Jagdrecht-NovelleGoldschakal: kaum in Bayern, schon im Visier?

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Neuzugang im bayerischen Tierreich: Seit Kurzem werden Goldschakale im Freistaat gesichtet.
Neuzugang im bayerischen Tierreich: Seit Kurzem werden Goldschakale im Freistaat gesichtet. (Foto: O. Diez/IMAGO/blickwinkel)

Das scheue Wildtier breitet sich in Bayern aus – doch wie lange noch? Jagdminister Aiwanger plant, das Raubtier ins Jagdrecht aufzunehmen. Naturschützer warnen vor übereilten Schritten.

Von Finn Sanders

Nur wenige Kilometer hinter der bayerischen Grenze, im vogtländischen Plauen, will eine Anwohnerin kürzlich einen Goldschakal im eigenen Garten entdeckt haben. Das hat sie der Freien Presse erzählt. Überraschend ist das nicht. Auch in Bayern häufen sich die Hinweise: Ein neuer Jäger streift durch die Landschaft. Doch wie lange noch? Hubert Aiwanger plant, den scheuen Räuber ins bayerische Jagdrecht aufzunehmen.

Der Goldschakal (Canis aureus) wirkt wie eine Kreuzung aus Fuchs und Wolf: gelblich bis ockerfarbenes Fell mit grauen Schattierungen, spitze Ohren, schmale Schnauze, kurze buschige Rute. Er gehört – wie seine prominenteren Verwandten – zur Familie der Hundeartigen. Mit sieben bis 15 Kilogramm Gewicht und einer Schulterhöhe von 44 bis 50 Zentimetern überragt er den Rotfuchs nur leicht. Trotzdem bleibt er unauffällig – denn der Goldschakal meidet den Menschen.

Im April 2012 tappte erstmals ein Exemplar in Bayern in eine Fotofalle. Seitdem mehren sich die Sichtungen. Jörg Tillmann von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt hat alle „gesicherten Nachweise von Goldschakalen in Deutschland“ bis August 2020 dokumentiert: 25 Einträge, kaum mehr als eine A4-Seite. Fünf davon stammen aus Bayern. 2015 kam im Landkreis Aichach-Friedberg ein Goldschakal bei einem Verkehrsunfall um, weitere folgten 2017 auf der Autobahn bei Freising und im August 2020 im Landkreis Altötting. Ebenfalls 2020 entstand ein weiteres Foto im Landkreis Traunstein. Bis heute, teilt das Bayerische Landesamt für Umwelt mit, habe man den Goldschakal 22 Mal in Bayern nachweisen können. 27 weitere Hinweise seien bislang unbestätigt.

Die Geschichte könnte hier enden. Doch im Sommer 2022 blieb es nicht bei Fotos: „Raubtier schlägt zu – Schafe in Bayern gerissen“, titelte das Jägermagazin. Eine DNA-Analyse bestätigte: Ein Goldschakal hatte vier Lämmer gerissen. Prompt forderte der Bayerische Bauernverband einen Managementplan und eine Regelung für den Schadensausgleich. Denn anders als bei Wolfs- oder Bärenschäden erhalten betroffene Halter bislang keine Entschädigung.

Was zieht den Goldschakal nach Bayern?

Traditionell sind die Tiere in Nordafrika, dem Balkan und in Zentral- und Ostasien verbreitet. Dabei bevorzugen sie warme strukturreiche Lebensräume im Tiefland, mit nur geringem Schneefall im Winter. Dass die Goldschakale diese zunehmend im Norden finden, ist kein Zufall: Der Klimawandel, so Tillmann, sei ein Grund für die Ausbreitung des Goldschakals. Tatsächlich waren die Winter in Deutschland in den vergangenen Jahren sehr mild, die Sommer heiß. Gutes Klima also für den Goldschakal.

Zudem muss der Goldschakal in Bayern kaum Feinde fürchten. Wölfe, die mit Goldschakalen konkurrieren und sie gelegentlich auch töten, gibt es kaum. 13 Wolfsterritorien sind es nach Daten des Landesamts für Umwelt in Bayern derzeit. Und es könnten weniger werden. Hubert Aiwanger will die Raubtiere ins Jagdrecht aufnehmen.

Der Speiseplan des Goldschakals

Nicht nur beim Lebensraum, auch bei der Ernährung sind Goldschakale nur wenig wählerisch. Der Goldschakal ist ein Allesfresser. Auf seinem Speiseplan stehen Mäuse und Kaninchen, Vögel, Amphibien und Insekten. In landwirtschaftlich geprägten Regionen macht er sich über Fallobst, Beeren und Feldfrüchte wie Mais her. Sogar Abfälle in der Nähe von Siedlungen nutzt er als Nahrungsquelle.

Diese Flexibilität macht ihn zum Überlebenskünstler. Gerade in strukturreichen Landschaften aus Feldern, Wiesen und Wäldern findet er reichlich Nahrung. Im Gegensatz zum Wolf reißt er nur selten größere Nutztiere – der Fall der gerissenen Lämmer bleibt in Bayern bislang eine Ausnahme.

Umgang mit dem Goldschakal in Bayern

Trotzdem: Landwirte befürchten, dass der Goldschakal sich ausbreitet und zum Problem wird. Der bayerische Bauernverband schreibt auf SZ-Anfrage, dass besonders bei Weidetierhaltern in Oberbayern und Schwaben große Sorgen bestünden. Der Verband fordert „ein umfassendes Monitoring“. Außerdem soll der Goldschakal nach Willen des Verbandes ins Jagdrecht aufgenommen werden.

Dieser Forderung kommen offenbar Pläne des bayerischen Ministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie nach. Dieses teilt auf Anfrage mit: „Durch angedachte Änderungen am Jagdgesetz sollen die rechtlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten geschaffen werden, um für eine zunehmende Ausbreitung des Goldschakals gerüstet zu sein und auch in Einzelfällen (z.B. Risse) rechtssicher reagieren zu können.“

Bereits im September hat Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) nach Informationen des Merkur versprochen, er wolle versuchen, den Goldschakal in das „Jagdrecht zu kriegen“. Hintergrund seien Befürchtungen des Ministers, der Goldschakal werde „übergriffig“ und könnte Weidetiere wie Schafe attackieren.

„Überhaupt nicht sinnvoll“ nennt Felix Hälbich, Pressesprecher des Bund Naturschutz den Vorstoß des bayerischen Ministers. Trotzdem bedeute eine Aufnahme ins Jagdrecht nicht, dass geschützte Arten geschossen werden dürften. Denn diese „haben dann ganzjährig Schonzeit. Darüber kann sich auch Herr Aiwanger nicht hinwegsetzen“. Zu den Sorgen der Landwirte ergänzt Tillmann: „Alles, was an Herdenschutzmaßnahmen auf den Wolf ausgerichtet ist, schreckt den Goldschakal schon lange ab.“ Auch Horrorszenarien wie man sie vom Wolf kenne, befürchte er nicht – der Goldschakal sei viel kleiner und schwächer.

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