Artenschutz:Die Großen Brachvögel sind zurück

Artenschutz: Für Vogelkundler eine echte Sensation: Auf dem ehemaligen Fliegerhorst der Bundeswehr in Fürstenfeldbruck hat sich eine Brachvogel-Kolonie gebildet.

Für Vogelkundler eine echte Sensation: Auf dem ehemaligen Fliegerhorst der Bundeswehr in Fürstenfeldbruck hat sich eine Brachvogel-Kolonie gebildet.

(Foto: Erich Pöhmerer)

Eigentlich sind die Tiere in Bayern vom Aussterben bedroht. Nahe Fürstenfeldbruck hat sich dieses Jahr eine kleine Kolonie etabliert. Aber auch sie steht vor einer ungewissen Zukunft.

Von Christian Sebald

Damit hat der Vogelkundler Simon Weigl in seinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Vor mehr als 20 Jahren sind die letzten Großen Brachvögel aus der Region Fürstenfeldbruck verschwunden. Nur ab und an zogen welche auf dem Rückflug aus ihren Überwinterungsgebieten im Mittelmeerraum am Himmel vorbei. Nun sind die Brachvögel plötzlich wieder da. Und zwar auf dem früheren Fliegerhorst der Bundeswehr, der jetzt ein europäisches Naturschutzgebiet ist.

Gleich zehn Große Brachvögel sind auf dem riesigen Gelände im Frühjahr gesichtet worden. Aber nicht nur das. Die Männchen und Weibchen der kleinen Kolonie haben gebalzt, gebrütet und wenigstens drei Junge groß gezogen. "Das ist eine Sensation", sagt Weigl, der für den Landesbund für Vogelschutz (LBV) arbeitet. "Unser Fliegerhorst und das Ampermoos, das auch zu unserer Region gehört, sind die einzigen bekannten Gebiete in Bayern, in denen sich der Große Brachvogel wieder als Brutvogel etabliert hat, nachdem er dort schon einmal verschwunden war."

Der Große Brachvogel gilt unter Fachleuten als das Paradebeispiel für den Niedergang der Artenvielfalt in Bayern. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Schnepfenvögel mit dem auffälligen, graubraun gefleckten Gefieder und dem langen, kräftigen und gebogenen Schnabel weit verbreitet waren hierzulande. Ihre Lebensräume waren die Moore und Wiesenlandschaften an den großen und kleinen Flüssen. Inzwischen zählt der Große Brachvogel zu den seltensten Arten im Freistaat. Auf der Roten Liste wird er schon lange in Kategorie I geführt. Das heißt, die Art ist akut vom Aussterben bedroht.

Mit GPS-Sendern werden die Tiere beobachtet

"Bayernweit gibt es keine 500 Brutpaare mehr", sagt die Biologin Verena Rupprecht. Sie leitet ein groß angelegtes Forschungsprojekt des LBV über die Art. Der wohl wichtigste Grund für den dramatischen Schwund: Überall in Bayern sind in der Vergangenheit zahllose Moore und feuchte Wiesen trockengelegt und in Ackerland umgewandelt worden. Sie taugen deshalb nicht mehr als Lebensraum für Brachvögel und andere Wiesenbrüter. Dabei hat der Freistaat schon vor 40 Jahren ein millionenschweres Artenhilfsprogramm für sie aufgelegt. In seinem Rahmen werden die letzten Brutgebiete der Großen Brachvögel geschützt und möglichst wieder aufgewertet - indem der Freistaat beispielsweise Bauern Entschädigungen dafür bezahlt, wenn sie ihre Wiesen nicht so früh im Jahr mähen.

Der LBV hat sein Forschungsprojekt vor fünf Jahren gestartet. In seinem Rahmen hat er bis zu diesem Frühjahr 33 Tiere mit hochmodernen GPS-Geräten ausgestattet, neun davon waren zu dem Zeitpunkt noch am Sender. "Mit den Geräten können wir rund um die Uhr mitverfolgen, was die Brachvögel alles tun", sagt Rupprecht, "sogar in ihren Überwinterungsgebieten in Frankreich, Südspanien, Portugal und Marokko und auf ihren etliche tausend Kilometer langen Flügen hin und zurück." Der wohl prominenteste Brachvogel in dem Projekt ist die "Schnepfingerin". Die Süddeutsche Zeitung hat das Brachvogel-Weibchen mehr als ein Jahr lang in ihrer bayerischen Heimat im Königsauer Moos (Kreis Dingolfing-Landau) und in ihrem Überwinterungsgebiet im südspanischen Nationalpark Coto de Doñana begleitet.

Füchse fressen die Jungvögel

Inzwischen ist das Projekt in der Schlussphase. Dieses Jahr wollten Rupprecht und ihre Kollegen noch einmal acht jungen Brachvögeln Sender auf den Rücken schnallen. Die Geräte sollten bis mindestens 2024 Daten liefern. Doch auch dieses Jahr ist wieder ein schlechtes Brachvogel-Jahr. Im Donaumoos bei Neuburg an der Donau, das zu den wichtigsten Rückzugsgebieten der Art im Freistaat zählt, gab es überhaupt keinen Nachwuchs. Und im Königsauer Moos und im Altmühltal fiel er mit jeweils vier Jungvögeln extrem klein aus. Einzig das Dutzend Brutpaare in der Region um Wörth an der Donau, die ebenfalls ein wichtiges Brachvogel-Gebiet ist, war sehr erfolgreich. "Dort haben wir an die 13 flügge Jungvögel gezählt", sagt Rupprecht. "Das sind ungefähr doppelt so viele, wie zum Erhalt der Kolonie nötig wären." Für eine Stärkung der bayernweiten Population reichen diese Jungtiere aber bei weitem nicht aus.

Wie schlecht es um die Großen Brachvögel steht, kann man auch am Fortgang des Forschungsprojekts selbst sehen. Zwar haben Rupprecht und ihre Mitarbeiter ihre acht freien Sender alle an den Vogel gebracht. Aber nur zwei besenderte Jungvögel sind noch am Leben. "Die anderen sind alle vom Fuchs oder irgendwelchen anderen Prädatoren geholt worden", sagt Rupprecht. "Dieses Jahr ist offenbar ein schlechtes Mäusejahr und dann weichen kleine Raubtiere halt auf andere Beute aus." Wiesenbrüter-Küken, die noch nicht flügge sind, sind wie unerfahrene Jungvögel recht einfach zu jagen.

Auch die kleine neue Population auf dem früheren Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck steht vor einer ungewissen Zukunft. Im Norden des weitläufigen Geländes gibt es Ideen für den Bau einer Wohnsiedlung und einer Sportanlage. "Würden die Pläne umgesetzt, hätte das ziemlich sicher verheerende Folgen für die Brachvögel dort", sagt der Biologe Weigl. Die kleine Kolonie hat sich nämlich erst etabliert, nachdem dort etliche Altbauten abgerissen worden waren und Ruhe auf dem Areal eingekehrt ist. Weigl ist sich "sehr sicher, dass neue Gebäude, Lärm und eine Flutlichtanlage unsere Brachvögel aber schnell wieder vertreiben werden".

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