Die bayerische Staatsregierung pocht darauf, im Kampf gegen irreguläre Migration ihre landeseigene Grenzpolizei aufzuwerten. Den Plan des UnionsKanzlerkandidaten Friedrich Merz, auch Asylsuchende an den Grenzen zurückzuweisen, halte man für „rechtlich zulässig, praktisch möglich und mit Blick auf die gegenwärtige Lage geboten“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Dienstag nach dem Kabinett. Die Bundespolizei müsse dafür mit bis zu 10 000 Stellen verstärkt werden. Weil dies Zeit in Anspruch nimmt, solle der Bund schon zuvor die Polizeibehörden der Länder in die Lage versetzen, selbst Zurückweisungen an den Grenzen vorzunehmen. Hierzu brauche es Änderungen von Gesetzen und Verwaltungsabkommen.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte 2018 die in den Neunzigern aufgelöste eigene Grenzpolizei reaktiviert. Sie ist an den Grenzen zu Österreich und Tschechien sowie an den großen Flughäfen präsent; durchaus mit Erfolgen im Bereich Drogen, Schmuggel oder offenen Haftbefehlen. De facto geht es bei deren Arbeit häufig um klassische Schleierfahndung. Zudem können die bayerischen Beamtinnen und Beamten die Bundespolizei unterstützen, in deren Hoheit die eigentliche Grenzsicherung fällt.
Schon jetzt gibt es nach Auskunft des Innenministers an einer Reihe von Kontrollpunkten im Freistaat Vereinbarungen mit der Bundespolizei, dass auch die Landespolizei die Befugnis zum Zurückweisen habe. Die vom Freistaat gewünschte Reform würde das Ganze auf eine völlig neue Grundlage stellen und die bayerische Grenzpolizei sozusagen scharfschalten. Ein Geburtsfehler des Konstrukts, wie ihn Kritiker monieren, wäre damit behoben. Die Änderung beträfe auch die Landespolizei andernorts in Deutschland. Herrmann verwies darauf, dass etwa Sachsen ebenfalls eine eigene Grenzpolizei aufbauen wolle.
Die Forderung der Staatsregierung ist Teil zweier Entschließungsanträge für den Bundesrat. Treiber der Debatte ist die Gewalttat von Aschaffenburg, wo ein ausreisepflichtiger Afghane zwei Menschen tötete, darunter ein Kind. Es geht in den Anträgen um Maßnahmen zur „Reduktion des Zugangsgeschehens“ und für eine „konsequente Rückführungspolitik“, die allesamt aber die Bundesebene betreffen. Zu weiten Teilen deckt sich das mit dem Wahlprogramm der CSU und den Vorhaben von CDU-Chef Merz im Bundestag.
Der Bund müsse demnach auch die alleinige Zuständigkeit für Dublin-Fälle übernehmen; also Abschiebungen in andere EU-Länder, wo Migranten zuerst eingereist sind. Es gebe zahlreiche Staaten, so Herrmann, die sich der Rücknahme von Dublin-Fällen „de facto verweigern“. Vergangenes Jahr habe es etwa drei Überstellungen nach Italien gegeben, bundesweit mehr als 10 000 hätten es sein müssen. Mit den Anträgen für die nächste Sitzung des Bundesrats Mitte Februar möchte sich die Staatsregierung auch unabhängig von den Merz-Plänen positionieren. Herrmann räumte ein, dass es sich in der Länderkammer um „eine politische Absichtserklärung“ handele.
Der Innenminister betonte, Bayern habe schon lange seine „Anstrengungen“ bei Abschiebungen verstärkt. 2024 habe man 3010 Menschen abgeschoben, weitere 14 757 reisten freiwillig aus – ein Plus von gut 25 Prozent. Man sei als Bundesland aber nur im Vollzug, Hemmschuh sei quasi der Rahmen, den der Bund vorgebe. Seit der Tat streiten Bayern und der Bund, in wessen Verantwortungsbereich der Afghane im Land und auf freiem Fuß blieb. Kritik kam derweil von der AfD in Bayern. Die CSU rede „plötzlich über Abschiebungen“, teilte Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner mit, dabei habe die Staatsregierung auch im Fall Aschaffenburg „wieder einmal versagt“. Ende 2024 seien 25 419 ausreisepflichtige Ausländer in Bayern gemeldet gewesen, davon gut 6000 vollziehbar ausreisepflichtig.
Das Kabinett beschloss am Dienstag auch, einen neuen Fonds für die Opfer von Gewaltverbrechen bereitzustellen. Volumen: eine Million Euro. Dieser soll die im Freistaat bestehenden Mechanismen für den Opferschutz ergänzen. Beispiel: Während Witwen und Waisen getöteter Opfer weitreichende Entschädigungsansprüche haben, können etwa Eltern diese bisher regulär nur bei psychischen Schädigungen geltend machen. Es gehe um „Bereiche, wo es Lücken gibt“, so Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Ein Geldbetrag könne aber „nie das Geschehene ungeschehen machen“.