Vor dem Landesparteitag:Bayerns Grüne sind auf Expansionskurs

Landesparteitag der bayerischen Grünen

Landeschefin Sigi Hagl will Oberbürgermeisterin werden.

(Foto: dpa)

Sechs Jahre führte Sigi Hagl die Partei an, bald wird ihr Co-Chef Hallitzky eine neue Partnerin bekommen. Ihre Amtszeit wird als bislang erfolgreichste in die Geschichte des grünen Landesverbands eingehen.

Von Anna Günther und Wolfgang Wittl

Es war einer jener seltenen ehrlichen Momente in der Politik, in dem der Redner auf jede Form von Etikette pfeift. Die bayerischen Grünen feierten ihren 40. Geburtstag, da rief Eike Hallitzky mitten in die Jubelstimmung: "Ich finde es äußerst schlecht, dass die Sigi den Landesvorsitz aufgibt." Sechs Jahre führte Sigi Hagl Bayerns Grüne an, fünf mit ihrem Co-Chef Hallitzky. Er wird am Wochenende in Lindau eine neue Partnerin bekommen. Die Wahl entscheidet sich zwischen der schwäbischen Landtagsabgeordneten Eva Lettenbauer und der Oberbayerin Judith Bogner. Sicher ist nur, dass das niederbayerische Duo Hagl/Hallitzky getrennt wird.

Ihre Amtszeit wird als bislang erfolgreichste in die Geschichte des grünen Landesverbands eingehen. Allein seit Oktober 2018 gründeten sich 90 Ortsverbände, die Zahl der Mitglieder stieg um 4000 auf fast 15 000. Es ist die Fortsetzung des Höhenflugs der Landtagswahl, als die Grünen ihre Mandate mehr als verdoppelt hatten - und der sie auch bei den Kommunalwahlen am 15. März in neue Sphären führen soll. So richteten Hagl und Hallitzky ihren Blick am Mittwoch nicht nur zufrieden zurück, sondern voller Ehrgeiz nach vorne.

Pk zu 40 Jahre Grüne Bayern

Die Grünen bei einer Pressekonferenz zu 40 Jahre Grüne Bayern.

(Foto: dpa)

Auf dem Landesparteitag in Lindau werden sie 347 Delegierte auf den Kommunalwahlkampf einschwören. Neben der Wahl einer Landeschefin stehen 32 Anträge auf der Tagesordnung. Die Erwartungen sind groß. Bayerns Grüne wollen die Stimmung in der klimabewegten Bevölkerung nutzen, die sie zur zweitstärksten Kraft im Landtag machte. 2500 Mandate wollen die Grünen erreichen, 700 mehr als jetzt. Ihren Anteil bei Landräten (derzeit zwei) und Bürgermeistern (17) wollen sie verdoppeln. Und man wolle endlich einen Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin stellen, sagt Hagl nicht ganz uneigennützig. Sie zählt selbst zu den aussichtsreichen Bewerberinnen. Hagl will in Landshut Alexander Putz (FDP) ablösen.

Die Strukturen auf dem Land können mit den jüngsten Erfolgen noch nicht ganz mithalten. Trotz etlicher neuer Ortsvereine reicht es nicht, um in jeder Kommune eine eigene Liste aufzustellen. "Da haben wir auch gar keinen Überblick", sagt Hallitzky. Mehr Listen als vor fünf Jahren wird es dennoch geben: "Wir stellen in jedem Kreis, in jeder kreisfreien Stadt auf."

"Die Aussichten sind gut, die Ausgangsposition auch"

Auch inhaltlich haben die Grünen sich einiges vorgenommen: Ein Schwerpunkt im Wahlkampf wird wenig überraschend der Klimaschutz sein. Das Ziel sind klimaneutrale Kommunen. Dafür müsse das Mobilitätsangebot in den Städten und auf dem Land umgebaut werden, Flächenfraß verringert und nur noch behutsam nachverdichtet - im Ortskern, nicht am Ortsrand. Außerdem wollen die Grünen bezahlbares Wohnen ausbauen, mit mehr kommunalen Wohnbaugesellschaften und einer Quote von 30 bis 50 Prozent für sozialen Wohnungsbau. Der Leitantrag auf dem Parteitag soll den Zusammenhalt stärken. Ihre Idee von Klimaschutz werde keine soziale Spaltung hervorrufen, versichern die Landeschefs. Die CO₂-Abgabe soll als "Energiegeld" an die Bevölkerung zurückfließen. "Wer sich klimafreundlich verhält, kann daran auch verdienen. Wer schädlich handelt, muss dafür bezahlen", sagt Hallitzky.

Abgerechnet wird am Mittwoch in der grünen Landeszentrale auch mit dem Regierungschef und seinem Stellvertreter. Hallitzky wirft Markus Söder (CSU) vor, seine Plädoyers für einen fairen Stil selbst zu unterlaufen. "Wir haben in den letzten Wochen erlebt, dass der bayerische Ministerpräsident beispielsweise gesagt hatte, die Grünen wollen ein sofortiges Heizungsverbot, Fleischverbote, Flugverbote", kritisiert Hallitzky. Das sei "schlicht gelogen".

Der Grünen-Chef fordert einen respektvollen Umgang ein. Andere zu diffamieren und Lügen als bewusstes politisches Mittel einzusetzen, "das erleben wir bei Trump, bei Orbán - und in anderem Zusammenhang auch bei Aiwanger". Ob sich der stellvertretende bayerische Ministerpräsident in dieser Reihe wohlfühlt? Hubert Aiwanger hatte gesagt: "Ich bin überzeugt, Bayern und Deutschland wären sicherer, wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte" - und Kritikern eine böswillige, absichtliche Fehlinterpretation vorgeworfen. "Es ist nicht anders interpretierbar", sagt Hallitzky. Das sei ein unverhohlener Aufruf zur Selbstbewaffnung, eine solche Rede habe in einer zivilisierten politischen Auseinandersetzung nichts zu suchen.

Mehr Spaß macht es den Grünen ohnehin, über sich selbst zu reden. "Mit deinem Namen wird der Aufstieg der Grünen immer verbunden sein", ruft Hallitzky seiner Co-Chefin zu. Bei der Feier lobte er: "Sie wird eine super Oberbürgermeisterin." So weit will Hagl noch nicht gehen. Sie sagt: "Die Aussichten sind gut, die Ausgangsposition auch."

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