Die Bundespolizei kontrolliert seit diesem Montag an den deutschen Grenzen wieder schärfer die Pässe. Was im Westen und Norden des Landes ungewohnt sein mag, ist in Bayern längst Routine. An den Übergängen zu Österreich gehen Grenzbeamte bereits seit 2015 durch die Züge oder winken an der Grenze Autos raus. Im Oktober 2023 führte Innenministerin Nancy Faeser die Kontrollen auch an der Grenze zu Polen, Tschechien und der Schweiz ein. Bayern hatte dies seit Langem gefordert. Die Wirksamkeit der Kontrollen habe sich rasch bestätigt, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner Regierungserklärung im Dezember 2023.
Tatsächlich halten die Grenzschützer an den Übergängen zu Österreich und Tschechien regelmäßig Ausländer auf, die nach Deutschland einreisen wollen und kein Visum haben und angeblich auch keinen Asylwunsch vorbringen. Allein im ersten Halbjahr 2024 wurden so bislang 9613 unerlaubt einreisende Menschen registriert, davon 7437 an der Grenze zu Österreich und 2176 an der Grenze zu Tschechien. Ziemlich genau die Hälfte schickten die Beamten zurück, davon 4243 an der Grenze zu Österreich und 592 Personen an der Grenze zu Tschechien. Das teilte die Bundespolizeidirektion München auf Anfrage mit.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hält die Kontrollen auch weiterhin für nötig: „Wir brauchen die intensiven Grenzkontrollen aus sicherheits- und migrationspolitischen Gründen mehr denn je“, sagte er kürzlich in Reaktion auf eine Forderung der Grünen, die Kontrollen wieder abzuschaffen. Die weltpolitische Lage sei weiterhin angespannt, der islamistische Terror habe Europa im Fadenkreuz und der Schutz der EU-Außengrenzen sei absolut mangelhaft. Die Grünen hatten argumentiert, die Kontrollen verstießen gegen EU-Recht.
Das beklagen auch viele Juristen. Grenzkontrollen seien nur zur Gefahrenabwehr und dann auch nur für sechs Monate zulässig, sagt der Berliner Rechtsanwalt Christoph Tometten. Der EuGH habe dies im Falle der Kontrollen an der slowenisch-österreichischen Grenze eindeutig formuliert. Für Deutschland gibt es bislang keinen solchen Urteilsspruch, dennoch sei klar: „Die Bundesregierung verstößt seit Jahren systematisch gegen europäisches Recht“, so Tometten. Der Anwalt hatte Anfang des Jahres einen Österreicher vertreten, der vor dem Verwaltungsgericht in München gegen die Kontrollen klagte. Er war im Zug in Passau von der Grenzpolizei kontrolliert worden. Das Gericht wies die Klage ab. Die Grundrechtseinschränkung befand es als zu geringfügig, als dass eine Klage zulässig wäre, auch bestehe keine Wiederholungsgefahr. In der Sache aber gab es dem Kläger recht. Die Kontrolle dürfte gegen den Schengener Grenzkodex verstoßen haben, heißt es in der Urteilsbegründung. Gegen die Klageabweisung wurde Berufung eingelegt.
Sind schon die Kontrollen rechtlich umstritten, so gilt dies erst recht für die Zurückweisungen. Menschen, die Schutz vor Verfolgung suchen, darf die Polizei an der Grenze nicht einfach abweisen. Auch dann nicht, wenn sie sich bereits in einem anderen EU-Staat registriert haben und dieser also nach den EU-Verteilregeln möglicherweise für ihr Verfahren zuständig ist. „Sobald jemand zu erkennen gibt, dass er nach Schutz vor Menschenrechtsverletzungen sucht, greift die Dublin-Verordnung“, erklärt Tommeten. Die Menschen müssen also aufgenommen, angehört und erst dann in das Land, das für ihr Verfahren zuständig ist zurückgeführt werden.
„Die inhaltliche Prüfung des Schutzersuchens obliegt ausschließlich dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf)“, erklärt auch die Bundespolizei. An der Grenze zurückgewiesen wird demnach nur, wer kein Asylgesuch geäußert hat. Wer dagegen um Schutz bittet, werde in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht. Unbegleitete Minderjährige würden der Obhut des Jugendamtes übergeben.
Flüchtlingsorganisationen mutmaßen aber, dass der Wunsch nach Schutz manchmal überhört werde. Die drei Hauptherkunftsländer der Zurückgewiesenen waren nach Angaben der Grenzpolizei im Jahr 2023 die Türkei, Syrien und Afghanistan. Das sind nach der Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge genau jene Nationen, die derzeit am häufigsten um Asyl bitten.