Grüne vor der Kommunalwahl:Zwischen Trachtenverein und Fridays for Future

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Eva Lettenbauer freut sich, nachdem sie zur neuen Landesvorsitzenden der bayerischen Grünen gewählt wurde. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die 26-jährige Landtagsabgeordnete Eva Lettenbauer wird zur neuen Grünen-Chefin gewählt. Zusammen mit ihrem Co-Vorsitzenden Eike Hallitzky bereitet sie die Partei auf einen "knüppelharten Wahlkampf" vor.

Von Florian Fuchs, Lindau

Kommunalpolitik kann mühsam sein, Sophie Schumacher hat das schon in jungen Jahren erlebt. 2014 ist die heute 23-Jährige in den Gemeinderat von Germering im Landkreis Fürstenfeldbruck gewählt worden, ziemlich überraschend, wie sie sagte. Die Oppositionsarbeit sei schon manchmal frustrierend, erzählte sie beim Landesparteitag der Grünen in Lindau, und erntete gleich Applaus und einen Lacher: Als größten Erfolg in ihrer politischen Arbeit habe sie bislang verbucht, dass die Hundekotbeutel bei ihr im Ort "nicht mehr aus reinem Plastik" sind.

Die Grünen wollen "die Rathäuser Bayerns stürmen", so hat es der Landesvorsitzende Eike Hallitzky in Lindau von der Bühne gerufen. Oppositionsarbeit und Hundekotbeutel wollen sie nach dem März 2020 vielerorts hinter sich lassen, sie wollen Oberbürgermeister, Landräte und viele Bürgermeister stellen, dazu die Zahl der Mandate um 700 auf 2500 erhöhen. "Wir können kommunale Spitze", dieser Satz der scheidenden Landesvorsitzende Sigi Hagl fiel am Wochenende vor 350 Delegierten mehr als einmal. Auf dem Weg zum allseits erwarteten großen Erfolg bei der Kommunalwahl wird Hagl, die in Landshut als Kandidatin fürs Oberbürgermeisteramt antritt, künftig von Eva Lettenbauer ersetzt. Die 26-Jährige setzte sich bei der Wahl zur neuen Landesvorsitzenden mit 63,2 Prozent der Stimmen klar gegen Judith Bogner durch und steht künftig an der Seite des 60-jährigen Hallitzky.

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Lettenbauer hat eine klassische Parteikarriere durchlaufen. Nach ihrem Eintritt 2011 übernahm sie 2017 in Donau-Ries den Kreisvorsitz. 2015 wählte sie die Grünen-Jugend zur Sprecherin, 2018 zog die studierte Wirtschaftsingenieurin in den Landtag ein. Die jüngste Landesvorsitzende aller Zeiten sei "die ideale Partnerin", sagte ihr künftiger Partner im Landesvorsitz, Eike Hallitzky. "Sie ist jung, hat aber trotzdem große Erfahrung und war vor allem schon immer einer starke Netzwerkerin." Das werde der Partei helfen, stärker mit einer Stimme zu sprechen. Im Landtagswahlkampf profilierte sie sich als Mittlerin zwischen Jugendorganisation und Partei. Da Lettenbauer als Landesvorsitzende weiter im Landtag sitzen wird, werde "etwas mehr organisatorische Arbeit bei mir hängen bleiben", sagte Hallitzky.

Das alte Credo der Grünen, wonach Amt und Mandat getrennt sein sollen, war durchaus Thema beim Parteitag, am Samstag kündigte etwa Hermann Hager vom Kreisverband Mühldorf Bedenken an. Man dürfe nicht den Fehler wie die anderen Parteien machen und "diese altverzopften All-in-one-Lösungen" schaffen. Lettenbauer kündigte in ihrer Rede an, auf ihren Posten als stellvertretende parlamentarische Geschäftsführerin im Fraktionsvorstand zu verzichten, musste aber vor der Abstimmung noch einmal auf Nachfrage dazu Stellung nehmen. Als Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete könne sie Synergien schaffen, die Vernetzung helfe letztlich, sagte sie. Darauf hob auch Hallitzky ab: Es mache deshalb sogar Sinn, dass Lettenbauer Amt und Mandat vereine. Die Konstellation habe es schon früher mit Theresa Schopper und Margarete Bause gegeben. "Es hat sich bewährt", sagte Hallitzky.

Lettenbauer kündigte in ihrer Bewerbungsrede an, mit "wirksamen Klimaschutzkonzepten", etwa einem Komplett-Umstieg auf Erneuerbare Energien, die CSU herausfordern zu wollen. Ein von den Grünen verabschiedetes Zehn-Punkte-Programm sieht vor, Energieagenturen in allen Landkreisen einzurichten und die Stromversorgung zu regionalisieren. Beim Bau öffentlicher Gebäude wollen die Grünen auf nachwachsende Rohstoffe wie Holz zurückgreifen, Häuser sollen klimaneutral mit Wärme versorgt werden. Solar- und Windenergie sollen gefördert und Rad- und Fußwege ausgebaut werden. Entscheidend werde aber auch sein, betonte Lettenbauer, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Eine Kampfansage auch an die SPD, die weitere Redner ein ums andere mal wiederholten, der Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann etwa sprach die Wohnungsnot an.

Der Landesvorsitzende Hallitzky kündigte zudem an, im nächsten Jahr einen intensiven Dialog mit der Wirtschaft führen zu wollen. Unternehmer "wollen und brauchen klare Leitplanken", um ihre Firmen für die Zukunft ausrichten zu können. Da lasse die CSU die Unternehmer im Stich. Überhaupt griff Hallitzky die Regierungspartei scharf an, er erwartet einen "knüppelharten Wahlkampf" und setzte Söder in eine Reihe mit Donald Trump und Boris Johnson. Auch der Ministerpräsident "lügt wissentlich, um Mitbewerber zu diskreditieren" - etwa wenn er den Grünen vorwirft, Fleischverbote und Flugverbote zu fordern.

Gerade auf dem Land wird "die Eroberung der Rathäuser" für die Partei traditionell schwieriger als in den Städten. In Bayern gibt es viele hellgrüne Flecken, etwa in Oberfranken, der Oberpfalz oder in Niederbayern. Sigi Hagl verkündete, dass die Grünen 2014 erstmals flächendeckend in allen Landkreisen und Städten angetreten seien. "Diesmal werden es noch viel mehr Listen."

Was die Spitzenkandidaten auf diesen Listen dann nach der Wahl im März 2020 erwartet, so sie denn erfolgreich sind, kann Angelika Obermayr gut erläutern. Seit 2014 ist die 60-Jährige Erste Bürgermeisterin in Grafing bei München, ihre Parteikollegen ahnten teilweise noch gar nicht, sagt sie, was es bedeute, eine grüne Bürgermeisterin zu haben. Fraktion der Chefin oder des Chefs zu sein, mache unheimlich viel aus: "Da ist die Verwaltung bei Anliegen gleich viel netter." Aber natürlich berichtet sie auch vom Spagat zwischen Trachtenverein und Fridays for Future und rät allen Kandidaten, rauszugehen zum Feuerwehrfest und zum Schützenfest. Die Macht bringt es auch mit sich, dass die Fraktion sich manchmal beklage, dass sie zu wenig grün sei, sagt Obermayr. Grafing sei eine Wachstumsgemeinde, da müsse Bauland ausgewiesen werden. "Aber Dreispänner sind das höchste der Gefühle. Und alle Neubaugebiete sind ans Nahwärmenetz angeschlossen."

© SZ vom 21.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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