Drogenhandel in Bayern:Grüne fordern stringenteres Vorgehen gegen die Mafia

Kokain

Der Kokainmissbrauch nimmt in Bayern kontinuierlich zu. Der Handel in Europa wird von der italienischen 'Ndrangheta dominiert.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Die Organisierte Kriminalität stelle "eine immer noch vielfach unterschätzte Gefahr für die Innere Sicherheit dar", sagt Katharina Schulze. Die Grünen-Politikerin fordert Investitionen und ein Umdenken.

Von Johann Osel

Italienische oder nigerianische Mafia, kriminelle Rockerszene, Drogenhandel - die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Schulze, fordert von der Staatsregierung ein stringenteres Vorgehen gegen Organisierte Kriminalität (OK). Diese stelle "eine sehr ernsthafte und trotzdem immer noch vielfach unterschätzte Gefahr für die Innere Sicherheit auch in Bayern dar", bleibe für die Bürgerinnen und Bürger aber meist unsichtbar. Schulze erwartet, dass die Regierung das Problem OK "endlich ernst nimmt und gezielt gegen diese vorgeht". Dazu gehörten vor allem eine bessere personelle und materielle Ausstattung von Kriminalpolizei und Justiz. Insbesondere im IT-Bereich müssten Fachkräfte gewonnen und ausgebildet werden. Außerdem brauche es "funktionsfähigere Strukturen für den Informationsaustausch" im Inland und Ausland.

Anlass für Schulzes Forderung ist ein inhaltlicher Aufschlag, den sie mit Parteikolleginnen unternommen hat. Mit Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion und Polizistin, sowie der Hamburger Juristin Sina Imhoff hat sie ein Strategiepapier zur Bekämpfung der Mafia verfasst - mit Blick darauf, was Länder und Bund den Autorinnen zufolge tun sollten. Zu derlei Themen stellt Schulze auch regelmäßig Anfragen an die Regierung.

Kernforderung des Papiers ist eben der "konsequenten Personalaufbau bei Kriminalpolizei und Justiz", zudem die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für den Bereich OK (das ist gleichwohl in Bayern längst passiert). Personell seien Quereinstieg und Anreize für Experten aus der Privatwirtschaft, vor allem im IT-Bereich, zu verbessern, die "Eintrittsbarrieren" in die Kripo müssten sinken. Bei der IT-Ausstattung seien Investitionen nötig, zum Beispiel in mobile Endgeräte. Darüber hinaus solle der Staat in Forschung investieren - die Erkenntnisse über Tätigkeiten der OK seien "naturgemäß begrenzt". Über die polizeiliche Kriminalstatistik und Lagebilder erkenne man aber nur das Hellfeld und eine Bilanz konkreter Ermittlungsverfahren; weitere Studien seien ratsam.

Der Kokainmissbrauch in Bayern nimmt kontinuierlich zu

Nicht zuletzt gebe es Reformbedarf bei Rauschgift: "Bisherige Ansätze einer Drogenpolitik, die vor allem repressive Maßnahmen vorsieht, haben zu keiner wesentlichen Verbesserung geführt." Etwa Abwasseranalysen zeigten das tatsächliche Konsumverhalten im Land. Die Grünen fordern eine "moderne Drogenpolitik", die Konsumenten entkriminalisiere, Prävention nach vorne stelle und den Schwerpunkt der Strafverfolgung auf die Strukturen hinter dem Drogenhandel setze. Kontrollierte Cannabis-Abgabe gehöre dazu, zur Entlastung der Sicherheitsbehörden. Etwa der Kokainmissbrauch, erfuhr Schulze auch über Anfragen, nehme in Bayern kontinuierlich zu. 2019 wurden im Freistaat 615 Kilogramm sichergestellt, Tendenz steigend (was aber auch am Verfolgungsdruck liegen dürfte). 17 Menschen seien 2019 an Kokainmissbrauch verstorben, die Zahl der Patienten, die ambulant oder stationär behandelt werden müssen, steige jedes Jahr. Den Kokainhandel in Europa soll die italienische 'Ndrangheta dominieren.

Allerdings ist die Forcierung der OK-Bekämpfung durch die Staatsregierung nicht zu bestreiten. Als organisiert gilt Kriminalität, wenn die "von Gewinn- und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten" in gewerblichen Strukturen abläuft und mehrere Verbrecher mitmachen. Zuletzt führten Bayerns Polizei und Justiz jährlich knapp 80 OK-Verfahren. Um die Schlagkraft zu erhöhen, wurden Spezialeinheiten bei den grenznahen Staatsanwaltschaften gegründet. Zunächst 2018 in Traunstein, seither wurde das Modell ausgedehnt - auf Landshut, Kempten, Regensburg, Hof, Memmingen und Amberg. Die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg funktioniere "effektiv", betonten Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) im Dezember anlässlich eines OK-Lagebilds.

Zum "bayerischen Erfolgsrezept" gehörten spezialisierte Einheiten an allen Polizeipräsidien, ein eigenes Dezernat im LKA sowie die Befugnis des Verfassungsschutzes, OK zu beobachten; dies gestatten viele andere Bundesländer nicht.

Zur SZ-Startseite
Auf der Friedrichstraße Ecke Taubenstrasse wächst in einem Blumenkübel ganz unbehelligt von den Passanten und scheinbar

SZ PlusDrogendelikte vor Gericht
:München, die Stadt der Kiffer

Kokain nehmen eher hippe Leute, Heroin ist als Elendsdroge fast aus der Stadt verschwunden. Und Cannabis? Ist dem Münchner Amtsgericht zufolge "die Droge Nummer eins". Gekifft wird offenbar in rauen Mengen - und in allen Bevölkerungsschichten.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: