr gestrichen und eine höhere Mindestarbeitszeit für Teilzeit eingeführt. Diese Regeln gelten auch für Mittel- und Förderschullehrer.

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Durch das Arbeitszeitkonto werden nur Grundschullehrkräfte „einseitig und gleichheitswidrig in Anspruch genommen“, heißt es im VGH-Urteil. Die Richter und Richterinnen störten sich unter anderem an der Berechnung und der Datengrundlage des Kultusministeriums sowie daran, dass überzählige Grundschullehrkräfte auch an den Mittelschulen eingesetzt werden sollten. Dort ist der Lehrermangel noch größer, denn anders als beim Grundschullehramt ist mit wenig Lehrernachwuchs zu rechnen.

Eine komplette Rücknahme des Piazolo-Pakets, die BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann gefordert hatte, war daher auch mit dem VGH-Urteil nicht zu erwarten. Zu groß ist der Lehrermangel an Bayerns Schulen. Laut dem neuen Konzept zur Unterrichtsversorgung, das Ministerin Stolz vor zwei Wochen präsentiert hatte, können die Grund-, Mittel- und Förderschulen sogar froh sein, dass nicht zusätzliche Einschnitte auf sie zukommen. Sondern die seit fünf Jahren geltenden Maßnahmen zur „Mehrarbeit“ so bleiben. Allerdings soll das Sabbatjahr künftig wieder möglich sein.

„Die Unterrichtsversorgung bleibt leider angespannt, weshalb wir zusätzlich auch dafür werben müssen, dass Lehrkräfte in Teilzeit ihre Stundenzahl vor Ort weiter erhöhen“, lässt sich die Ministerin in der Mitteilung zum neuen Arbeitszeitkonto zitieren. Anders als etwa Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der öffentlich über Teilzeiteinschränkungen per Gesetz nachgedacht hatte, setzt Anna Stolz derzeit noch auf Freiwilligkeit.

Die enge Abstimmung zwischen Ministerium und Gewerkschaften scheint zu wirken: Scharfe Kritik war aus dem BLLV nicht zu vernehmen. Verbandschefin Fleischmann sprach von einem „Schritt in die richtige Richtung“ – und forderte eine Entschuldigung für die „ungerechtfertigten Maßnahmen auf dem Rücken der Lehrkräfte“. Markus Weinberger von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nannte die geplanten Rückzahlungen „Trostpflaster“. Auch er war als Hauptpersonalrat in die Absprachen einbezogen. Trotzdem betonen beide Verbände, weiter für die Abschaffung des Piazolo-Pakets kämpfen zu wollen.

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