Weniger Einreisen:Söder und die Zombie-Jäger an der bayerischen Grenze

Lesezeit: 3 Min.

Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann (rechts) zu Besuch bei der bayerischen Grenzpolizei. Sie seien wie die Nachtwache in „Game of Thrones“, sagt Söder. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Bayerns Ministerpräsident will die Kompetenzen der landeseigenen Grenzpolizei erweitern und zieht einen seltsamen Vergleich mit einer Fantasy-Serie. An der Grenze aufgegriffene Menschen werden so zu „bösen Wanderern“.

Von Matthias Köpf, Oberaudorf

Die groß angelegte Grenzkontrolle am Donnerstagvormittag auf der Innbrücke bei Oberaudorf ist mit der zuständigen Bundespolizei abgesprochen, so wie immer, wenn die landeseigene bayerische Grenzpolizei irgendwo einen Kontrollposten errichtet. In Zukunft solle die Grenzpolizei des Freistaats aber auch ganz eigenständig kontrollieren dürfen, fordert Ministerpräsident Markus Söder wieder einmal. Der ist zusammen mit Landesinnenminister Joachim Herrmann (beide CSU) mitten im Bundestagswahlkampf nach Oberaudorf gekommen, um die jüngsten Fahndungserfolge der vor fast sieben Jahren neu eingerichteten bayerischen Grenzpolizei zu betonen.

Während also bayerische Polizeibeamte vor einem großen Aufgebot an Pressevertretern die Heimfahrt einiger niederländischer Skitouristen aus Österreich verzögern, präsentieren Söder und Herrmann gesunkene Fallzahlen für 2024. Dabei löst der Ministerpräsident Aufregung mit seiner Ausdrucksweise aus. Kenner der Fantasy-Saga „Game of Thrones“ und von Söders Vorliebe für ebendiese dechiffrieren hinterher eine Aussage als Vergleich von Polizisten mit Kriminellen und von an der Grenze aufgegriffenen Menschen mit Zombies.

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„Im Grunde genommen ist die Grenzpolizei die Nachtwache und schützt uns vor bösen Wanderern von woanders her.“ Dieses Söder-Zitat ist ganz offenbar eine Anspielung auf die Fantasy-Serie. Dort rekrutiert sich die „Nachtwache“ aus Kriminellen, Außenseitern und Unerwünschten und muss die Grenze gegen „Wildlinge“ und vor allem gegen die Bedrohung durch die „Weißen Wanderer“ und deren Armee von Untoten schützen. Später merkte die Staatskanzlei an, Söder habe mit dem Satz ausschließlich Kriminelle gemeint, nicht Migranten.

Unabhängig von Söders Serien-Fantasien hatte es die bayerische Grenzpolizei weder im vergangenen Jahr noch davor wirklich mit Zombies zu tun, sondern stets in erster Linie mit Menschen und ansonsten mit Waffen, Drogen und gestohlenen Autos.  Insgesamt 2385 unerlaubte Einreisen und Wiedereinreisen haben die bayerischen Grenzbeamten im vergangenen Jahr registriert, fast die Hälfte weniger als im Jahr 2023. Auch die Zahl der von ihnen aufgedeckten Schleusungen ist von 413 im Jahr 2023 um mehr als 60 Prozent auf 160 zurückgegangen.

Dieser Rückgang entspricht in der Tendenz den Angaben der Bundespolizei für Bayern, die zwei Wochen zuvor ihre Gesamtbilanz an eigenen Aufgriffen und denen der bayerischen Kollegen vorgelegt hat. Demnach wurden an der langen deutschen Außengrenze im Freistaat 2024 insgesamt 19 341 unerlaubte Einreisen entdeckt, nach 34 209 im Jahr davor und 29 229 im Jahr 2022. Laut Bundespolizei wurden von den 19 341 Aufgegriffenen im vergangenen Jahr 10 070, also mehr als die Hälfte, sofort an der Grenze oder bald danach zurückgewiesen oder zurückgeschoben. Geht es nach Söder, so soll auch die bayerische Grenzpolizei Migranten zurückweisen dürfen statt dazu erst die Bundespolizei einschalten zu müssen.

Dass die Fallzahlen deutlich gesunken sind, spricht aus Sicht der Wahlkämpfer Söder und Herrmann für eine weitere Verschärfung in der Migrationspolitik. Denn am registrierten Rückgang von irregulärer Migration und Schleuserkriminalität zeige sich die abschreckende Wirkung der harten Linie der Polizei und der Justiz in Bayern. „Hier wird man schneller erwischt und man wird länger verknackt“, sagt Söder. Nach Herrmanns Darstellung liegt das Sinken der Fallzahlen im Jahresvergleich auch daran, dass die Zahl der unerlaubten Einreisen und Schleuserdelikte 2023 so hoch gewesen sei wie nie zuvor seit Gründung der bayerischen Grenzpolizei im Jahr 2018. Die Arbeit der Grenzpolizei sei daher „wichtiger denn je“.

Polizisten kontrollieren an einer mobilen Kontrollstelle kurz hinter der Grenze bei Oberaudorf Fahrzeuge, die aus Österreich nach Deutschland kommen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Neben den Aufgriffen von Migranten und Schleusern haben die bayerischen Grenzpolizisten laut Herrmanns Bericht im Jahr 2024 mehr 18 000 Fahndungstreffer gelandet. Unter anderem stießen sie demnach auf 1383 gefälschte oder von den falschen Leuten vorgezeigte Urkunden wie Ausweise und Führerscheine sowie auf rund 680 Kilogramm Drogen. Fast zwei Drittel davon war Marihuana. Diesen Anstieg um das Siebenfache führt Herrmann auf die Freigabe der Droge auf Bundesebene zurück.

Der Einsatz der Grenzpolizei gegen die irreguläre Migration stößt auf Kritik unter anderem bei den Grünen und beim bayerischen Flüchtlingsrat. Der bezeichnet schon die Einführung von Binnengrenzkontrollen für mehr als sechs Monate durch den Bund als rechtswidrig und nennt die bayerische Grenzpolizei „verfassungsrechtlich fragwürdig“. Forderungen nach konsequenten Zurückweisungen hätten „vollkommen den Bezug zu geltendem Recht und Rechtsstaatlichkeit verloren“.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Florian Siekmann, führt den Rückgang der Fallzahlen im Gegensatz zu Söder und Herrmann weniger auf bayerische Bemühungen zurück, sondern auf „die Maßnahmen der Ampel-Regierung zur Begrenzung der illegalen Migration“. Anstelle ihrer Alleingänge müsse die Staatsregierung „das Vorgehen gegen organisierte Schleuser- und Schlepperbanden besser mit den Nachbarn koordinieren“.

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